https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog.atomAnanda Verlag - Yoga Blog2022-03-16T17:46:36+01:00Ananda Verlaghttps://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/bindu2022-03-16T17:46:36+01:002022-03-16T18:07:55+01:00BinduChristian KnipsBindu als Quelle der Schöpfung liegt außerhalb aller konventionellen Erfahrung, und selbst in den tantrischen Schriften ist wenig darüber geschrieben worden. Hier lagern alle Karmas aus den vergangenen Leben eines Menschen. Diese Karmas tauchen nicht nur in Form von Vasanas (Wünsche) auf, sondern ebenfalls als Erinnerungen.
Bindu als Quelle der Schöpfung liegt außerhalb aller konventionellen Erfahrung, und selbst in den tantrischen Schriften ist wenig darüber geschrieben worden. Hier lagern alle Karmas aus den vergangenen Leben eines Menschen. Diese Karmas tauchen nicht nur in Form von Vasanas (Wünsche) auf, sondern ebenfalls als Erinnerungen.
Das Wort Bindu bedeutet „Tropfen“ oder „Punkt“. Die genauere Bezeichnung ist Bindu Visarga, „der fallende Tropfen“. Bindu wird durch eine Mondsichel und einen weißen Tropfen symbolisiert, was auf den Tropfen deutet, der zu Vishuddhi Chakra hinunterfällt. Es ist die eigentliche Quelle, von der aus sich alles manifestiert und zu der alles wieder zurückkehrt.
In der Kama-Kala-Vilasa (Vers 6 - 9) heißt es:
„...(Bindu) ist die Ursache der Schöpfung von Wort und Bedeutung, nun eintretend und nun sich teilend, eines aus dem anderen.“ „... von diesem (Bindu) kam Äther, Luft, Wasser, Feuer, Erde und die Buchstaben des Alphabets.“
Bindu Visarga ist mit dem Vishuddhi Chakra in der gleichen Weise verbunden, wie die weniger wichtigen Zentren des Verdauungssystems mit Manipura, und die des Genital- und Ausscheidungssystems mit den Chakras Swadhisthana und Muladhara. Das Atem- und Kreislaufsystem kann in diesem Sinne dem Anahata Chakra zugeordnet werden.
Die Verbindung wird jeweils durch eine bestimmte Nervengruppe hergestellt, die zu dem entsprechenden Chakra gehört. Bindu und Vishuddhi sind durch ein Nervennetz verbunden, das sich durch den inneren Teil der nasalen Öffnung zieht und das Lalana Chakra, das am Zäpfchen oder Gaumen zu finden ist, durchquert. Ein Erwachen in Vishuddhi wird daher gleichzeitig Bindu und Lalana betreffen.
Die zehn als Paar auftauchenden Schädelnerven, die entlang des Hirnstammes aus den mit ihnen verbundenen Zentren entspringen, haben ihre eigentliche Herkunft in diesem winzigen Punkt. Das bedeutet, dass sich die Sinnesorgane, Augen, Ohren, Nase und Mund, und alles, was damit verbunden ist, von Bindu aus manifestieren.
Die Lokalisierung von Bindu
Bindu befindet sich am Hinterkopf. Es ist die Stelle, an der Hindu Brahmanen ein Haarbüschel wachsen lassen. Dieser Brauch ist heute noch lebendig, doch seine eigentliche Bedeutung ist kaum bekannt. In Sanskrit wird dieser Haarbüschel Shikha genannt – „Flamme“ des Feuers. Das Wort „Flamme“ ist hier das Synonym für die Flamme der Vasanas, der versteckten Karmas, die dem vergangenen Leben angehören.
Während der Periode von Sandhya, in der das Kind für die Zeremonie des heiligen Bandes vorbereitet und in ein Mantra eingeweiht wird, gehörte es zum Brauch, an dieser Stelle einen Haarbüschel so straff wie möglich zusammenzubinden. Durch den fest zusammengezogenen Haarbüschel entwickelt das Kind während der Mantra Rezitation eine starke und fortwährende Bewusstheit des Bindu Punktes. Es fühlt hier eher die Festigkeit als Schmerz. Es ist einer der traditionellen Wege, um mit Bindu Visarga in Kontakt zu kommen.
Tantrische Physiologie von Bindu
Laut tantrischer Tradition befindet sich in den höheren Zentren der oberen Hirnrinde eine kleine Einhöhlung, die eine minimale Flüssigkeit enthält. In der Mitte dieser Einhöhlung ist eine kleine Erhöhung, ähnlich einer Insel inmitten eines Sees. Im psycho-physiologischen Grundgerüst wird dieser winzige Punkt als Bindu Visarga bezeichnet.
Von Medizinern wurde diese winzige Struktur im Gehirn anatomisch niemals erwähnt. Eine solche Studie wäre jedoch interessant und lohnend. Auf einem anderen Gebiet wurde durch moderne Forschung ein Zusammenhang zu den Aussagen der Tantra Shastras entdeckt. Die geheimnisumwitterte Zirbeldrüse kann anatomisch und funktionell dem Ajna Chakra zugeordnet werden.
Bindu Visarga ist jedoch um vieles kleiner und empfindlicher und würde bei experimenteller Forschung, die erst nach dem Tode möglich wäre, mit Sicherheit zerstört werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach ließe sich eine derart minimale Flüssigkeitsmenge nicht einmal isolieren und analysieren, denn es ist bekannt, dass andere, in einer viel größeren Menge auftretenden neuronale Transmitter zur Zeit des Todes degenerieren und sich im Gewebe verflüchtigen.
Die traditionelle Symbolik von Bindu
In den tantrischen Schriften ist das Symbol für Bindu ein Halbmond in mondheller Nacht. Das Symbol ist äußerst sinnig. Die Mondsichel deutet darauf hin, dass Bindu eng mit den Mondphasen − Kalas − im Zusammenhang steht, so wie das auch auf die endokrinen, emotionalen und mentalen Fluktuationen im Menschen zutrifft. Die Unermesslichkeit von Sahasrara enthüllt sich allmählich durch ernsthafte Yoga Übungen, vergleichbar mit dem Vollmond, der sich jeden Monat vom Neumond zum Vollmond entwickelt.
Die Sichel des Mondes bietet eine vage, schnell vorüber huschende Ahnung eines Hügels in dunkler Nacht. Auch der Nachthimmel als Hintergrund ist Symbol der Unendlichkeit von Sahasrara. Das Sahasrara Chakra liegt oberhalb von Bindu. Sahasrara kann jedoch nicht in seiner Gesamtheit erfahren werden, solange die Individualität besteht.
Im Symbol Om befindet sich das Symbol für Bindu im oberen Teil als Punkt über der Mondsichel. Genau genommen ist die Form von Om das Symbol für alle Chakras und auch für die drei Gunas, die drei Eigenschaften der erschaffenen Welt − Tamas, Rajas und Sattwa. Alle Chakras außer Bindu gehören in den Bereich von Prakriti und den Gunas. Nur Bindu befindet sich außerhalb der Symbolform als Zeichen dafür, dass es transzendenter Natur ist, also nicht mehr eingefangen in der Materie.
Bindu Visarga gehört zum siebten und höchsten Loka, Satyam Loka, der Ebene der Wahrheit und wird mit dem Kausalkörper oder Anandamaya Kosha in Verbindung gesehen. Es heißt, dass der kosmische Klang Om dann hörbar wird, wenn Bindu Visarga erwacht, und dass in genau diesem Moment die Quelle aller Schöpfung erkannt wird, die im Bindu Punkt und der Mondsichel über dem Symbol Om liegt.
Der Platz des Nektars
In vielen der tantrischen Schriften steht geschrieben, dass der dem Bindu innewohnende Mond ein Sekret produziert, das spirituell trunken macht. Yogis können allein von dieser ambrosischen Flüssigkeit leben. Wenn dieses Sekret zu fließen beginnt und in den Körper gelenkt wird, kann der Yogi auf jegliche Nahrung verzichten, ohne dass der Körper an Vitalität verliert.
Es gibt viele Berichte von Menschen, die sich in einen winterschlafähnlichen Zustand begeben haben, bzw. unter der Erde weiterleben konnten. Immer wieder wurden derartige Phänomene sehr genau und wissenschaftlich überprüft. Dieser menschliche Winterschlaf konnte bis zu vierzig Tagen anhalten. Nicht alle Fälle allerdings waren authentisch, waren sie es jedoch, wurden folgende Regeln genau beachtet. Zunächst wurde gewissenhaft Pranayama praktiziert, bis zur völligen Beherrschung von Kumbhaka (Anhalten des Atems).
In diesem Moment wurde Khechari ausgeführt. Das ist allerdings nicht die Form von Khechari, wie sie ein Sadhana von Kundalini Yoga enthält, sondern eine Übung aus Hatha Yoga. Hier wird die Zungenwurzel (Frenulum) allmählich so weit eingeritzt, bis die Zunge in den Nasen-Rachenraum eindringen kann. Dadurch wird die Passage in ähnlicher Weise blockiert, wie ein Korken eine Flasche verschließt. Um Khechari Mudra wirklich zu meistern, braucht man etwa zwei Jahre.
Durch diese Übung fällt der Tropfen von Bindu zu Vishuddhi. Dieser Nektartropfen durchzieht den ganzen Körper, nährt ihn und verleiht ihm Vitalität, gleichzeitig stoppt er die Stoffwechselprozesse. Kommt der Stoffwechsel in den Zellen zum Stillstand, wird kein Sauerstoff mehr verbraucht und zellulare Abfallstoffe werden nicht produziert. In diesem Winterschlaf kann ein Yogi lange Zeit leben, ohne zu atmen, und selbst der Bart wächst in dieser Zeit nicht.
Das Giftzentrum
Von Bindu wird sowohl Nektar als auch Gift produziert, denn die Gift- und Nektardrüsen liegen ganz eng beieinander. Vielleicht wirst du dich fragen, ob nicht durch das Erwecken von Bindu unbeabsichtigt die Giftdrüsen angeregt werden könnten. Zu dieser Befürchtung besteht jedoch kein Anlass, wenn Bindu und Vishuddhi gleichzeitig erweckt werden.
Bindu reguliert die Nektardrüsen und Vishuddhi trägt für beide, Gift- und Nektardrüsen, die Verantwortung. Solange der Nektar fließt, kann das Gift keinen Schaden anrichten. Wenn der Yogi Körper und Bewusstsein durch Hatha Yoga und die Übungen von Dhyana und Raja Yoga gereinigt hat, wird es sogar so sein, dass auch die Giftdrüsen Nektar und nicht Gift produzieren.
Bindu – der Ursprung der Individualität
Bindu wird als die Quelle der Schöpfung betrachtet, als Punkt, von dem aus sich die Einheit in die Vielfalt teilt. Dieser Aspekt ist in der Sanskritwurzel bind zu finden. Es bedeutet „sich spalten“ oder „teilen“.
Bindu beinhaltet einen Punkt ohne Dimension, einen dimensionslosen Mittelpunkt. Einige Sanskrit-Schriften bezeichnen diesen Punkt als Chidghana, das, was seine Wurzeln im grenzenlosen Bewusstsein hat. Bindu wird als Eingangspforte zu Shunya betrachtet, dem Zustand der Leere.
Diese Leere sollte nicht mit dem Nichts verwechselt werden. Es ist eher ein Zustand von „Nicht-Dingen“ (engl. Nothingness). Es ist der Zustand des reinen, absoluten, ungeteilten Bewusstseins. Bindu ist sehr geheimnisvoll. Es ist ein unsagbarer Fokuspunkt, in dem die beiden Gegensätze, Unendlichkeit und Null, Fülle und Nichts nebeneinander existieren.
Im Bindu ist das evolutionäre Potenzial für die unzähligen Objekte des Universums, ja, der ganze Schöpfungsplan enthalten. Evolution bezieht sich in diesem Zusammenhang auf den vertikalen, transzendenten Prozess, durch den Leben, Dinge und Organismen aus dem zugrunde liegenden Substrat der Existenz aufsteigen. Diese Evolution ist nicht mit dem Darwinschen Konzept gleichzusetzen.
Sein Konzept besteht darin, dass er aus historischer Sicht eine Spur aufnimmt und Veränderungen über eine bestimmte Zeit in Form, Funktion oder Erscheinung einer bestimmten Manifestation der Individualität, z. B. einer Spezies von Pflanzen oder Tieren, aufzeigt. Diese Evolution ist eine historische Aufzeichnung über eine bestimmte Zeit, während sich die Evolution des Bewusstseins zur Individualität hin und die Auflösung des Bewusstseins aus der Individualität im Reich der Zeitlosigkeit abspielen.
Auf der Grundlage der Individuation bilden sich im Universum Myriaden von Objekten. In Sanskrit wird dies Kala genannt, das, was das dem Bewusstsein innewohnende Potenzial in Bindu zur Ausdehnung bringt. Von diesem Punkt oder aus diesem Samen kann ein Objekt, ein Tier, ein menschliches Wesen oder was auch immer, aufsteigen und sich manifestieren.
Jedes, aber auch jedes Objekt hat einen Bindu als Basis. Dieser Bindu liegt in Hiranyagarbha, dem goldenen Ei, dem Schoß der Schöpfung. Das, was vorher formlos war, nimmt durch Bindu eine Form an, und auch seine Natur wird von Bindu festgelegt. Bindu ist sowohl Werkzeug des Bewusstseins, um etwas zum Ausdruck zu bringen, als auch Mittel der Begrenzung.
Einige der Organismen, die von Bindu zur Manifestation gelangen, besitzen Bewusstsein, dazu zählt der Mensch. Aber die meisten Organismen sind nicht bewusst, z.B. Elemente oder Steine. Ob das Potenzial bewusst oder nicht bewusst ist, hängt nur von der Beschaffenheit und der Struktur des individuellen Objektes ab, und auch das wird von Bindu bestimmt. Der Mensch ist in einer Weise ausgerüstet, die ihm erlaubt, ein bewusstes Wesen zu sein.
Jedes Objekt, bewusst oder nicht bewusst, ist mit der zugrunde liegenden Bewusstseinsessenz durch einen Bindu verbunden. Jedes Objekt, das sich in materielle Form entwickelt, hat einen Bindu als Medium, und jedes Objekt wird genauso von einem Bindu zur Quelle zurückgebracht. Bindu gleicht einer Schwingtür, die sich zu beiden Seiten öffnet. Es ist der Weg, durch den bewusste Wesen die Vollkommenheit von Sahasrara erkennen können. Ein solches bewusstes Wesen ist der Mensch.
Im Grunde gibt es nur zwei Richtungen, in die sich Menschen bewegen können, den Pfad von Pravritti und den Pfad von Nivritti. Ein Mensch, der dem Pravritti Pfad (nach außen gerichtet) folgt, wendet sich von Bindu ab und richtet den Blick auf die äußere Welt. Er wird fast ausschließlich von äußeren Ereignissen motiviert. Es ist der Weg der meisten Menschen unserer Zeit, aus der Selbsterkenntnis heraus, er legt die Menschen in Fesseln.
Der andere Weg, der Nivritti Pfad (zurückgelenkt), ist der spirituelle Weg, der Weg der Weisheit. Auf diesem Weg stellt sich das Individuum dem Bindu, er geht den Weg zurück, nach innen, zur spirituellen Selbstbesinnung. Dieser Weg führt zu Freiheit.
Der Weg der Evolution − Pravritti − ist der Pfad der Manifestation und Extravertiertheit. Der Weg der Involution führt auf dem Weg zurück, den dein individuelles Sein selbst einmal geschaffen hat. Er führt dich erst zu Bindu und dann zu Sahasrara. Der ganze Sinn von Yoga liegt darin, die Wahrnehmung auf den inneren Weg zu lenken.
Die Kraft des Punktes
Im unendlich kleinen Punkt liegt eine enorme Kraft eingehüllt. Eine Theorie über den Ursprung des Universums ist zum Beispiel, dass ein unendlich verdichteter Kern aus Materie im Urknall explodierte und daraus der ganze Kosmos entstand. In ähnlicher Weise enthüllte die Erforschung der subatomaren Physik, dass ungeheure Kraftansammlung in einer Unzahl verschiedener subatomarer Partikel im Raum/Zeit-Gebilde existiert. Die Physik nähert sich den Dimensionen des unfassbaren Bindu.
In der Molekular-Biologie kann die Essenz von Bindu in den DNS und RNS Molekülen wieder erkannt werden, in denen jeweils der komplette genetische Plan für den ganzen Organismus enthalten ist. Dies ist eine andere Darstellung der großen Intelligenz und dem Potenzial, das zu einem winzigen Punkt kompensiert und zum Ausdruck gebracht werden kann. Je tiefer die Wissenschaft in die Materie und die Struktur des Universums eindringt, umso größer wird die Kraft und Komplexität, die freigelegt wird. In den winzigen Dimensionen dieser Punkte ist ein unendliches Potenzial an Bedeutungen enthalten.
Die Kraft des Punktes oder Bindus ist den Mystikern unserer Menschheitsgeschichte immer bekannt gewesen. In Tantra wird jeder Bindu, jedes Teil manifestierter Existenz, als Kraftzentrum, als Shakti betrachtet. Shakti ist Ausdruck für das Substrat, das dem statischen Bewusstsein zugrunde liegt. Ziel des tantrischen Systems ist es, eine Zusammenführung von Shakti, der individuell manifestierten Kraft, mit Shiva, dem unbeweglichen, tiefer liegenden universalen Bewusstsein, herbeizuführen.
Der rote und der weiße Bindu
Bindu ist der kosmische Same, aus dem sich alle Dinge manifestieren und wachsen. Oft wird er mit dem männlichen Sperma verglichen, weil aus dem winzigen Bindu eines einzigen Sperma, das sich mit dem winzigen weiblichen Ovum vereinigt, neues Leben wächst. Der Akt der Empfängnis ist ein perfektes Symbol von dem Prinzip des Bindu. In diesem Sinne wird Bindu auch oft in den Schriften des tantrischen Kundalini Yoga beschrieben.
In der Yogachudamani Upanishad (Vers 60) heißt es:
„Bindu besteht aus zwei Arten, dem weißen und dem roten. Der weiße ist Shukla (Sperma) und der rote ist Maharaj (Menses).“
Der weiße Bindu deutet auf Shiva, Purusha oder Bewusstsein. Der rote Bindu deutet auf Shakti, Prakriti oder die Kraft der Manifestation. Der weiße Bindu befindet sich in Bindu Visarga und der rote in Muladhara Chakra. Der Sinn von Tantra und Yoga liegt darin, diese beiden Elemente zu vereinigen, sodass Shiva und Shakti eins werden.
Und weiter heißt es (Vers 61):
„Der rote Bindu ist in der Sonne eingefangen, der weiße im Mond. Ihre Vereinigung ist schwierig.“
Die Sonne repräsentiert Pingala Nadi und der Mond Ida Nadi. Die zwei Formen von Bindu symbolisieren das Zusammenfließen der Welt der Gegensätze und drücken das in männlich und weiblich aus. Ihre Vereinigung bewirkt den Aufstieg von Kundalini. Und weiter heißt es (Vers 63):
„Wenn sich, nachdem Prana gelenkt werden kann, der rote Bindu (Shakti) aufwärts bewegt (der Aufstieg von Kundalini), verbindet er sich mit dem weißen Bindu (Shiva). Es entsteht ein göttliches Wesen.“
In allen Yoga Systemen wird auf die eine oder andere Weise versucht, Prana ins Bewusstsein zu bringen und derart zu lenken, dass diese Vereinigung möglich wird. Entweder geschieht es auf direktem Wege, z. B. durch Pranayama, oder aber auf indirektem. In jedem Falle führt das Zusammentreffen dieser beiden Polaritäten, Shiva und Shakti zum Höchsten Bewusstsein. Im Vers 64 heißt es:
„Wer die grundlegende Einheit der beiden Bindus im Moment, wenn der rote Bindu mit dem weißen zusammenfließt, erkennen kann, der allein kennt Yoga.“
Quelle: aus dem Buch Kundalini Tantra von Swami Satyananda Saraswati
Bindu Meditation von Swami Satyananda Saraswati:
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/vishuddhi-chakra2022-03-16T16:07:15+01:002022-03-16T16:09:22+01:00Vishuddhi ChakraChristian KnipsDas Vishuddhi Chakra wird als das Reinigungszentrum betrachtet. Das Wort Shuddhi bedeutet aus dem Sanskrit übersetzt "reinigen". In diesem Chakra heben sich alle Gegensätze auf. Vishuddhi ist auch als "Nektar- und Giftzentrum" bekannt, weil der von Bindu tropfende Nektar auch Gift enthält, und in diesem Chakra kann das Gift extrahiert werden. Es ist nur der reine, von Gift befreite Nektar, der den Körper wirklich nähren und ihm Gesundheit und Langlebigkeit verleihen kann.
Das Vishuddhi Chakra wird als das Reinigungszentrum betrachtet. Das Wort Shuddhi bedeutet aus dem Sanskrit übersetzt "reinigen". In diesem Chakra heben sich alle Gegensätze auf. Vishuddhi ist auch als "Nektar- und Giftzentrum" bekannt, weil der von Bindu tropfende Nektar auch Gift enthält, und in diesem Chakra kann das Gift extrahiert werden. Es ist nur der reine, von Gift befreite Nektar, der den Körper wirklich nähren und ihm Gesundheit und Langlebigkeit verleihen kann.
Vishuddhi ist Ausdruck einer sehr großen Offenheit allen Lebenserfahrungen gegenüber, und das ist die Grundlage für ein tiefes, all durchdringendes Verständnis. Man wird den unangenehmen Lebensaspekten nicht mehr aus dem Wege gehen, um ausschließlich die angenehmen zu suchen. Stattdessen lernt man, mit dem Leben zu fließen und zuzulassen, dass alles so geschieht, wie es geschehen muss.
Sowohl Gift wie auch Nektar werden in Vishuddhi aufgenommen und als Teile eines größeren kosmischen Ganzen betrachtet. Richtiges Verständnis und wahre Unterscheidungskraft entspringen aus dem freudigen Annehmen beider Seiten, den Dualitäten und Polaritäten des Lebens.
Der mehr abstrakte Aspekt von Vishuddhi ist das höhere Unterscheidungsvermögen. Jede Kommunikation, die auf telepathischer Ebene abläuft, kann hier auf Richtigkeit und Genauigkeit überprüft werden. Vishuddhi macht es auch möglich, dass wir zwischen der aus höheren Bewusstseinsbereichen zu uns gelangenden Verwirklichung und dem bloßen Geplapper unseres unterbewussten und wunschorientierten Denkens unterscheiden lernen.
Vishuddhi wird von Aspiranten des Kundalini Yoga oft als unwichtiges Chakra betrachtet. Sie richten ihre Aufmerksamkeit ganz auf Muladhara, Anahata und Ajna, und die Bedeutung von Vishuddhi wird daher leicht übersehen und unterschätzt. Eigentlich sollte es genau umgekehrt sein.
Die Lokalisierung von Vishuddhi Chakra
Vishuddhi Chakra befindet sich am Halsgeflecht, der Einbuchtung des Nackens, und das Kshetram befindet sich im vorderen Hals an der Halsgrube, bzw. nahe der Schilddrüse. Die physiologische Entsprechung von Vishuddhi ist das Rachen- und Kehlkopfgeflecht, der Kehlkopf.
Die traditionelle Symbolik des Vishuddhi Chakras
Einige tantrische Schriften beschreiben Vishuddhi Chakra als dunkelgrauen Lotos. Die bekanntere Darstellung ist jedoch ein purpurfarbener Lotos mit sechzehn Blütenblättern. Die Zahl Sechzehn bringt die Anzahl der Nadis zum Ausdruck, die mit diesem Zentrum assoziiert sind. Auf jedem der Blütenblätter steht in scharlachrot einer der Sanskrit Vokale geschrieben:
Den Mittelpunkt des Lotos füllt ein Kreis, der so weiß ist wie der Mond. Er ist Symbol für das Ätherelement oder Akasha. Dieser ätherische Raum wird für jemanden, der seine Sinne gereinigt und unter Kontrolle hat, das Tor zur Befreiung. Im Innern des Mondes ist, ebenfalls als Symbol für Akasha, ein schneeweißer Elefant. Er ist das Tiersymbol dieser Bewusstseinsebene, und der Aspirant kann sich selbst auf dem Rücken des Elefanten sitzend sehen. Auch das Bija Mantra, die Keimsilbe ham, ist Symbol für das Ätherelement und ist in reinweiß geschrieben.
Der göttliche Aspekt von Vishuddhi ist der schneeweiße, dreiäugige Sadashiva. Er hat fünf Gesichter und zehn Arme und ist mit einer Tigerhaut bekleidet. Der Aspekt der weiblichen Gottheit ist Sakini, die reiner ist als ein Meer aus Nektar, das vom Mond nach unten fließt. Ihr Gewand ist gelb, und in ihren vier Händen hält sie Bogen, Pfeil, Schlinge und Stachel.
Vishuddhi gehört zum fünften Loka oder Janah. Das Vayu ist Udana, das bis zum letzten Atemzug verbleibt, um dann den Körper nach oben hin zu verlassen. Mit Ajna Chakra zusammen bildet Vishuddhi die Basis von Vijnanamaya Kosha, der Pforte zu psychischer Entwicklung. Das Tanmatra ist das Hören, der Hörsinn, Organ der Wahrnehmung (Jnanendriya) sind die Ohren, Organ der Handlung (Karmendriya) die Stimmbänder.
Laut Nada Yoga, einem Bereich von Kundalini Yoga, in dem die Klangvibration von Bedeutung ist, werden Vishuddhi und Muladhara als die beiden wichtigsten Schwingungszentren betrachtet. In Nada Yoga wird der Aufstieg des Bewusstseins durch die Chakras auf dem Wege der Tonleiter vorgenommen.
Jede Note der Tonleiter korrespondiert mit einem der Chakras und dem dazugehörigen Schwingungsfeld des Bewusstseins. Die auf diese Weise wahrgenommene Tonleiter wird oft in Verbindung mit Mantras, Bhajans und Kirtans rezitiert. Das ist ein sehr kraftvoller Weg, um die verschiedenen Chakras zu erwecken und für Kundalini zu öffnen.
Muladhara ist die erste und Vishuddhi die fünfte Klangebene der Tonleiter. Sie bilden die Grundklänge oder Vokale, auf die sich die Musik der Chakras aufbaut. Die Klänge der Vokale, die auf den sechzehn Blütenblättern des Yantras geschrieben stehen, sind die Urklänge. Sie entspringen in Vishuddhi Chakra und stehen in direkter Verbindung mit dem Gehirn.
In der Meditation auf das Vishuddhi Chakra wird der Geist so rein wie Akasha. Man wird ein großer Heiliger, wortgewandt und weise und erfreut sich eines ständigen inneren Friedens. Amrit kann als kühle, in das Chakra hinein fließende Flüssigkeit wahrgenommen werden, und der Aspirant wird frei von Krankheit und Leid, er ist voller Mitgefühl und Güte und lebt lange.
Nektar und Gift
In den tantrischen Schriften wird gesagt, dass vom Mond ein vitales Fluidum, eine Art Lebenselixier, zu Bindu Visarga fließt, um das individuelle Bewusstsein, das sich am Hinterkopf befindet, tropfenweise damit zu versorgen. Diese Essenz ist als Nektar bekannt und ist transzendenter Natur. In diesem Kontext kann Bindu als das entscheidende Zentrum verstanden werden, aus dem sich die Individualität vom kosmischen Bewusstsein in Sahasrara ihren Weg bahnt.
Dieses göttliche Fluidum hat viele Namen. In unserem Sprachgebrauch könnte der Name Ambrosia oder der Nektar der Götter, zutreffen. Ein anderer Name ist Amrit, der Nektar der Unsterblichkeit. Die Veden nennen es Soma, und in Tantra hat es die Bezeichnung Madya (göttlicher Wein). Viele der großen Sufi-Dichter sprechen von dem süßen Wein, der spirituell trunken macht.
Den gleichen Symbolgehalt enthalten Rituale des Christentums, in denen Wein geweiht und dann als Sakrament zu sich genommen wird. In jeder religiösen und mystischen Tradition, der am Erwachen eines höheren menschlichen Bewusstseins gelegen ist, finden wir ein entsprechendes Symbol für das nicht zu beschreibende Gefühl der Glückseligkeit.
Zwischen den Chakras Bindu und Vishuddhi gibt es ein weiteres, kleineres psychisches Zentrum, bekannt als Lalana Chakra oder Talumula, das in enger Verbindung mit dem Vishuddhi Chakra steht. Wenn der Nektar von Bindu heruntertropft, wird er in Lalana aufbewahrt. Es ist ein drüsenähnliches Reservoir und befindet sich im hinteren Nasen-Rachenraum, der inneren Höhle über dem weichen Gaumen, in die die Nasenwege hineinlaufen. Wenn du Khechari Mudra ausführst, versuchst du, die Zunge nach oben und nach hinten in diese Höhle hineinzubewegen, um auf diese Weise den Nektarfluss anzuregen.
Obwohl dieses Fluidum als Ambrosia bekannt ist, ist es trotzdem doppelter Natur, denn es kann sowohl Gift wie auch Nektar sein. Das Fluidum tropft von Bindu zu Lalana, hier wird es aufbewahrt. Solange es sich hier befindet, bleibt es undifferenziert, ist also weder Gift noch Nektar. Es fließt von hier ungehindert weiter herunter, um von dem Feuer von Manipura verzehrt zu werden. Das Ergebnis ist der Prozess des Verfalls, der Degeneration und schließlich des Sterbens der Körpergewebe. Dieser Verlauf betrifft jeden, dessen Vishuddhi Chakra nicht erwacht ist.
Durch bestimmte yogische Praktiken, wie Khechari Mudra kann dieser Nektar jedoch vom Lalana Chakra ausgeschüttet und zum Vishuddhi Chakra, dem Reinigungs- und Verfeinerungszentrum, gelenkt werden. Ist Vishuddhi erwacht, kann das göttliche Fluidum hier bewahrt und so genutzt werden, dass es zum Nektar der Unsterblichkeit wird. Das Geheimnis von Jugend und Regeneration des Körpers liegt im Erwachen von Vishuddhi Chakra.
Es gibt eine wunderschöne Geschichte aus der indischen Mythologie, die von dem Nektar und dem Gift in Vishuddhi berichtet. Es wird erzählt, dass die Devas und die Rakshasas als Symbol der guten und bösen Kräfte ständig miteinander im Streit lagen. Jeder versuchte, den anderen zu beherrschen und ihn zu zerstören. Schließlich versuchte Vishnu, den Konflikt zu lösen. Er schlug vor, das Urmeer (welches für die Welt und den Geist steht) umzurühren und den Inhalt gleichmäßig unter ihnen aufzuteilen.
Das klang nach einer guten Lösung, und dem Plan von Vishnu wurde zugestimmt. Das Meer wurde kräftig gerührt, und viele Dinge kamen an die Oberfläche, die zwischen den Devas und den Rakshasas geteilt werden konnten. Es waren vierzehn Dinge, die auftauchten, darunter auch der Nektar der Unsterblichkeit sowie das schrecklichste Gift. Natürlich wollten beide nur den Nektar, und keiner wollte mit dem Gift etwas zu tun haben. Schließlich erhielten nur die Devas den Nektar, denn hätten die teuflischen Rakshasas ihn bekommen, wären sie unsterblich geworden.
Es gab jedoch keinen Entsorgungsplatz für das Gift, weil es großen Schaden verursachte, wo immer es hingeworfen wurde. Das führte wiederum zu einem großen Dilemma, und schließlich nahm Vishnu das Gift und brachte es zu Shiva, um seinen Rat einzuholen. Shiva nahm das Gift mit einem einzigen Schluck in sich auf. Von dieser Zeit an ist einer der Namen von Shiva Nilakantha, der Blauhalsige, und oft wird er auch so dargestellt.
Diese Geschichte macht deutlich, dass mit einem erwachten Vishuddhi Chakra sogar Gift neutralisiert werden kann. Auf einer höheren Wahrnehmungsstufe, nämlich der von Vishuddhi, können selbst giftige und negative Aspekte des Lebens verarbeitet werden, sie verlieren ihre Kraft und können keinen Schaden mehr anrichten, weil die Einteilung in Gut und Schlecht nicht mehr existiert. Auf dieser Wahrnehmungsstufe werden die giftigen Aspekte und Erfahrungen des Lebens aufgenommen und in den Zustand der Glückseligkeit transformiert.
In diesem Chakra ist es möglich, nicht nur inneres, sondern auch äußeres Gift zu neutralisieren und damit unschädlich zu machen. Das ist eines der Siddhis, die mit Vishuddhi Chakra in Verbindung stehen, und viele Yogis besitzen diese Kraft. Sie tritt allerdings nur in Erscheinung, wenn das Halszentrum und außerdem Bindu Visarga im Gehirn, das mit dem Gehirn eng verbunden ist, erwacht sind.
Das Potenzial von Vishuddhi
Durch Vishuddhi wird es möglich, Gedankenschwingungen von anderen Menschen zu empfangen. Genau genommen geschieht das durch ein zu Vishuddhi gehörendes Unterzentrum, das ähnlich arbeitet wie ein Radio, das einen Sender empfängt. Der Yogi ist in der Lage, sich in Gedanken und Gefühle anderer Menschen einzustimmen, ob sie nun nah bei ihm sind oder weit entfernt.
Die Gedankenwellen anderer können an verschiedenen Körperstellen wahrgenommen werden, z. B. im Bereich von Manipura, aber das eigentliche Empfangszentrum für Gedankenwellen und für die Übermittlung ist Vishuddhi. Von Vishuddhi werden sie zu den Hirnzentren weitergeleitet, die mit den anderen Chakras in Verbindung stehen. Auf diese Weise gelangen die empfangenen Gedanken und Gefühle in die individuelle Wahrnehmung.
Mit dem Vishuddhi Chakra ist ein bestimmter Nerv assoziiert, bekannt als Kurma Nadi, das Schildkröten Nadi. Ist dieses Nadi erwacht, ist es dem Übenden möglich, den Wunsch und die Notwendigkeit nach Essen und Trinken völlig zu überwinden. Diese Fähigkeit ist schon von vielen Yogis demonstriert worden.
Vishuddhi ist die eigentliche und legendäre "Quelle der Jugend". Schafft es jemand, dass Kundalini Vishuddhi erreicht, so heißt es, dann erfreut er sich ewiger Jugend. Geschieht das jemandem, der Hatha Yoga, Kundalini Yoga oder Tantra praktiziert, tritt spontan eine körperliche Verjüngung ein. Es gibt einen Wendepunkt im Leben, normalerweise liegt er im 2. oder 3. Jahrzehnt; von hier an ist das Tempo der Degeneration schneller als das der Regeneration und der Alterungsprozess beginnt, Krankheit und Tod ereilen den Menschen.
Bei einigen Krankheiten, wie bestimmten Formen der Leukämie, entwickeln sich die degenerativen und zerstörenden Kräfte noch schneller. Die Verjüngung, die durch Vishuddhi auf das Gewebe, die Organe und die Körpersysteme wirkt, dominiert über den fortschreitenden Alterungsprozess, der für die meisten Menschen unabänderlich ist.
Die Fähigkeiten, die ein erwachtes Vishuddhi Chakra zum Vorschein bringt, sind volles Erfassen der Schriften sowie Erkennen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Alterungsprozess setzt nicht ein. Das Gehör wird äußerst sensibel, dies geschieht allerdings auf dem Wege des Geistes und nicht durch die Ohren. Man erlebt häufig Shunyata, die Leere und überwindet alle Furcht und jegliches Anhaften. Der Yogi ist nun erst in der Lage, frei in der Welt zu arbeiten, ohne an den Früchten seiner Handlung zu haften.
Quelle: aus dem Buch Kundalini Tantra von Swami Satyananda Saraswati
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/anahata-chakra2022-03-16T15:07:54+01:002022-03-16T15:10:37+01:00Anahata ChakraChristian KnipsEs gibt die weitverbreitete Auffassung, dass sich das menschliche Bewusstsein im augenblicklichen Zeitalter durch Anahata bewegt. Das bedeutet, dass das Anahata Chakra bei vielen Menschen aktiv wird. Allerdings besteht ein großer Unterschied zwischen Erwachen und Tätigwerden. Bei den meisten Menschen ist das Anahata Chakra noch nicht wirklich aktiv, vielmehr beginnt es gerade, ein wenig zu arbeiten. Muladhara ist dagegen äußerst aktiv und bei den meisten Menschen der augenblicklichen Zeit nahezu vollständig erwacht.
In Kundalini Yoga ist das Anahata Chakra (Herzchakra) von großer Bedeutung, denn hier wird sich Kundalini ziemlich lange aufhalten. Es wird zwar gesagt, dass das Erwachen von Manipura aufwärts konstant bleibt, aber es wird sicher einen längeren Aufenthalt in Anahata geben.
Es gibt die weitverbreitete Auffassung, dass sich das menschliche Bewusstsein im augenblicklichen Zeitalter durch Anahata bewegt. Das bedeutet, dass das Anahata Chakra bei vielen Menschen aktiv wird. Allerdings besteht ein großer Unterschied zwischen Erwachen und Tätigwerden. Bei den meisten Menschen ist das Anahata Chakra noch nicht wirklich aktiv, vielmehr beginnt es gerade, ein wenig zu arbeiten. Muladhara ist dagegen äußerst aktiv und bei den meisten Menschen der augenblicklichen Zeit nahezu vollständig erwacht.
Die wörtliche Bedeutung von Anahata ist im Sanskrit „unangeschlagen“. Das Anahata Chakra hat diesen Namen, weil es in enger Beziehung zum Herzen steht, das in einem ununterbrochenen Rhythmus pocht, schlägt und vibriert. In vielen der alten Schriften wird darüber gesprochen, dass es einen Klang gibt, der nicht empirischer, nicht materieller, sondern transzendenter Natur ist. Dieser Klang ist immerwährend, ebenso wie das Herz, das treu und ohne Unterbrechung von der Zeit vor der Geburt bis zum Tod schlägt.
Die Lokalisierung des Anahata Chakra
Anahata befindet sich im Inneren der Wirbelsäule in Höhe der Brust. Das Kshetram ist das Herz, und wenn Anahata auch als das Herzzentrum bezeichnet wird, ist damit nicht das biologische Herz gemeint. Obwohl es physiologisch gesehen dem Herzgeflecht zugeordnet werden kann, liegt dieses äußerst feinstoffliche Energiezentrum doch weit außerhalb dieser physiologischen Dimension. Wegen der Verbindung zum Herzen, wird das Anahata Chakra auch Herzchakra genannt.
In Yoga nennt man das Herzzentrum auch Hridayakasha, was auf den „Raum der Reinheit inmitten des Herzens“ verweist. Da dieses Chakra mit einem Bereich des Gehirns verbunden ist, der für alle schöpferischen Kunstformen wie Malerei, Tanz, Musik, Dichtkunst usw. zuständig ist, ist es sehr sensibel.
Die traditionelle Symbolik des Anahata Chakras
Obwohl die meisten der tantrischen Schriften dem Anahata Chakra das Scharlachrot der Bandhuka Blume zuordnen, ist es für mich persönlich blau. Der Lotos hat zwölf Blütenblätter, auf denen in zinnoberrot die nachfolgenden Silben geschrieben stehen:
kam, kham, gam, gham, ngam, cham, chham, jam, jham, nyam, tam, tham
Den inneren Bereich bildet ein Hexagon, als Symbol für das Luftelement, das Vayu Tattwa. Das Hexagon wird aus zwei ineinander verschlungenen Dreiecken gebildet und symbolisiert die Vereinigung von Shiva und Shakti. Das mit der Spitze nach unten gerichtete Dreieck ist Ausdruck der Kreativität, Shakti. Das nach oben gerichtete Dreieck ist Ausdruck für Bewusstsein, Shiva.
Das Tiersymbol in der Mitte des Hexagons ist eine schwarze Gazelle, der Eigenschaften wie Wachsamkeit und Leichtfüßigkeit zu eigen sind. Darüber steht dunkelgrau das Bija Mantrayam geschrieben. Im Bindu dieses Mantras finden wir die göttlichen Aspekte, Deva Isha, die alles durchdringende göttliche Form, leuchtend wie die Sonne und Devi Kakini als Wohltäterin aller. Ihre Farbe ist Gelb, sie hat drei Augen und vier Arme, sie ist gütig und hat eine heitere Ausstrahlung.
Im Mittelpunkt des Lotos ist ein nach unten gerichtetes Dreieck, in dem Akhanda Jyotir brennt, die unbewegliche, ewige Flamme, als Symbol für die individuelle Seele, Jivatma. In einigen der tantrischen Schriften wird gesagt, dass sich in dem Dreieck ein Shivalingam befindet. Es ist der gold schimmernde Bana Linga.
Unter dem eigentlichen Lotos von Anahata ist ein kleinerer Lotos mit roten Blütenblättern, und darin verborgen steht der Baum, der Wünsche erfüllt, Kalpa Taru. Viele Heilige empfehlen das Visualisieren des Kalpa Taru oder eines stillen Sees inmitten des Hexagons von Anahata. Auf dem See ist ein wunderschöner blauer Lotos. Vielleicht hast du dieses Symbol schon gesehen, denn es ist das Emblem von einigen Ashrams und spirituellen Missionen.
Anahata gehört zu Maha Loka, der ersten Ebene der Unsterblichkeit. Das Vayu von Anahata ist Prana, das sich durch Nase und Mund bewegt. Das Tanmatra ist das Fühlen oder Berühren. Das Jnanendriya ist die Haut und das Karmendriya sind die Hände. Anahata gehört zu Manomaya Kosha, der Hülle, die aus Gedanken und Gefühlen gewebt ist.
Vishnu Granthi, der zweite psychische Knoten, befindet sich in diesem Herzzentrum. Er ist Ausdruck der emotionalen Fesseln, der Tendenz, Entscheidungen gefühlsmäßig zu treffen, statt sich vom spirituellen Licht führen zu lassen. Vishnu Granthi wird dann entknotet, wenn sich die Wellen der Emotionen glätten und somit das spirituelle Erwachen nicht mehr blockiert, sondern gefördert wird.
Wer auf den Herzlotos meditiert, so heißt es, wird unter Yogis besonders geschätzt und verehrt. Er ist weise und voll nobler Taten. Die Sinne sind vollkommen unter seiner Kontrolle und es fällt ihm leicht, sich zu konzentrieren. Er spricht inspirierend und hat die Fähigkeit, einen anderen Körper willentlich zu betreten.
Schicksal und freier Wille
Die tantrischen Schriften beschreiben Anahata als das Chakra, in dem sich Gedanken und Wünsche materialisieren und in Erfüllung gehen. Es gibt zwei grundlegende Denkrichtungen, das von Abhängigkeit geprägte Denken und völlig freies, unabhängiges Denken. Bis zu Manipura Chakra trifft das erstere zu, aber in dem Moment, wenn Shakti das Anahata Chakra durchdringt, wird das Zweite vorrangig gegenüber dem Ersten.
Solange sich das Bewusstsein in den unteren Chakras befindet, wirst du ganz und gar davon abhängig sein, was durch dein Schicksal vorherbestimmt ist. Der Sanskritbegriff dafür ist Prarabdha Karma. Ein Erwachen / eine Aktivierung in den unteren Chakras wird das noch nicht wesentlich verändern. Wenn jedoch das Bewusstsein durch Manipura Chakra weiter nach oben steigt, kannst du schon einige der Lebenssituationen beherrschen, obwohl du noch immer von deinem Prarabdha Karma beeinflusst und daran gebunden bist. Du weißt, dass du dich darüber hinaus bewegen kannst, aber du weißt noch nicht wie.
Die unteren Chakras gehören der empirischen Welt von Körper, Bewusstsein und Sinnen an. Menschen, die ihr Schicksal als unabänderlich betrachten, haben Muladhara und Swadhisthana noch nicht überschritten. Manipura wird noch als erdgebunden betrachtet, obwohl es sich auf der Grenze zwischen Sterblichkeit und Unsterblichkeit befindet. Menschen, die durch Stärke und Willenskraft ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und es in eine positive Richtung lenken, was zu Erfolg und Selbstverwirklichung führt, befinden sich im Bereich von Manipura.
Anahata liegt nahezu gänzlich außerhalb dieser empirischen Dimensionen. Hier erkennt man, dass es so etwas wie Schicksal gibt, dass man aber trotzdem über diese Vorbestimmung hinausgehen kann. Stelle dir vor, du wirfst etwas in den Himmel.
Wenn du in der Lage bist, einen Gegenstand aus dem Feld der Schwerkraft hinauszuschleudern, kann es nicht mehr von den magnetischen Erdkräften angezogen werden. So wie ein Raumschiff mit ungeheurer Geschwindigkeit startet, um die Schwerkraft der Erde zu überwinden, so wird das Bewusstsein in Anahata bis zur Geschwindigkeit des freien Willens angetrieben, um sich aus dem Sog der latenten Samskaras herauszubewegen.
Erst nach Erreichen von Anahata Chakra wirst du ein Yogi sein. Bis dahin bist du ein Yogaschüler, ob du nun in Muladhara, Swadhisthana oder Manipura weilst. In Anahata wirst du zum Yogi, weil du im yogischen Bewusstsein gefestigt bist, also nur noch von der Kraft deines eigenen Bewusstseins abhängig bist und nicht mehr davon, was du vorher als ein von außen auf dich zukommendes Schicksal betrachtet hast.
Wunscherfüllung
In dem Moment, wenn das Anahata Chakra erwacht, hat man die Freiheit, sich von seinem vorherbestimmten Schicksal loszusagen. Laut Tantra befindet sich an der Wurzel von Anahata der Wunsch erfüllende Baum, Kalpa Taru oder Kalpa Vriksha. Wenn dieser Baum Früchte trägt, bewahrheitet sich alles, was man denkt oder wünscht.
Normalerweise haben wir unendlich viele Wünsche, doch sind sie meistens nichts anderes als Tagträume. Wenn sie sich alle erfüllen würden, müssten wir uns ernsthaft fragen, ob wir die Erfüllung unserer Wünsche wirklich wollen. Die meisten Menschen ziehen es vor, vom Schicksal abhängig zu sein, anstatt die Verantwortung für ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, und so sollen sie es auch haben. Es gibt eine schöne Geschichte, die gern erzählt wird, um das bildlich zu machen.
Ein Wanderer saß unter einem Baum. Er war sehr müde und hatte Durst. Er dachte an einen klaren Bach, und sofort hörte er Wasser neben sich plätschern. Nachdem er etwas Wasser getrunken hatte, wünschte er sich etwas zu essen, um seinen Hunger zu stillen. Auch das Essen stand sofort vor ihm. Nun fühlte er sich müde und dachte sich, dass er gerne schlafen würde. Plötzlich stand ein weiches Bett neben ihm. Er legte sich schlafen. Der unwissende Mann wusste nicht, dass er sich unter dem Wunsch erfüllenden Baum befand. Spät abends wachte er wieder auf, die Sonne war untergegangen und es war dunkel. Er sprang auf und ein Gedanke schoss ihm in den Sinn: „Mein Gott, es ist ja furchtbar dunkel, womöglich kommen Tiger und fressen mich!“ Und so geschah es.
So kann es jedem ergehen, der die Fähigkeit der Wunscherfüllung weckt, ohne sich richtig vorzubereiten. Wenn das Bewusstsein in Anahata erwacht, du dir aber der Kraft deiner Gedanken nicht bewusst bist, oder zu einer negativen, pessimistischen Einstellung neigst, dunkle Vorahnungen, Ängste und andere negative Gedankenabläufe in dir trägst, wirst du sofort ihre Beute werden.
Wenn das geschieht, läufst du Gefahr, von Anahata zurückzufallen. Und wenn du von Anahata herunterfällst, ist kaum eine Chance, noch einmal beginnen zu können. Um einen Absturz an diesem Punkt zu vermeiden, ist es angebracht, stets so wachsam wie eine Gazelle zu sein, die für jedes auch noch so feine Geräusch empfindsam ist. Deswegen ist die Gazelle das Tiersymbol von Anahata. Ihr ist nicht Ruhelosigkeit zu eigen, sondern Wachsamkeit.
Wenn alles, was du dir wünschst, eintritt, dann ist das zwar einerseits sehr erfreulich, doch wird es andererseits dringend notwendig, dass du ununterbrochen deine Einstellung dir und anderen gegenüber überprüfst. Vor zweifelnden Gedanken musst du dich hüten. Ich möchte Beispiele dafür geben: Du bemerkst schnelles Herzklopfen und denkst: „Vielleicht sind das die ersten Anzeichen von Angina Pectoris“. Du hast Schmerzen im Unterleib und denkst: „Mein Blinddarm muss raus oder vielleicht habe ich Gallenblasenentzündung.“
Solche Gedanken können viele Probleme aufwerfen und Störungen nach sich ziehen. Ebenfalls musst du dich davor hüten, an anderen Menschen zu zweifeln: „Vielleicht ist dieser Mensch mir feindlich gesinnt.“ „Mein Sohn ist krank, hoffentlich stirbt er nicht.“ „Mein Freund lässt nichts von sich hören, hoffentlich hatte er keinen Unfall.“ Es ist also notwendig, ernsthaft und wachsam alle mentalen Spielereien und Fantasien zu kontrollieren.
Alle möglichen Gedanken, die den Körper, die Kinder, die Frau, den Mann, die Familie, das Geld, die soziale, wirtschaftliche oder politische Lage betreffen, prasseln ständig auf uns ein. Solange Kundalini schläft, haben diese Gedanken keine Kraft, aber wenn sie in Anahata Chakra erwacht, werden all diese Gedanken plötzlich Realität. Wenn wir auf dieser Stufe nicht sehr wachsam sind, werden wir unsere eigene Hand in zerstörerischer Weise gegen uns selbst richten.
In der alten tantrischen Schrift Saundarya Lahiri wird diese Art Wunscherfüllung sehr treffend als Chintamani, der Wunsch erfüllende Edelstein, beschrieben. Chinta bezieht sich auf den Prozess des selektiven Denkens, und Mani bedeutet Edelstein. Chintamani bedeutet daher „Der Edelstein des korrekten und positiven Denkens“.
In dieser Schrift wird Anahata als Garten der Devas bezeichnet. In der Mitte des Gartens ist ein kleiner, göttlicher See, indem sich Chintamani befindet. Den Edelstein zu besitzen, ist nicht unbedingt notwendig. Solange du dir seiner Nähe sicher bist, reicht das aus, um jeden Gedanken wahr werden zu lassen.
Eine neue Art des Denkens entwickeln
Wenn Anahata aufblüht und erwacht, musst du dich in optimaler Gesellschaft − Sangha − aufhalten. Du solltest Menschen meiden, die von ihrem Schicksal abhängig sind und solche suchen, die sich auf ihr Vertrauen verlassen. Du musst unerschütterliches Vertrauen in die Kraft deines eigenen Willens haben. Auch, wenn alles gegen dich gerichtet ist, solltest du unbeirrbar bleiben, nur dann wirst du Erfolg haben.
Willenskraft entsteht nicht durch Suggestion. Wenn du krank bist und sagst dir hundertmal: „Ich bin gesund, ich bin gesund, ich bin gesund...“ wird das als Suggestion bezeichnet. Das ist nicht Willenskraft, denn sie vermag etwas ganz anderes. „Selbst, wenn mein Sohn an einer schweren Krankheit leidet und die Ärzte behaupten, dass er sterben wird, so weiß ich, dass er nicht sterben wird.“ Diese Art des Denkens musst du üben und dazu deinen Willen einsetzen.
Die erste Vorbereitung, um dich mit dem Erwecken von Anahata vertraut zu machen, ist eine Veränderung der ganzen Denkweise. Wenn du zu den Menschen gehörst, deren Gedanken und Wünsche entgegen aller anderslautenden Prognosen häufig wahr werden, dann ist es angebracht, gewisse Vorsicht mit der neuen Denkweise walten zu lassen.
Du musst extrem optimistisch und positiv in deiner Einstellung werden und immer voller Zuversicht sein. Niemals solltest du dich in Negativität fallen lassen. Körperlich, mental und spirituell musst du mit dir selbst, mit den Menschen um dich herum und der ganzen Gesellschaft in Frieden leben. Auch wenn die Welt voller Konflikte, Gegensätzlichkeiten und Feindseligkeiten ist, solltest du einen tiefen Frieden in dir selbst fühlen können.
Betrachte niemals irgendeine Situation im Leben als schlecht. Selbst, wenn dir ein Mörder, ein hoffnungsloser Spieler oder ein Wüstling über den Weg läuft, ist er für dich trotz allem ein guter Mensch. Jede Situation ist für dich gut und die Zukunft ist immer rosig. Diese Einstellung musst du in jeglicher Situation beibehalten. Es spielt keine Rolle, ob du von Armut, Leiden, Krankheit, Konflikten, Scheidung, emotionalen Krisen und Unstimmigkeiten umgeben oder selbst davon betroffen bist. Alles ist gut und du akzeptierst es.
Mit Entschlossenheit und Meditation stärkst du einen einzigen Gedanken in dir: „Die ganze Welt ist in mir“. Oder anders ausgedrückt: „Ich bin in jedem Wesen“. Wenn du diese universale Einstellung annehmen kannst, wird Kundalini aufleuchten und der Weg zum fünften Chakra, Vishuddhi, dem Zentrum der Unsterblichkeit, ist frei. Hier liegt die Bedeutung und Wichtigkeit von Anahata. Das beste Mantra für das Herzzentrum ist wahrscheinlich Om Shanti. Om ist die kosmische Schwingung des Universums und durchzieht die ganze Schöpfung, und Shanti bedeutet Frieden.
Liebe ohne Erwartungen
Das Anahata Chakra ist mit Gehirnbereichen verbunden, die feinere Emotionen auslösen können. Das Erwachen wird daher von einem Gefühl universaler, uneingeschränkter Liebe für alle Wesen begleitet. Es gibt natürlich viele gütige und wohltätige Menschen in der Welt, die aber nicht alle uneigennützig sind.
Ihre Wohltätigkeit ist nicht Ausdruck des Anahata Chakras und des spirituellen Mitgefühls, sondern menschliches Mitleid. Mit dieser Art Mitleid eröffnest du Krankenhäuser, verteilst Nahrung, Kleidung, Geld und Medizin, das ist allerdings menschliche Wohltätigkeit.
Worin liegt der Unterschied zwischen menschlicher und spiritueller Wohltätigkeit? Menschliche Wohltätigkeit enthält immer das Element der Selbstsucht. Wenn ich dich zum Hinduismus bekehren will und dir deshalb etwas schenke, dann ist das Ausdruck menschlicher Wohltätigkeit.
Wenn ich sehr freundlich zu dir bin, weil ich dich zu meinem Anhänger machen will, dann ist das menschliche Freundlichkeit. Wenn jedoch das Anahata Chakra erwacht, sind all deine Handlungen uneigennützig, und du entwickelst spirituelles Mitgefühl. Du begreifst, dass Liebe kein Handel ist, dass sie frei von Erwartung sein muss.
Jede Art von Liebe ist durch Selbstsucht verunreinigt, sogar die Liebe zu Gott, denn du erwartest etwas von ihm. Die Liebe, die in dieser Welt am wenigsten selbstsüchtig ist, ist wahrscheinlich die Mutterliebe. Natürlich ist auch sie nicht völlig frei davon, aber die Opferbereitschaft einer Mutter ist so groß, dass ihre Liebe relativ wenig Selbstsucht enthält.
Die mit dem Anahata Chakra assoziierten Eigenschaften können auf vielerlei Weise wachgerufen werden. Das Symbol des Anahata Chakras ist ein blauer Lotos, in dem zwei Dreiecke ineinander verschlungen sind. Das ist das Bild für das Öffnen des menschlichen Herzens. Musik, Kunst, Bildhauerei, Literatur und Dichtkunst, all das sind wichtige Hilfen, um das im Anahata Chakra ruhende Potenzial zu wecken. Wenn sich das Anahata Chakra öffnet, wird sich dein Verständnis für alle Wesen gravierend verändern. Es gibt eine schöne Geschichte dazu.
Auf einer traditionellen indischen Pilgerreise begeben sich die Sadhakas in den Norden zur Quelle des Ganges, schöpfen etwas Wasser und tragen es über den ganzen Kontinent zur Südspitze Indiens. Sie pilgern zu einem bestimmten Tempel und gießen das heilige Wasser über einen Shivalingam. Die Entfernung, die sie während dieser Pilgerreise überwinden, beträgt fast dreitausend Meilen.
Einmal hatte ein Heiliger seine Pilgerreise mit dem mit Gangeswasser gefüllten Behälter nahezu beendet. Als er den Innenraum des Tempels betrat, wo er den Shivalingam mit dem Wasser übergießen wollte, sah er einen Esel, der verzweifelt nach Wasser schrie.
Der Sadhaka öffnete sofort seinen Topf und gab dem Esel daraus zu trinken. Die anderen Pilger riefen entsetzt: „He, was machst du da? Du hast das Wasser den langen Weg hierher getragen, um es Shiva darzubringen, und nun gibst du es einem gewöhnlichen Tier!“ Aber der Heilige sah das nicht so, denn sein Bewusstsein arbeitete auf einer ganz anderen und viel höheren Frequenz.
Auch das, was von Buddha erzählt wird, ist Ausdruck einer hohen Bewusstseinsfrequenz. Buddha machte seinen Abendspaziergang und begegnete einem alten Mann. Die Leiden des Alterns berührten ihn zutiefst. Er sah einen Toten, und wiederum bewegte ihn das sehr.
Wie oft sehen wir alte, leidende Menschen? Sind wir davon so berührt, wie er es war? Sicher nicht, denn unser Bewusstsein ist anders. Das Erwachen eines Chakras verändert die Frequenz des Bewusstseins, und dadurch werden unsere alltäglichen Beziehungen zu Menschen und unserer Umgebung unmittelbar beeinflusst.
Liebe überwindet das Ego
Das Anahata Chakra kann durch Bhakti Yoga erweckt werden. Das ist ein Yoga Weg, der keinen Raum für Egoismus lässt. Du kannst dich Gott oder dem Guru hingeben, wobei es leichter ist, wenn du dich Gott hingibst, denn er rüttelt nicht an deinem Ego. Wenn er es aber tut, wirst du es nicht bemerken.
Wenn du dich dem Guru hingibst, wird er als Erstes dein Ego entlarven, und du wirst eine Menge Schwierigkeiten haben. Wenn du ihn nur gelegentlich triffst, werden die Probleme nicht so sichtbar sein, wenn du jedoch mit ihm lebst, sind sie sehr viel größer. Deshalb halten es viele Menschen für sicherer, einen Guru zu haben, der nicht mehr lebt.
Das Ego ist nicht nur ein Hindernis auf dem spirituellen Weg, es ist auch die größte Barriere zu einem harmonischen und angenehmen familiären und sozialen Leben. Um das Ego zu packen, gibt es zwei wichtige Wege. Der eine ist Karma Yoga und der andere Bhakti Yoga. Mit dem Verstand wirst du dein Ego niemals entfernen können. Es kann niemals besiegt oder eliminiert werden, solange du nicht die höchste Form der Liebe entwickelt hast. Genauso wie die Sonne keine Dunkelheit zulässt, so entfernt Liebe das Ego. Diese zwei können niemals nebeneinander existieren.
Um Anahata zu erwecken, sollten wir deshalb unbedingt Bhakti Yoga praktizieren. Wenn Kundalini in Anahata eintritt, ist die Hingabe so vollkommen, dass sich selbst ein überzeugter Atheist verändern wird. Das Öffnen des Anahata Chakras ist jedoch nicht nur der Weg zu Gott oder dem Guru, sondern auch zu Einigkeit und Harmonie im Familienleben. Ebendarum werden in Indien die meisten Hindufrauen schon in jungen Jahren in Bhakti Yoga eingeweiht.
Für Frauen ist es sehr viel leichter ist, das Anahata Chakra zu erwecken, deshalb wird im Alter von vier bis sechs Jahren die Liebe und Hingabe zu Shiva, Krishna, Rama, Vishnu, Lakshmi, Durga usw. in ihnen geweckt. Das ist auch der Grund, warum Frauen empfohlen wird, Anahata als Meditationszentrum zu benutzen, während Männern normalerweise das Ajna Chakra empfohlen wird. In Anahata wohnt sowohl die menschliche als auch die göttliche Liebe, und genau betrachtet entspringen diese beiden Formen der Liebe aus einer Quelle.
Die psychischen Eigenschaften des Anahata Chakras
Vor dem Erwachen des Anahata Chakras kann Schmerz in der Brust auftauchen, das Herz unregelmäßig schlagen oder der Puls schneller werden. Trotzdem fühlt man sich nicht krank, sondern eher gesund und aktiv, und man braucht wenig Schlaf. Man ist in der Lage, ein emotionales Gleichgewicht zu halten und hat die Fähigkeit, sowohl äußerlich als auch innerlich zu kommunizieren. Man hört vielleicht Stimmen oder Klänge, die aus einer anderen Welt kommen, und schwirrende, summende Geräusche oder der Klang einer Flöte wird wahrgenommen.
Der Sadhaka wird vielleicht ein inspirierter Poet, Künstler oder Sänger. Vielleicht wird er hellsichtig oder hellhörig oder psychokinetische Fähigkeiten stellen sich ein. Vielleicht ist er in der Lage, Menschen durch die große Liebe, die er ausstrahlt, zu gewinnen.
Jemand, der Anahata betreten hat, ist äußerst empfindsam für die Gefühle anderer und sein Berührungssinn ist stark ausgeprägt. Er hat auch die Fähigkeit, andere zu heilen, entweder durch Berührung oder, indem er seine eigene spirituelle Energie zu anderen Menschen lenkt, um heilende Veränderung zu bewirken. Viele Wunderheiler nehmen ihre Kraft aus dem Anahata Chakra.
Mit dem Erwachen von Anahata fühlt man sich von dem Anhaften an weltliche Dinge frei, ein nie endender Optimismus breitet sich aus und man erkennt, dass Gutes und Schlechtes nebeneinander existieren, dass es aber eine Welt außerhalb dieser Gegensätze gibt. Nachdem man sich selbst aus dem Anhaften befreit hat, fühlt man sich entspannt, frei und friedvoll. Mit dem Entdecken wahrer Freiheit verlieren die Freuden des dualistischen Lebens an Bedeutung.
Anahata Chakra Meditation von Swami Satyananda Saraswati:
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/manipura-chakra2022-03-16T10:35:12+01:002022-03-16T12:50:35+01:00Manipura ChakraChristian KnipsFür das Erwecken von Kundalini Shakti ist Manipura ein bedeutungsvolles Zentrum. Aus dieser Quelle schöpfen wir Dynamik, Energie und Willenskraft, dieser Quelle entspringt der Wunsch, etwas zu erreichen. Manipura kann mit der sengenden Hitze und der Kraft der Sonne verglichen werden, ohne die ein Leben auf Erden nicht möglich wäre. Genauso wie die Sonne unentwegt die Planeten erwärmt, so wird vom Manipura Chakra pranische Energie durch den ganzen Menschen geleitet und verteilt. Diese Energie steuert und stimuliert die Aktivität der verschiedenen Organe, Systeme und Lebensabläufe.
Das Wort Manipura setzt sich aus zwei Sanskritwörtern zusammen: mani – „Juwel“ – und pura – „Stadt“. Manipura bedeutet also: „Stadt der Juwelen“. In der tibetischen Tradition wird dieses Chakra Mani Padma genannt: „ein mit Edelsteinen besetzter Lotos“.
Für das Erwecken von Kundalini Shakti ist Manipura ein bedeutungsvolles Zentrum. Aus dieser Quelle schöpfen wir Dynamik, Energie und Willenskraft, dieser Quelle entspringt der Wunsch, etwas zu erreichen. Manipura kann mit der sengenden Hitze und der Kraft der Sonne verglichen werden, ohne die ein Leben auf Erden nicht möglich wäre. Genauso wie die Sonne unentwegt die Planeten erwärmt, so wird vom Manipura Chakra pranische Energie durch den ganzen Menschen geleitet und verteilt. Diese Energie steuert und stimuliert die Aktivität der verschiedenen Organe, Systeme und Lebensabläufe.
Zu schwache Energie erzeugt kein loderndes Feuer, sondern gleicht eher verlöschender Glut. Ist jemand in einem solchen Zustand, dann fehlt jegliche Vitalität und Energie. Eine labile Gesundheit wird ihn an allem hindern, er wird unter Depressionen und mangelnder Motivation leiden, und das Gefühl der Verantwortungsfreude wird ihm fehlen. Deswegen ist das Erwecken von Manipura vorrangig, nicht nur für den Sadhaka, sondern für jeden, der sich an seinem Leben erfreuen will.
Die Lokalisierung des Manipura Chakras
Manipura Chakra befindet sich an der Innenwand der Wirbelsäule, in Höhe des Bauchnabels, während sich das Kshetram im Nabel befindet. Daher wird dieses Chakra auch Nabelchakra genannt. Anatomisch hat dieses Chakra eine Verbindung mit dem Sonnengeflecht (Solarplexus), das den Stoffwechsel und die Körperwärme reguliert und entsprechend für die Verdauung verantwortlich ist.
Die traditionelle Symbolik und Bedeutung des Manipura Chakras
Manipura wird als Lotos mit zehn leuchtend gelben Blütenblättern symbolisiert. In manchen der tantrischen Schriften wird die Farbe des Lotos mit schwer herunterhängenden Regenwolken verglichen. Auf jedem der Blütenblätter steht einer von den zehn folgenden Buchstaben aus dem Sanskrit in der Farbe eines blauen Lotos (Bija Mantras):
pham, dam, dham‚ nam, tam, tham, dam, dham, nam, pam
Den Mittelpunkt des Lotos bildet ein loderndes Feuer, was durch ein feurig rotes, nach unten gerichtetes Dreieck dargestellt wird und wie die aufgehende Sonne leuchtet. An jeder der drei Seiten des Dreiecks befindet sich das Zeichen des Swastika, das auch Bhupura genannt wird und die Form eines T hat. Im unteren Teil sieht man einen Widder, das Tiersymbol für Manipura.
Der Widder ist Ausdruck für Dynamik und unermüdliche Ausdauer. Über dem Widder ist das Bija Mantra für Manipura, ram. Im Bindu residieren die göttlichen Aspekte Rudra und Lakini. Rudras Farbe ist ein reines Zinnoberrot, und er ist mit weißer Asche beschmiert. Er hat drei Augen und sieht uralt aus. Lakini als die Wohltäterin aller hat vier Arme, eine dunkle Hautfarbe und einen leuchtenden Körper. Sie trägt ein gelbes Gewand, ist mit verschiedenen Ornamenten geschmückt und schwelgt im Genuss von Nektar.
Das Tanmatra ist das Sehen. Das Jnanendriya als Organ des Wissens sind die Augen, und das Karmendriya als Organ der Handlung sind die Füße. Augen und Füße sind in gleicher Weise eng miteinander verbunden, wie das Sehen und die vorsätzliche Handlung voneinander abhängig sind.
Manipura gehört zu Swaha Loka, der göttlichen Seinsebene. Es ist die letzte Stufe der sterblichen Existenz. Das vorherrschende Guna ist Rajas (Aktivität, Intensität, Habgier), während in den unteren Chakras Tamas vorherrscht (Trägheit und Negativität). Das Tattwa ist Agni, das Feuerelement, das in Kundalini Yoga eine wichtige Rolle spielt. Das zu Manipura gehörende Vayu ist Samana. Samana Vayu steuert die Verdauung und verteilt die Essenz der Nahrung im ganzen Organismus. Manipura ist zusammen mit Swadhisthana Chakra der Sitz von Pranamaya Kosha.
In den Yoga Schriften steht geschrieben, dass dem Mond ein Nektar, der Nektar der Unsterblichkeit, innewohnt, der in Bindu seine Quelle hat. Von dort tropft er zu Manipura hinunter und wird von der Sonne verzehrt. Das Ergebnis ist eine ständig fortschreitende Degeneration, die zu Alter, Krankheit und Tod führt. Dieser Prozess lässt sich jedoch im menschlichen Körper umlenken, indem die pranischen Kräfte durch bestimmte yogische Übungen von Manipura zum Gehirn hinauf geleitet werden. Wer diese Techniken nicht beherrscht, wird Vitalität schnell vergeuden und sich in weltlichen Angelegenheiten verlieren.
Die Meditation auf Manipura Chakra führt zu tiefem Verständnis des gesamten physischen Körpers. Ist dieses Zentrum gereinigt und erwacht, wird der Körper leuchtend und frei von Krankheit, und das Bewusstsein des Yogis fällt nicht mehr in die unteren Ebenen zurück.
Das Zentrum des Erwachens
In der buddhistischen Tradition und auch in vielen tantrischen Schriften heißt es, dass Kundalini in Manipura erwacht und nicht in Muladhara. Einige tantrische Traditionen erwähnen Muladhara und Swadhisthana nicht einmal, weil diese beiden Zentren den höheren Bereichen des animalischen Lebens zugeordnet werden, während von Manipura aufwärts die höheren menschlichen Möglichkeiten zum Vorschein kommen.
Muladhara ist demnach der Sitz von Kundalini, Swadhisthana ihre Wohnstatt und Manipura der Ort ihres Erwachens. Das bezieht sich anscheinend darauf, dass der Erweckungsprozess von Manipura aus nicht mehr durch eine Regression des Bewusstseins gebremst werden kann. Bis zu diesem Punkt kann Kundalini viele Male erwachen und ein wenig aufsteigen, um sich dann jedoch wieder zurückzuziehen. Mit dem Erwachen in Manipura ist ein solcher Rückfall nicht mehr möglich.
Das Bewusstsein in Manipura zu festigen und das Erwachen aufrechtzuerhalten, ist nicht einfach. Der Sadhaka muss ernsthaft sein und sich um weiteres Erwachen bemühen. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass sich Kundalini bei ernsthaft Suchenden meistens schon in Manipura aufhält.
Wenn du vom spirituellen Leben angezogen bist, Yoga praktizierst und den drängenden Wunsch verspürst, einen Guru zu finden und ein Leben mit höheren Idealen zu leben, gleichzeitig aber auch dein gewohntes Leben nicht missen möchtest, bedeutet das, dass sich Kundalini nicht mehr in Muladhara befindet, sondern bereits in Manipura oder in einem der höheren Zentren.
Zusammenlenken von Prana und Apana
Die tantrische und yogische Lehre enthält einen wichtigen Zweig, der Swara Yoga genannt wird und das ist die Wissenschaft vom Atem. Auch in Swara Yoga ist es das Ziel, Kundalini zu erwecken. Diesem System gemäß wird Prana als alles durchdringende Lebensenergie so aufgeteilt, dass verschiedene Bereiche des Körpers von ganz bestimmten Energieformen gesteuert werden. Es sind die fünf Vayus mit den Namen Prana, Apana, Vyana, Udana und Samana. Eine wichtige Verbindungsstelle der beiden Vitalkräfte Prana und Apana befindet sich im Bereich des Nabels.
Prana bewegt sich zwischen Nabel und Hals auf- und abwärts, Apana fließt zwischen dem Perineum und dem Nabel auf und ab. Diese beiden Energieströme sind normalerweise wie zwei Waggons eines Zuges aneinander gekoppelt. Mit dem Einatmen wird es so empfunden, als wenn sich beide Ströme gleichzeitig aufwärts bewegen, Prana vom Nabel zum Hals und Apana von Muladhara zum Nabel.
Mit dem Ausatmen ist es, als wenn sich beide Ströme abwärts bewegen, Prana vom Hals zum Nabel und Apana von Manipura zu Muladhara. Sie verändern ihre Richtung mit dem Ein- und Ausatmen. Auf diese Weise sind Prana und Apana eng aneinander gekoppelt, ohne sich vereinigen zu können.
Diese Bewegung lässt sich gut nachvollziehen, wenn der Atem auf den psychischen Wegen in völlig entspanntem Zustand wahrgenommen wird. Die Wege befinden sich an der Vorderseite des Körpers zwischen den Zentren im Perineum, im Nabel und im Hals. Indem durch bestimmte Kriyas die bewusste Steuerung möglich wird, kann Apana von Prana losgelöst werden. Während Apana sich normalerweise von Manipura abwärts bewegt, wird der Fluss nun umgedreht, sodass Prana und Apana zueinander fließen und im Nabelzentrum zusammentreffen. Durch diese Vereinigung kann das Manipura Chakra erweckt werden.
Es heißt, dass Kundalini in Muladhara erwacht und sich wie eine zischende Schlange spiralförmig nach oben bewegt. Wenn sich der Prana Strom und der umgeleitete Apana Strom im Nabelzentrum treffen, kann Kundalini in Manipura mit voller Wucht erwachen. Zwei große Kräfte kollidieren miteinander und vereinigen sich dann an dieser pranischen Verbindungsstelle, dem Manipura Kshetram.
Durch ihre Vereinigung erzeugen sie Hitze und Energie, die vom Nabel (Solar Plexus) zum Manipura Chakra im Rückenmark geleitet wird. Es ist genau diese Kraft, die Manipura Chakra erweckt. Die Kraft dieses Sadhanas verursacht eine völlige Umorientierung des pranischen Stroms im Körper, sodass Muladhara überschritten werden kann und die neue Basis für Kundalini das Manipura Chakra wird.
Um das Manipura Chakra zu aktivieren und zu öffnen werden die Reinigungsübungen aus dem Hatha Yoga, verschiedene Asanas, Pranayama, Mudras und Meditation empfohlen. Weitere Informationen gibt es in den Büchern des Ananda Verlags.
Die Perspektive von Manipura
Die menschliche Evolution ist ein Durchschreiten von sieben Ebenen, in der gleichen Weise, wie Kundalini in sieben Chakras erwacht. Wenn sich das Bewusstsein von Manipura weiter entwickelt, wird der Sadhaka eine spirituelle Perspektive gewinnen. Er erhascht einen flüchtigen Blick auf die höheren Ebenen des Seins, die Lokas.
Von Muladhara und Swadhisthana aus ist der Blick auf die höheren Ebenen verstellt. Wegen der begrenzten Wahrnehmung auf diesen unteren Ebenen werden die psychischen Kräfte, die Siddhis, die dort in Erscheinung treten, missbraucht. Erst, wenn der Sadhaka Manipura erreicht, ist er in der Lage, die vor ihm liegende Unendlichkeit des Bewusstseins zu erkennen, das nun nicht mehr länger grobstofflich und empirisch ist.
Es dehnt sich unendlich vor ihm aus, vielversprechend, voller Schönheit und Wahrheit. Alle seine Vorstellungen werden sich mit diesem größeren Überblick völlig verändern. Die persönlichen Vorurteile, Komplexe und Abneigungen fallen in dem Moment ab, wenn die unendliche Schönheit und Vollkommenheit der höheren Welten im Bewusstsein auftauchen.
Solange der Evolutionsprozess auf den Ebenen von Muladhara und Swadhisthana im Gange ist, drehen sich die Gedanken um eigene mentale und emotionale Probleme, und dementsprechend wird die äußere Welt betrachtet. Sobald aber diese Ebenen überschritten sind und Manipura erreicht ist, werden noble Meinungen, geniale Ideen und ein größeres Potenzial des menschlichen Bewusstseins sichtbar. Natürlich wird dann alles, was ein solcher Mensch denkt und tut, von dieser höheren Einsicht geprägt.
Diese Veränderung tritt deshalb ein, weil der Sadhaka nach dem Erwachen von Kundalini in Manipura psychische Kräfte wie Wohlwollen und Mitgefühl erlangt, während die Kräfte, die sich in Muladhara und Swadhisthana zum Ausdruck bringen, noch von den dunklen Aspekten des niederen Geistes geprägt sind.
Die Fähigkeiten, die mit dem Erwachen in Manipura Chakra einhergehen, sind folgende: Kraft, zu erschaffen und zu zerstören, Selbstverteidigung, Veränderung der bis dahin gültigen Wertvorstellung, Furchtlosigkeit gegenüber Feuer, Verständnis für den eigenen Körper, Freisein von Krankheit und die Fähigkeit, die Energie zu Sahasrara zu lenken.
Quelle: aus dem Buch Kundalini Tantra von Swami Satyananda Saraswati
Swami Satyananda: Video mit geführter Meditation zum Manipura Chakra.
Das Sanskritwort swa bedeutet „das Eigene“ und adhisthana bedeutet „Wohnsitz“ oder „Residenz“. Swadhisthana ist die Wohnstatt des Selbst. Obwohl Muladhara einen besonders wichtigen Platz im Schema der Chakras einnimmt, ist Swadhisthana, das sehr dicht bei Muladhara liegt, für das Erwachen von Kundalini Shakti in Muladhara mitverantwortlich. Es heißt, früher habe sich Kundalini in Swadhisthana aufgehalten, sei aber später zu Muladhara gesunken und ruhe nun dort als Mahakundalini.
Die Lokalisierung von Swadhisthana Chakra
Swadhisthana korrespondiert mit den Sexual- und Ausscheidungsorganen und beeinflusst auf physiologischer Ebene das Nervengeflecht der Prostata, beziehungsweise der Gebärmutter und der Vagina. Aus diesem Grund wird es auch Sakralchakra oder Sexualchakra genannt.) Der Sitz von Swadhisthana befindet sich am Ende der Wirbelsäule, dort, wo sich Steiß- und Kreuzbein verbinden. Hier ist ein kleiner knöcherner Vorsprung, der kurz oberhalb des Anus fühlbar ist. Sowohl im männlichen als auch im weiblichen Körper liegt es anatomisch betrachtet nahe bei Muladhara. Swadhisthana Kshetram befindet sich an der Vorderseite des Körpers in Höhe des Schambeins.
Die traditionelle Symbolik und Bedeutung des Swadhisthana Chakras
Da Swadhisthana (das Sakralchakra) als Wohnstatt der primären Unwissenheit gilt, kann es sein, dass bei Visualisierung die Farbe Schwarz auftaucht. Im traditionellen Sinne wird dieses Chakra jedoch als Lotos mit sechs zinnoberfarbenen oder ziegelroten Blütenblättern dargestellt. Auf jedem Blütenblatt steht ein Buchstabe eines Bija Mantras, der in der Farbe des Lichts geschrieben ist: bam, bham, mam, yam, ram, lam.
Das Element dieses Chakras ist das Wasser. Es wird durch eine weiße Mondsichel im Innern des Lotos symbolisiert. Der Halbmond bildet sich durch zwei entsprechend angeordnete Kreise, wodurch zwei weitere Yantras entstehen. Um den größeren Kreis zeigen sich Blütenblätter, die sich nach außen öffnen. Sie sind Ausdruck für die bewusste Seinsebene. Im Innern des Mondes ist ein kleinerer Kreis mit ebenso vielen Blütenblättern, die nach innen gerichtet sind. Dieses Symbol drückt die unbewusste Ebene aus, hier sammelt sich das formlose Karma.
Diese zwei Yantras sind durch ein weißes Krokodil im Innern des Mondes voneinander getrennt. Das Krokodil ist Symbol des animalischen Aspektes, es trägt die ganze Bürde des unbewussten Lebens und bringt die unterschwelligen karmischen Bewegungen zum Ausdruck. Über dem Krokodil steht in makelloser, weißer Farbe das Bija Mantra vam geschrieben.
Im Bindu des Mantras zeigen sich als Symbol des göttlichen Aspektes Deva Vishnu und Devi Rakini. Vishnu hat vier Arme, und über seinem leuchtend blauen Körper trägt er ein gelbes Gewand. Er ist wunderschön anzusehen. Rakini hat die Farbe des blauen Lotos, sie trägt ein himmlisches Gewand und ist mit Ornamenten geschmückt. In ihren erhobenen Händen trägt sie verschiedene Waffen.
Der himmlische Nektar, den sie trinkt, versetzt sie in erhabene Stimmung. Swadhisthana ist der Pflanzenwelt sehr nahe, und Rakini ist die Königin des Pflanzenreichs. Deshalb wird vegetarische Ernährung empfohlen, wenn man dieses Chakra erwecken will.
Swadhisthana gehört zu Bhurvar Loka, der mittleren Ebene der spirituellen Wahrnehmung. Das Tanmatra, das mit diesem Chakra in Verbindung steht, ist der Geschmack. Das Wahrnehmungsorgan (Jnanendriya) ist die Zunge. Organe der Handlung (Karmendriya) sind die Geschlechtsorgane und die Blase. Das mit Swadhisthana assoziierte entscheidende Vayu ist Vyana. Manipura und Swadhisthana gehören zu Pranamaya Kosha.
Es heißt, dass eine auf Swadhisthana und Kundalini gerichtete Meditation augenblicklich von inneren Feinden befreit, z.B. Lust, Ärger, Gier usw. Nektargleiche Worte fließen in Prosa und Versen und wohldurchdachter Rede. Man wird der Sonne gleich und kann damit die Dunkelheit der Ignoranz entfernen.
Swadhisthana Chakra – Stätte des Unbewussten
Swadhisthana gilt als Grundlage der individuellen menschlichen Existenz. Seine Entsprechung im Gehirn ist das Unbewusste mit der Ansammlung von mentalen Eindrücken, den Samskaras. Mit Swadhisthana werden alle Karmas, alle vergangenen Inkarnationen, alle einmal gemachten Erfahrungen, sowie die größere Dimension der menschlichen Persönlichkeit, die noch im Unbewussten ruht, gleichgesetzt. Das individuelle Sein hat seine Wurzeln im Unbewussten, und die vielen Triebe, die in diesem Chakra wahrgenommen werden, brodeln aus der Tiefe des Unbewussten hervor.
Laut Tantra ruht im Swadhisthana Chakra zum einen das gesamte Potenzial animalischer Instinkte, zum anderen aber auch der Bezwinger des Tieres. In Sanskrit bedeutet Pashu„Tier“ und Pati„Meister“. Pashupati ist der „Bezwinger animalischer Triebe“. Pashupati ist einer der vielen Namen Shivas und gleichzeitig eines der Attribute von Swadhisthana Chakra. Der Mythologie nach deutet Pashupati auf das völlig Unbewusste. Von Swadhisthana aus wird das Muladhara Chakra mit den animalischen Tendenzen, die während der ersten Zeit der menschlichen Entwicklung vorherrschen, beeinflusst.
Dieses vollkommen Unbewusste in Swadhisthana sollte man sich auf keinen Fall als inaktiv vorstellen. Im Gegenteil, was hier im Unbewussten ruht, ist sehr viel dynamischer und mächtiger als der normale Wachzustand. Wenn Shakti Swadhisthana erreicht, wird dieser unbewusste Zustand hautnah erfahren. Es ist anders als in Muladhara, denn hier hat sich das Unbewusste schon irgendwie geformt.
Im Muladhara Chakra drückt sich das Karma der niederen Evolutionsstufe ganz deutlich aus, z.B. in Form von Ärger, Gier, Eifersucht, Leidenschaft, Liebe, Hass, Abscheu. Diese Bewusstseinsebene erlaubt es, dass wir die Karmas austragen, indem wir sie nach außen in Erscheinung treten lassen. Auf der Ebene von Swadhisthana gibt es dagegen keinerlei bewusste Aktivität oder Manifestation, denn es ist der göttliche Schoß, Hiranyagarbha, in dem alles in einem potenziellen Zustand existiert. In der Rig Veda heißt es:
„Zu Beginn der Schöpfung war Hiranyagarbha, danach kamen all die lebenden Geschöpfe, alles was existiert, und Er war der Beschützer von allem.“
Im kollektiven Unbewussten sind die Karmas und Samskaras als Samen enthalten. Wenn du zum Beispiel gestern eine angenehme oder schmerzvolle Erfahrung gemacht hast, ist diese Erfahrung heute schon zu einer unbewussten Erfahrung geworden, zu einer Kraft, die deine bewusste Wahrnehmung heute beeinflusst und färbt. In gleicher Weise gibt es viele in der Vergangenheit gemachte Erfahrungen, die wir nicht bewusst abrufen können, die aber dennoch entscheidend dazu beitragen, wie wir uns verhalten, reagieren, und welche Einstellung wir haben. Von diesen Karmas gibt es unzählige. Sie prägen uns, aber wir kennen sie nicht.
Laut Tantra und Yoga wird jede einzelne Wahrnehmung, jede Erfahrung und Assoziation aufgezeichnet. Wenn du einen Streit oder eine unliebsame Auseinandersetzung hattest, ist die Einprägung sehr stark. Das Speichern oder Aufzeichnen findet aber auch dann statt, wenn du jemanden im Vorübergehen kurz anschaust und weitergehst.
Unzählige Eindrücke betreten das Wahrnehmungsfeld, und jeder einzelne Eindruck, ob bewusst oder unbewusst, wird automatisch gespeichert. Sie werden nicht hinterfragt, sondern werden nur in den verschiedenen Ordnern des Geistes abgeheftet. Alle diese Karmas, die scheinbar unbedeutend und ohne bleibenden Eindruck sind, aber automatisch in unserem Bewusstsein gespeichert werden, bilden das totale Unbewusste.
In Kundalini Yoga wird Swadhisthana als schwer überwindbares Hindernis betrachtet, weil die Karmas, die im Unbewussten eingebettet sind, das Aufsteigen von Kundalini nicht zulassen. Wegen der karmischen Ansammlung in Swadhisthana fällt Kundalini, selbst wenn sie kurz erwacht, immer wieder in ihren schlafenden Zustand zurück. Diese Karmas sind einer Analyse nicht zugänglich, denn sie haben keinerlei Form.
Doch gerade deshalb haben sie eine ungeheure Kraft. Stelle dir einen großen Wassertank vor, in den du verschiedene Dinge wirfst. Wenn du diesen Behälter nach einigen Jahren ausleerst, wirst du die Dinge nicht wieder erkennen. Es wird zwar noch alles da sein, aber nicht in der gleichen Form, wie du es hineingeworfen hast. Das kollektive Karma der unbewussten Existenz lagert in Swadhisthana genauso wie dieses Undefinierbare in dem Tank.
Beim Erwachen von Swadhisthana muss der Yogi mit vielen Problemen rechnen. Wenn hier etwas aufgewühlt wird und in Bewegung gerät, wenn diese unbewusste Materie aktiviert wird, sind viele Aspiranten äußerst beunruhigt und verwirrt. Es ist völlig unmöglich, diese Eindrücke mit dem Verstand begreifen zu wollen. Sie sind so ungewöhnlich, dass sie tatsächlich eher auf einen gestörten Geisteszustand schließen lassen.
Obwohl der Sadhaka wahrscheinlich nicht gerade freudig darauf wartet, diese Stufe des Erwachens zu betreten, ist sie doch für seine spirituelle Evolution absolut notwendig. Nur mit einem Guru, der weiß, wie Katastrophen während dieser Zeit verhindert werden können, kann Swadhisthana sicher und ohne Probleme durchquert werden.
Swadhisthana und das Fegefeuer
Während Kundalini sich in Swadhisthana Chakra aufhält, wird jedes auch noch so kleine Karmastäubchen aufgewirbelt, sodass sich alle negativen Samskaras in Form bringen müssen und nun offen daliegen. In dieser Zeit bist du vielleicht ärgerlich, ängstlich oder mit sexuellen Fantasien und Leidenschaften erfüllt. Du wirst vielleicht auch Lethargie, Trägheit, Depression und alle charakteristischen Merkmale von Tamas erfahren. Die Tendenz des Hinauszögerns ist sehr stark und du möchtest am liebsten immer nur schlafen.
Diese Stufe wird als die Hölle bezeichnet. In vielen Biografien großer Heiliger kannst du darüber nachlesen, wie sie schlimmen Versuchungen ausgesetzt waren und sich in großer innerer Unruhe befanden, während sie diese Stufe passierten.
Während Buddha unter dem Bodhi-Baum saß und auf seine Erleuchtung wartete, wurde er von Mara besucht. Mara ist die mythologische Dämonenkraft, dieselbe Kraft, die in der Bibel Satan zugeschrieben wird. Satan hat die Rolle des Verführers, und Mara die der Verführerin. Diese Kraft bedrängt uns nicht von außen, sondern ruht innen, in jedem von uns. Sie verbirgt sich in den Tiefen unserer Persönlichkeit und weckt unsere Illusionen.
Mara hat in der buddhistischen Tradition viele Gesichter, sie ist Schlange oder ein grotesk aussehendes Wesen mit großen Zähnen und einem schrecklichen Gesicht, und auch eine schöne, nackte Frau, die es darauf abgesehen hat, den Aspiranten während seines Sadhanas zu verführen. Dies sind zweifellos mythologische Symbole, aber trotzdem sind es Realitäten.
Nur diejenigen, die ohne Furcht sind und einen starken Willen haben, können diesen Versuchungen widerstehen. Jeder überragende Mensch und jeder Heilige musste durch diese seltsame Erfahrung hindurch, durch das letzte, gewaltige Aufbrechen des Samens, in dem alle Lebenserfahrungen enthalten sind. Es scheint, als liege der Same für den ewigen Zyklus von Geburt und Tod in Swadhisthana.
Obwohl die meisten Menschen mit diesen unüberwindlich scheinenden Schwierigkeiten konfrontiert werden, wenn sie sich durch das Terrain von Swadhisthana bewegen, ist es unter den nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen doch möglich, sie zu überwinden. Der Aspirant braucht die Gnade eines Gurus und einen unbeugsamen Willen. Sein spirituelles Streben muss er ernsthaft verfolgen und darf darin nicht heuchlerisch sein. Er braucht ein klares Ziel vor Augen und muss bereit sein, den Fegefeuer Erlebnissen gefasst entgegenzusehen.
Wenn jemand auch nur ein klein wenig unschlüssig ist oder zaudert, wird Kundalini zu Muladhara zurückkehren, was bedeutet, dass es danach noch schwieriger sein wird, sie zu erwecken. Daher sollte man schon zu Beginn des Sadhanas und während der Erweckung von Swadhisthana die Fähigkeit in sich entwickeln, frei von Leidenschaften zu sein, Vairagya und dieser Übung besondere Beachtung schenken.
Hier geht es nicht um eine Distanz auf intellektueller Ebene, sondern die ganz persönliche Lebenssituation wird einer gründlichen Analyse unterzogen. Wann hörst du auf, den weltlichen Vergnügungen nachzujagen? Kannst du jemals alle deine Wünsche befriedigen? Selbst, wenn du 80 oder 90 Jahre alt wirst, und dein Körper die Freuden des Lebens gar nicht mehr genießen kann, werden deine Fantasien doch ständig um sie kreisen. Du kannst alle Sinnesfreuden hinter dir lassen, aber der Geschmack oder die Erinnerung werden dich nicht loslassen.
Erkennt der Sadhaka, dass sich Wünsche weder in einem noch in tausend Leben erfüllen lassen, dann wird Kundalini relativ schnell und sicher Swadhisthana passieren und ihren Weg zu Manipura Chakra finden. Fehlt aber diese Erkenntnis, dann wird Swadhisthana zu einem undurchdringbaren eisernen Vorhang, den vielleicht nur einer unter tausend durchbrechen kann. Viele Menschen erreichen Swadhisthana zügig, aber die Grenze von Swadhisthana zu passieren, ist eine andere Sache, und ohne Visum wird es niemals zu schaffen sein.
Die sexuelle Krise
Ich erinnere mich daran, ein Buch eines sehr bekannten Swamis gelesen zu haben, der seine Schwierigkeiten hatte, Swadhisthana zu passieren. Er schrieb:
„Ich saß die ganze Nacht und nichts außer Sex und sinnlichen Gedanken kamen mir in den Sinn. Ich träumte von vielen nackten Frauen, und mein Körper ging durch Wechselbäder von heiß und kalt. Schließlich bekam ich Kopfschmerzen und glaubte, mein Herz würde aussetzen.“
Während der ganzen Krise erschien immer wieder für einen kurzen Moment das Gesicht meines Gurus. Sein Gesicht war streng und ausdruckslos, und das brachte meinen Körper wieder zu normaler Temperatur zurück. Diese Konfrontation mit einer ungeheuer mächtigen Seite meines Geistes, der ich ausgeliefert war, dauerte bis zum Morgen. Als es schließlich dämmerte, atmete ich erleichtert auf. Doch die Abendmeditation begann ich mit sehr gemischten Gefühlen, ich hatte Angst und gleichzeitig Vertrauen.
Nächtelang war ich diesen Kräften meines eigenen Geistes ausgesetzt. Eines Nachts erschien mir Parvati. Sie ist Shakti und Gefährtin von Shiva, sie ist die göttliche Mutter. Ich wusste zwar genau, dass es Parvati war, doch sie sah so wunderschön aus und trug ein durchsichtiges Gewand, sodass ich ihre wahre Natur vergaß und sie mit allen Sinnen begehrte. Obwohl ich hätte wissen müssen, dass sie die göttliche Mutter ist, hatte ich doch nur Augen für die Formen unter dem Gewand.
Wie ein Blitz erschien das Gesicht meines Gurus und brachte mich wieder zu Sinnen. Ich betete: „Mutter, zeig mir nicht dieses Trugbild – Maya – es ist zu viel für mich. Du hast die Kraft, sowohl zu befreien als auch, Illusionen zu erschaffen. Du kannst mich in den Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt zurückstoßen, hast aber auch die Macht, mich aus dem Morast der Unwissenheit emporzuheben.“
Während ich betete, rollten Tränen über mein Gesicht, und ich fühlte meinen Körper von einer kühlen Brise berührt. Das ganze Panorama verschwand, und ich begriff, dass Kundalini Swadhisthana passiert hatte und sich nun Manipura näherte.
Umwandlung der Urenergie mit Yoga
Hat der Aspirant keinerlei sexuelle Wünsche und Begierden mehr, und fühlt sich nicht mehr von irgendjemandem besonders angezogen, bedeutet das, dass Kundalini Swadhisthana passiert hat. Um jedoch mit dem ganzen Thema Sex ehrlich umzugehen, musst du es durch und durch analysieren. Auch, wenn dir im Moment keine sexuellen Wünsche bewusst sind, heißt das noch lange nicht, dass die Begierden wirklich überwunden sind. Es ist gut möglich, dass sie nur verdrängt sind. Der Mensch ist derart veranlagt, dass unbewusst ein Unterdrückungsprozess einsetzt und sich diese Unterdrückungen tief im Unbewussten verwurzeln.
Die indischen Rishis weisen darauf hin, dass sexuelle Fantasien und Wünsche auf jeder Evolutionsstufe auftauchen. Während man sich in Swadhisthana befindet und von endlosen Fantasien überrollt wird, sind sie wirklich heftig und wollen sich auch deutlich zum Ausdruck bringen. Die sexuelle Wahrnehmung hört niemals auf, denn sie wird durch die Urenergie angefacht, die immer anwesend ist.
Sex ist nur eine Ausdrucksform dieser Urenergie und sie kann sich demnach auf jeder Stufe manifestieren. Man sollte nicht glauben, dass dieser Bereich jemals aus dem Leben ausgeklammert werden könnte. Selbst, wenn man im höchsten Bewusstsein weilt, ist man davon umgeben. Der große Unterschied liegt darin, dass in Swadhisthana alles in Aufruhr ist, während Sex in den höheren Zentren in Form eines Samens existiert. Wenn wir genau hinschauen, können wir erkennen, dass sich sexuelle Energie, wenn sie gereinigt ist, in Hingabe, Bhakti, die Vereinigung mit dem Höchsten wandelt.
Die ewig gleiche Energie hat auf verschiedenen Stufen unterschiedliche Namen. Auf der höchsten Ebene heißt sie spirituelle Energie. Auf der emotionalen Ebene heißt sie Liebe. Auf der physischen Ebene heißt sie Sex. Auf der untersten Ebene heißt sie Avidya oder Ignoranz. Wenn du über Sex sprichst, solltest du dir darüber bewusst sein, dass du nur über eine bestimmte Ausdrucksform dieser Energie sprichst. Genauso wie Quark, Butter und Käse verschiedene Formen von Milch sind, so hat Energie verschiedene Formen.
Materie ist Energie, wenn auch äußerst grobstofflich, verdichtet. Das bedeutet, dass Energie und Materie austauschbar sind. Ein Gedanke ist ein Objekt, und ein Objekt ist ein Gedanke. Der Körper ist Bewusstsein, und aus Bewusstsein ist der Körper entstanden. Dessen sind wir uns wahrscheinlich inzwischen bewusst, doch nun müssen wir auch eine neue Definition für die sexuelle Wahrnehmung finden und sie überdenken.
Die Rishis sagen, dass dieselbe Energie, die durch Leidenschaften zum Fließen gebracht wird, sich als Hingabe zum Ausdruck bringen kann, wenn sie anders gelenkt wird. Lenke die gleiche Energie jetzt noch einmal in eine andere Richtung, dann wird sie sich als spirituelle Erfahrung zum Ausdruck bringen. Das ist der Grund, warum spirituelle Aspiranten Gott in verschiedenen Formen lieben, z.B. als Vater, Mutter, Kind, Freund, Ehemann oder Liebhaber. Auf diese Weise können sie ihre emotionale Energie umwandeln und die Urenergie in eine göttliche Erfahrung transformieren.
Unterstützend wirken in dieser Phase Yoga Übungen wie Asanas, Pranayama und Meditation. Eine gute Wirkung haben auch die Reinigungstechniken des Hatha Yoga, welche z.B. die Nadis reinigen.
Die psychischen Eigenschaften von Swadhisthana
Auf einer höheren Ebene fungiert Swadhisthana als eine Art Schalter für Bindu, der Quelle des Urklangs. Jede Form des Erwachens wird gleichzeitig zu Bindu geleitet und wird hier in Form eines Klangkörpers erfahren, was ein wichtiges psychisches Merkmal für dieses Chakra ist.
Den tantrischen Schriften zufolge werden mit dem Erwecken von Swadhisthana viele andere Erfahrungen auf psychischer Ebene einhergehen. So verschwindet z.B. die Angst vor Wasser, intuitives Wissen dämmert, astrale Wesen können erkannt werden, und man ist in der Lage, alles, was man sich selbst oder was sich ein anderer wünscht, real zu schmecken.
Es muss daran erinnert werden, dass das Bewusstsein auf der Ebene von Swadhisthana (Sakral-Chakra) noch nicht gereinigt ist. Aufgrund der auf dieser Stufe noch herrschenden Ignoranz und Verwirrung sind die neu erwachten psychischen Kräfte auch von böswilligen mentalen Attributen durchzogen. Wenn der Aspirant versucht, diese psychischen Errungenschaften nach außen hin zum Ausdruck zu bringen, passiert es häufig, dass die persönlichen und niederen Tendenzen eher sichtbar werden, als die göttlichen.
Es soll hier noch einmal zusammengefasst werden. Das Erwecken von Kundalini ist keine schwierige Angelegenheit, wohingegen es äußerst schwierig ist, sie über Swadhisthana hinaus zu bewegen. Um dieses Hindernis zu überwinden, musst du deinem psycho-emotionalen Leben von Grund auf eine andere Richtung geben. Hast du Swadhisthana einmal überwunden, wirst du durch diese explosiven Traumata nicht mehr hindurch gehen müssen, dafür warten dann andere Schwierigkeiten.
Es ist nicht anzunehmen, dass Kundalini sich noch einmal zurückbewegt, weil es ihre Bestimmung ist, aufzusteigen. Auf dem weiteren Weg werden es dann die Siddhis oder die übernatürlichen Kräfte sein, die es zu bändigen gilt und die Probleme mit sich bringen.
Quelle: aus dem Buch Kundalini Tantra von Swami Satyananda Saraswati
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/ajna-chakra2022-03-15T11:09:49+01:002022-03-15T11:35:12+01:00Ajna ChakraChristian KnipsAjna bedeutet im Sanskrit: "Wissen, Gehorchen, Befolgen". Wörtlich bedeutet Ajna "Befehl" oder "das Zentrum der Überwachung". In der Astrologie gehört Ajna zu Jupiter, und Jupiter ist das Symbol für Guru oder Grundsatz. In der hinduistischen Götterwelt steht Jupiter für Brihaspati, den Guru der Devas und Götter. Angesichts dessen ist dieses Zentrum auch als "Guru Chakra" bekannt.
Unsere Betrachtung der psychischen Zentren beginnt mit dem Ajna Chakra. Gemäß der Tradition wird Muladhara normalerweise zum ersten Chakra erklärt, weil es als Sitz von Kundalini Shakti betrachtet wird. Es gibt jedoch ein anderes System, nach dem der gesamte Entwicklungsverlauf der Chakras im Ajna Chakra beginnt.
Im Ajna Chakra fließen die drei wichtigsten Nadis zusammen, die Energieströme Ida, Pingala und Sushumna. Sie vereinen sich dort zu einem Bewusstseinsstrom und dieser fließt zu Sahasrara, dem Zentrum in der Krone des Kopfes. In der Mythologie stehen diese drei Nadis mit drei großen Flüssen in Verbindung, Ganges (Ida), Jamuna (Pingala) und dem unterirdischen Fluss Saraswati (Sushumna).
Sie fließen in Prayag oder Triveni, in der Nähe von Allahabad, zusammen. Alle zwölf Jahre, wenn die Sonne im Zeichen des Wassermanns steht, führt ein Bad an diesem Zusammenfluss zu vollkommener Reinheit. Dieser Mythos ist für die Hindus noch heute lebendig. Das symbolische Gegenstück für diese drei zusammenfließenden Ströme finden wir im Ajna Chakra.
Die Konzentration auf die Verbindungsstelle der drei wichtigsten Nadis zu richten bringt mit sich, dass das individuelle Bewusstsein durch die Vereinigung der drei Kräfte überschritten werden kann. Das individuelle Bewusstsein lebt hauptsächlich vom Ego, und aufgrund des Egos existiert Dualität. Solange die Dualität und damit das ichbezogene Denken in uns vorhanden ist, kann Samadhi nicht erfahren werden. Solange du dir deiner selbst bewusst bist, kannst du nicht über dein kleines Ich hinauswachsen.
Obwohl es in den anderen Chakras auch transzendent-ähnliche Erfahrungen gibt, ist es doch unmöglich, das individuelle Selbst mit dem kosmischen Selbst zusammenfließen zu lassen. Bei allen Erfahrungen, die du machst, wirst du immer versuchen, sie mit dir in Zusammenhang zu bringen. Wenn sich jedoch Ida, Pingala und Sushumna vereinigen, verlierst du dich vollkommen.
Ich meine damit nicht, dass du unbewusst wirst. Deine Wahrnehmung dehnt sich aus und wird völlig homogen. Die individuelle Bewusstheit bindet dich nicht mehr und du überschreitest das Reich der Gegensätze. Deshalb ist Ajna Chakra ein bedeutungsvolles Chakra, das in deinen Erfahrungsbereich kommen muss, wenn der Geist gereinigt werden soll. Erst nach einem Prozess der Reinigung kann die Erweckung der anderen Chakras erfolgen.
Mit dem Erwecken der anderen Chakras geht ein gewichtiges Problem einher. Jedes einzelne Chakra enthält ein ganzes Lager von Karmas und Samskaras, gute wie schlechte, positive wie negative, schmerzhafte wie angenehme. Das Erwecken eines jeden Chakras wird mit Sicherheit diese Karmas an die Oberfläche bringen, und dem ist natürlich nicht jeder gewachsen.
Nur ein Mensch, der versteht, was in ihm vorgeht, wird damit umgehen können. Deshalb wird immer wieder betont, dass es gut ist, den Geist zuerst da zu reinigen, wo der Zusammenfluss stattfindet, nämlich im Ajna Chakra. Dann erst solltest du damit beginnen, die große Kraft zu entfachen, und sie in Erscheinung treten zu lassen. Mit einem gereinigten Geist kannst du die anderen Chakras erwecken. Das ist der Grund, warum unsere Darlegung mit Ajna Chakra beginnt.
Ajna Chakra – Das Befehlszentrum
Ajna bedeutet im Sanskrit: "Wissen, Gehorchen, Befolgen". Wörtlich bedeutet Ajna "Befehl" oder "das Zentrum der Überwachung". In der Astrologie gehört Ajna zu Jupiter, und Jupiter ist das Symbol für Guru oder Grundsatz. In der hinduistischen Götterwelt steht Jupiter für Brihaspati, den Guru der Devas und Götter. Angesichts dessen ist dieses Zentrum auch als "Guru Chakra" bekannt.
Ajna ist die Brücke, die den Guru mit seinem Jünger verbindet. Es stellt die Ebene dar, von der aus zwei Menschen in direkte Kommunikation treten können. Durch dieses Chakra wird eine Kommunikation mit dem äußeren Guru möglich. Ebenfalls kann hier die Führung des inneren Gurus im Zustand tiefster Meditation wahrgenommen werden. Es ist ein Zustand, in dem alle Sinnesmodalitäten zurückgezogen sind und der Zustand der Leere oder Shunya betreten werden kann.
Dies ist ein Zustand des absoluten Nichts. Empirische Eindrücke von Name und Form, Subjekt und Objekt können nicht eindringen. In diesem absolut statischen Zustand erlischt das Licht des Ichbewusstseins, es arbeitet nicht mehr, und es verbleibt keine Wahrnehmung des Egos. Dieser Zustand der Leere ist mit der Erfahrung des Todes vergleichbar. Will man diesen Zustand sicher durchqueren, dann ist es notwendig, die Stimme oder den Befehl des Gurus im Ajna Chakra hören zu können.
Du wirst dich diesem Problem noch nicht stellen müssen, solange du am Anfang deines spirituellen Lebens stehst. Kommt jedoch der Moment, dann wirst erkennen, wie schwierig es ist, dich dem zu stellen. Im Augenblick sind deine Probleme nur mentaler Natur, wie Zerstreutheit, Sorgen, Ängste, Ruhelosigkeit usw. Wenn die Nacht aber dunkel ist, und du dich in tiefer Meditation befindest, deine individuelle Wahrnehmung verloren hast, dann ist es nur das im Ajna Chakra gehörte Wort, die Anweisung oder der Befehl deines Gurus, was dich führen kann.
Ajna ist auch als "das Auge der Intuition" bekannt. Durch diese Tür betritt das Individuum die astrale und psychische Dimension des Bewusstseins. Der vielleicht bekannteste Name für das Stirn-Chakra ist "das dritte Auge", "drittes Auge". In der Mythologie aller Zeiten und Kulturen gibt es viele Hinweise darauf. Es wird als psychisches Auge dargestellt, das sich zwischen den beiden physischen Augen befindet, das jedoch nicht nach außen, sondern nach innen gerichtet ist.
In Indien wird das Ajna Chakra auch Divya Chakshu (das göttliche Auge), Jnana Chakshu oder Jnana Netra (das Auge des Wissens) genannt, weil der spirituelle Aspirant auf diesem Weg die Enthüllung und Schau der allem zugrunde liegenden Natur des Seins erfährt. Weiterhin ist es als das Auge von Shiva bekannt, denn Shiva ist der Inbegriff der Meditation. Die Meditation wiederum ist mit dem Erwecken oder Aktivieren des Ajna Chakras assoziiert.
Das Ajna Chakra ist interessanterweise bei Männern nicht so aktiv wie bei Frauen. Das mag daran liegen, dass Frauen einfühlsamer und empfänglicher sind und offener gegenüber psychischen Vorgängen. Oft haben sie die Fähigkeit, kommende Ereignisse vorauszusehen.
Bei den meisten Menschen ist dieses innere Auge jedoch geschlossen. Obwohl Ereignisse, die äußere Erscheinungen betreffen, vorhergesehen werden können, ist das nicht mit dem Erfassen der absoluten Wahrheit vergleichbar. Wir sind den wahren, in der Welt ruhenden Möglichkeiten gegenüber blind und können die tieferen Ebenen der menschlichen Existenz nicht sehen.
Die Lokalisierung von Ajna Chakra
Das Ajna Chakra befindet sich im Gehirn, genau hinter dem Mittelpunkt der beiden Augenbrauen, und zwar am oberen Ende der Wirbelsäule, an der Medulla Oblongata. Anfangs ist es äußerst schwierig, die genaue Stelle von Ajna zu lokalisieren, und deshalb wird das Ajna Kshetram als Konzentrationspunkt bevorzugt. Es ist das Augenbrauenzentrum, Bhrumadhya. Diese beiden Zentren stehen in direkter Verbindung. In Indien gibt es daher den Brauch, Tilaka, Chandan, Sindur oder Kumkum an dieser Stelle aufzutragen.
Sindur enthält Blei, und wenn es auf die Stirn zwischen den beiden Augenbrauen aufgetragen wird, dann erfolgt ein konstanter Druck auf den Nerv, der Bhrumadhya mit der Medulla oblongata verbindet. Vielleicht ist die eigentliche Bedeutung, warum diese Substanzen aufgetragen werden, den meisten Menschen nicht mehr bekannt. Auf jeden Fall ist es kein religiöses Zeichen und auch kein Schönheitspunkt. Es dient dazu, das Ajna Chakra ständig wahrzunehmen, ob bewusst oder unbewusst.
Um das Bild zu vervollständigen, sollten wir wissen, dass das Ajna Chakra und die Zirbeldrüse in enger Beziehung zueinander stehen. Das Gleiche trifft auf die Hypophyse und Sahasrara zu. Aber auch die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) und die Zirbeldrüse (Epiphyse) stehen in enger Verbindung miteinander, und das gilt somit auch für die Chakras Ajna und Sahasrara. Bildlich ausgedrückt ist Ajna das Tor zu Sahasrara. Erst, wenn Ajna erwacht ist und richtig arbeitet, können alle in Sahasrara stattfindenden Ereignisse gut verkraftet werden.
Die Zirbeldrüse wirkt wie eine Bremse auf die Hypophyse. Solange die Zirbeldrüse gesund und aktiv ist, sind alle Funktionen der Hypophyse unter Kontrolle. Bei den meisten von uns jedoch begann die Zirbeldrüse im Alter von acht, neun oder zehn Jahren zu degenerieren. Danach erst konnte die Hypophyse verschiedene Hormone ausschütten, was unsere Sexualität, unsere Sinnlichkeit und die weltliche Persönlichkeit wachgerufen hat. In dieser Zeit haben wir die Berührung zu unserem spirituellen Erbe verloren. Yoga Techniken wie Trataka und Shambhavi Mudra ermöglichen uns, die Zirbeldrüse zu regenerieren, beziehungsweise gesund zu erhalten.
Die traditionelle Symbolik von Ajna Chakra
Das Symbol für Ajna Chakra ist ein Lotos mit zwei Blütenblättern. Den Schriften zufolge ist seine Farbe blass, hellgrau wie ein Regentag. Manche sagen auch, dass er weiß ist wie der Mond, oder auch silbrig, also nicht genau definierbar. Im linken Blütenblatt steht die Silbe ham und im rechten ksham.
Diese beiden Silben sind in silbrigweißer Farbe eingraviert und sind die Bija Mantras für Shiva und Shakti. Sie symbolisieren den Mond oder das Ida Nadi und die Sonne oder das Pingala Nadi. In diesem Chakra fließen drei der wichtigsten Nadis zusammen, Ida von links, Pingala von rechts und Sushumna in der Mitte.
In der Mitte des Lotos ist ein vollkommen runder Kreis, der Shunya, die Leere, symbolisiert. In der Mitte des Kreises ist ein mit der Spitze nach unten gerichtetes Dreieck. Es ist Ausdruck für Kreativität und Manifestation und damit das Symbol für Shakti. Über dem Dreieck ist ein schwarzer Shivalingam. Dies ist kein phallisches Symbol, wie viele Menschen glauben, sondern das Symbol für den Astralkörper.
In Yoga, Tantra und den okkulten Wissenschaften wird der Astralkörper als ein Aspekt der Persönlichkeit betrachtet. Der Shivalingam wird in drei verschiedenen Chakras dargestellt, wobei die unterschiedlichen Farben der jeweiligen evolutionären Bewusstseinsstufe entsprechen.
Im Muladhara Chakra ist der Lingam rauchfarben und schwer zu beschreiben. Er ist als Dhumra Lingam bekannt und drückt symbolisch den Bewusstseinszustand aus, in dem wir uns befinden, so lange unser Leben von den Instinkten regiert wird, und wir noch keine wirkliche Vorstellung davon haben, wer wir sind. Das Ajna Chakra hat einen schwarzen Lingam mit einem sehr prägnanten Umriss.
Er wird als Itarakhya Lingam bezeichnet. Hier im Ajna Chakra ist die Erkenntnis, wer und was ich bin, genauer definierbar, und von hier bringen sich verschiedene Fähigkeiten zum Ausdruck. In Sahasrara ist das Bewusstsein erleuchtet, und deshalb wird dieser Lingam als leuchtend beschrieben. Es ist der Jyotir Lingam.
Jemand, dessen Geist noch nicht sehr weit entwickelt ist, und der sich auf das Ajna Chakra konzentriert, wird den Shivalingam in Form einer Rauchsäule erleben. Das Bild wird kommen und wieder verschwinden, zurückkommen und sich wieder auflösen. In tieferer Konzentration verschwindet die Ruhelosigkeit und der Lingam wird schwarz. Durch die Konzentration auf den schwarzen Shivalingam wird der Jyotir Lingam im erleuchteten astralen Bewusstsein auftauchen. Deshalb ist der schwarze Lingam von Ajna Chakra der Schlüssel zu einer größeren spirituellen Dimension des Lebens.
Über dem Shivalingam befindet sich das traditionelle Symbol von Om mit den drei Bögen. Über dem vierten nach oben geschwungenen Bogen liegt der zunehmende Mond und Bindu. Om ist das Bija Mantra für das Ajna Chakra. Bewegt man sich über die Form hinaus, erahnt man das Klangbewusstsein, Raif. Paramshiva ist die Gottheit des Ajna Chakras, sein Glanz ähnelt dem einer Lichterkette. Die zu ihm gehörende Göttin Hakini ist klaren Geistes, ihre sechs Gesichter schimmern wie ebenso viele Monde.
Es heißt, dass jedes Chakra ein Tanmatra (spezifische Sinnesart) ein Jnanendriya (Organ der Sinneswahrnehmung) und ein Karmendriya (Organ der Handlung) besitzt. Für das Ajna Chakra ist der Geist das Tanmatra, das Jnanendriya und auch das Karmendriya. Der Geist ist in der Lage, mithilfe von sehr viel feineren Sensoren Wissen aufzunehmen, als es durch die Informationseingabe der verschiedenen Sinnesorgane, die zu den Jnanendriyas der anderen Chakras gehören, passiert.
Wenn Ajna Chakra erwacht, kommt ein sechster Sinn ins Spiel, der intuitive Sinn, mit dem jegliches Wissen auf direktem Wege aufgenommen werden kann. Das Jnanendriya von Ajna Chakra ist also der Geist. Ebenso kann sich der Geist ohne die Hilfe des physischen Körpers aktiv zum Ausdruck bringen. Das ist die Fähigkeit einer astralen Projektion, auch sie macht sich bemerkbar, wenn das Ajna Chakra erwacht. Deshalb ist auch das Karmendriya von Ajna der Geist.
Der Einsatzmodus dieses Zentrums ist rein mentaler Natur, und deshalb ist das Tanmatra ebenfalls der Geist. Die Seinsebene ist Tapa Loka, wo auch die letzten Spuren der Unvollkommenheit gereinigt und die Karmas verbrannt werden. Zusammen mit dem Vishuddhi Chakra bildet das Ajna Chakra die Basis für Vijnanamaya Kosha, die Ebene, von der aus die spirituelle Entwicklung eingeleitet wird.
Die Erfahrungen, die mit dem Erwachen des Ajna Chakras einhergehen, sind oft denen ähnlich, die Drogen wie Ganja (Marihuana) auslösen. Wer auf dieses erwachte Chakra meditiert, sieht brennende Lampen, so hell wie die Morgensonne und schwelgt in der Region des Feuers, der Sonne und des Mondes. Er kann willentlich den Körper eines anderen betreten, wird allwissend und allsehend und ragt unter den Munis besonders hervor. Er wird ein Wohltäter für alle und ist bewandert in allen Shastras. Er erkennt seine Einheit mit Brahman und erlangt Siddhis.
Die verschiedenen Ergebnisse, die durch Meditation auf die einzelnen Zentren erlangt werden, können durch Meditation auf Ajna als Gesamtheit erfasst werden.
Ajna und der Geist
Ajna ist genau genommen das Chakra des Geistes und repräsentiert eine höhere Ebene der Bewusstheit. Immer, wenn du dich auf etwas konzentrierst. sei es Muladhara, Swadhisthana oder Manipura, irgendein Objekt oder eine Vorstellung, immer wird Ajna davon berührt, manchmal milde, manchmal kräftig, es hängt vom Grad der Konzentration ab.
Wenn wir etwas bildlich sehen oder nachts träumen, dann ist diese innere Schau durch Ajna möglich. Wenn du etwas unbewusst tust, wie essen, reden oder schlafen, ist das Ajna Chakra nicht aktiv. Bist du dir jedoch beim Sprechen bewusst, dann ist dieses Wissen, diese Bewusstheit, eine Fähigkeit von Ajna.
Öffnet sich Ajna, kannst du etwas aus der eigenen Tiefe erfassen, völlig losgelöst von den Sinnesorganen. Normalerweise erlangen wir alles Wissen mithilfe der Informationen, die die Sinnesorgane zum Gehirn leiten, z.B. den Vorgang der Differenzierung oder das Einsetzen von Verstand und Logik, was sich alles im Vorderhirn abspielt. In einem kleineren Teil des Zwischenhirns, in dem sich das Ajna Chakra befindet, liegt die Möglichkeit, ohne Hilfe der Sinne, der Indriyas aus einer anderen Quelle zu wissen.
Ich möchte das mit einem Beispiel erklären. Es ist ein bewölkter Tag, und du denkst dir, dass es regnen wird. Das sagt dir deine Logik. Wenn aber keine Wolken am Himmel sind und du dir trotzdem absolut sicher bist, dass es regnen wird, dann bedeutet das, dass deine Intuition erwacht und die Wahrnehmung sehr präzise ist. Es bedeutet, dass das Ajna Chakra in Funktion ist.
Wenn Ajna erwacht ist, verschwindet alle Wankelmütigkeit und Buddhi manifestiert sich. Buddhi ist eine höhere Form der Intelligenz, eine höhere Wahrnehmung. Das Festhalten an Menschen, Dingen und Ideen, was nur aus Unwissenheit entstehen kann, sowie Mangel an Unterscheidungskraft ist plötzlich verschwunden. Sankalpa Shakti oder die Willenskraft wird sehr stark. Gefasste Vorsätze tragen augenblicklich Früchte. Voraussetzung ist allerdings, dass sie im Einklang mit dem individuellen Dharma stehen.
Ajna ist das Zentrum der Beobachtung; von hier aus können alle Ereignisse, auch solche, die Körper und Geist betreffen, mit Abstand betrachtet werden. Hier entwickelt sich eine größere Dimension der Achtsamkeit, von hier aus lässt sich die verborgene Essenz, die allen sichtbaren Erscheinungsformen zugrunde liegt "sehen". Mit dem Erwachen von Ajna wird die Bedeutung von Symbolen blitzartig erkannt, das intuitive Wissen steigt mühelos auf und man wird zum "Seher".
Es ist das Zentrum für außergewöhnliche Wahrnehmung, wodurch sich verschiedenartige, den Samskaras und den mentalen Tendenzen entsprechende Siddhis entwickeln. Deswegen sagt man, dass Ajna Chakra einem Knoten gleicht, der sich am oberen Ende der Wirbelsäule befindet.
Laut Tantra wird dieser Knoten Rudra Granthi genannt, der Knoten von Shiva. Er drückt symbolisch das aus, was mit dem Erwachen des Ajna Chakras einhergeht. Der Aspirant verstrickt sich in seine neu entwickelten Siddhis. Dieser Knoten verhindert die spirituelle Evolution tatsächlich so lange, bis das Festhalten an psychischen Phänomenen überwunden ist. Dann erst kann sich der Knoten im Bewusstsein lösen.
Begreifen von Ursache und Wirkung
Solange Ajna Chakra noch nicht erwacht ist, leben wir in einem Wahn. Wir sehen die Dinge nicht real und machen uns viele falsche Vorstellungen von Liebe und Hass, Eifersucht, Tragödien und Lustspielen, Sieg und Niederlage und vielem mehr und können nicht loslassen. Unsere Ängste sind unbegründet, ebenso unsere Eifersucht und das Anhaften, trotzdem ist alles da. Unser Geist arbeitet nur in einer begrenzten Ecke, aus der wir nicht herauskommen.
Ebenso, wie wir nachts träumen und unsere Traumerfahrungen relativ sind, so träumen wir auch im Wachzustand, und auch diese Erfahrungen sind relativ. Mit dem Erwachen von Ajna Chakra geht ein allgemeines Wachwerden einher, wir erkennen, dass wir bis jetzt nur einen Traum gelebt haben. Ab diesem Moment ist es erst möglich, die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung ganz zu begreifen.
Das Gesetz von Ursache und Wirkung müssen wir unbedingt im Kontext unseres eigenen Lebens sehen, sonst sind wir mit bestimmten Ereignissen unzufrieden und über den Verlauf enttäuscht. Angenommen, du bekommst ein Kind, und es stirbt kurz nach der Geburt. Warum musste das sein? Jeder würde sich das fragen. Wenn ein Kind sofort nach der Geburt sterben muss, warum wurde es dann überhaupt geboren? Erst, wenn dir das Gesetz von Ursache und Wirkung klar ist, wirst du eine Antwort darauf finden.
Ursache und Wirkung sind keine dicht beieinander liegenden Ereignisse. Jede einzelne Handlung ist gleichzeitig Ursache und auch Wirkung. Unser augenblickliches Leben ist eine Wirkung, was aber war die Ursache? Das musst du herausfinden, dann wirst du die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung verstehen. Erst, nachdem das Ajna Chakra erwacht ist, kann dieses Gesetz erkannt werden.
Danach wird sich deine ganze Lebenseinstellung verändern. Kein Ereignis wird dich negativ beeinflussen, und die verschiedenen Dinge und Erfahrungen, die in dein Leben hineinkommen und dich wieder verlassen, bringen dich nicht mehr durcheinander. Du begibst dich in alle Lebenssituationen hinein, lebst sie voll, bleibst jedoch unbeteiligter Zuschauer. Das Leben fließt wie ein schneller Fluss, dem du dich anheimgibst und mit dem du dich bewegst.
Von Ajna zu Sahasrara
Um Ajna Chakra zu erreichen, sind Sadhana, Disziplin, fester Glaube und ständiges Bemühen notwendig und es muss ein Sadhana eingehalten werden. Mit unserem augenblicklichen Geisteszustand können wir nicht wissen, wie wir Sahasrara erreichen können. Wenn jedoch das Ajna Chakra aktiv wird, entwickelst du eine höhere Wahrnehmung und erkennst, wie du auch zu Sahasrara Chakra gelangen kannst.
Es ist vergleichbar mit einer Reise, die du von Munger nach Marine Drive, Bombay, beginnst. Die wichtigste Stufe der Reise ist die lange Zugfahrt nach Bombay. Wenn du dort bist, wird es kein Problem mehr sein, nach Marine Drive zu gelangen, weil es einfach ist, denn du brauchst nur ein Taxi zu nehmen. Ich glaube deshalb, dass wir uns keine Gedanken darüber machen müssen, wie wir Sahasrara von Ajna aus erreichen können. Wir sollten jedoch wissen, wie wir Ajna erwecken können.
Quelle: Auszug aus Kundalini Tantra von Swami Satyananda Saraswati
Ajna Chakra Meditation von Swami Satyananda Saraswati:
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/kundalini2022-03-13T14:16:33+01:002022-03-14T13:58:24+01:00KundaliniChristian KnipsJeder sollte etwas über Kundalini wissen, denn sie stellt das zukünftige Bewusstsein der Menschheit dar. Es ist der Name einer schlummernden, potenziellen Energie im menschlichen Organismus, die ihren Sitz an der Basis der Wirbelsäule hat.
Jeder sollte etwas über Kundalini wissen, denn sie stellt das zukünftige Bewusstsein der Menschheit dar. Es ist der Name einer schlummernden, potenziellen Energie im menschlichen Organismus, die ihren Sitz an der Basis der Wirbelsäule hat.
Im männlichen Körper befindet sie sich im Perineum zwischen Genitalien und After und im weiblichen Körper am unteren Teil der Gebärmutter, am Muttermund. Man nennt dieses Zentrum, das tatsächlich ein physisches Gebilde ist, das Muladhara Chakra. Es ist eine kleine Drüse. Da Kundalini aber eine schlafende Energieform ist, wird sie noch lange nicht wie eine Bombe explodieren, wenn auf physischer Ebene eine Berührung stattfindet.
Wann erwacht die Kundalini?
Um Kundalini zu erwecken, musst du dich durch yogische Techniken vorbereiten. Dazu zählen Asanas, Pranayama, Kriya Yoga, Meditation und die Reinigungstechniken des Hatha Yoga. Erst, wenn der Yogi in der Lage ist, Prana zu dem Sitz von Kundalini zu lenken, löst sich die Energie und gelangt durch Sushumna Nadi im Rückenmark zum Gehirn. Während Kundalini aufsteigt, durchläuft sie jedes Chakra; jedes von ihnen ist mit verschiedenen schlafenden Bereichen im Gehirn verbunden. Das Erwachen von Kundalini wird von einer explosionsartigen Erschütterung im Gehirn begleitet und dadurch beginnen die schlafenden Bereiche wie Blumen aufzublühen.
Da wir uns jedoch alle auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen befinden, ist es möglich, dass Kundalini bei einigen Menschen bereits Swadhisthana, Manipura oder Anahata Chakra erreicht hat, obwohl es heißt, ihr Sitz sei im Muladhara Chakra. In so einem Fall kann ein Erwachen und Aufstieg in Anahata oder einem anderen Chakra beginnen, und das ist dann nicht auf ein bestimmtes Sadhana zurückzuführen. Das Erwachen von Kundalini im Muladhara Chakra, oder in einem der anderen Chakras, ist allerdings etwas völlig anderes, als die Erweckung des Sahasrara Chakras, dem höchsten Zentrum im Gehirn.
Öffnet sich der tausendblättrige Lotos in Sahasrara, tritt ein neues Bewusstsein ein. Unser augenblickliches Bewusstsein arbeitet nicht unabhängig, denn der Verstand lebt von den Informationen, die durch die Sinnesorgane gegeben werden. Ohne Augen kannst du niemals sehen, und wenn du taub bist, kannst du nicht hören. Erwacht jedoch das höhere Bewusstsein, dann wird es möglich, Erfahrungen zu machen, die von den Sinnen ganz und gar unabhängig sind. Das ist inneres Wissen.
Wie Kundalini entdeckt wurde
Seit Beginn der Menschheit gab es Menschen, die transzendente Erscheinungen beobachteten. So bemerkten sie z. B., dass Menschen unterschiedliche Fähigkeiten hatten. Einige konnten die Gedanken anderer lesen, andere konnten in die Zukunft sehen, wieder andere erlebten, wie sich Träume verwirklichten.
Sie sannen darüber nach, warum einige Menschen inspirierende Gedichte schreiben oder wunderschöne Musik komponieren können, während andere nicht dazu in der Lage sind. Einer kann vielleicht tagelang auf dem Schlachtfeld kämpfen, während der andere nicht einmal aus dem Bett kommt. Immer wieder tauchte also die Frage auf, warum die Menschen so unterschiedlich sind.
Sie erkannten, dass in jedem Individuum eine bestimmte Energieform existiert, die bei einigen Menschen ruht, bei anderen weiter entwickelt und bei sehr wenigen Menschen schon vollkommen erwacht ist. Ursprünglich erhielt diese Energie den Namen von Göttern, Göttinnen oder Engeln. Nachdem jedoch Prana als reale Kraft erkannt wurde, nannte man sie Prana Shakti. In Tantra und Yoga heißt sie Kundalini.
Die Bedeutung der verschiedenen Namen für Kundalini
Kundal bedeutet in Sanskrit „zusammenrollen“; Kundalini bedeutet daher „die Zusammengerollte“. Das ist die geläufige Auslegung, die aber nicht ganz richtig interpretiert ist. Das Wort Kundalini entsteht aus dem Sanskritwort Kunda, „Vertiefung, Grube, Aushöhlung“. Während einer Einweihungszeremonie wird das Feuer in einem Kunda entzündet. Auch die Verbrennung eines toten Körpers findet in einem Kunda statt.
Gräbst du ein Loch oder einen Graben, so ist das ein Kunda. Kunda nennt man auch die konkave Aushöhlung, in der sich das Gehirn befindet, zusammengerollt wie eine schlafende Schlange. (Wenn du die Gelegenheit hättest, ein menschliches Gehirn zu sezieren, würdest du erkennen, wie es sich in Form einer Schlange um sich selbst windet.) Hier finden wir die eigentliche Bedeutung des Wortes Kundalini.
Kundalini ist der Begriff für Shakti oder Kraft, solange sie noch im schlafenden, potenziellen Zustand ist. Tritt sie jedoch in Erscheinung, nennt man sie Devi, Kali, Durga, Saraswati, Lakshmi oder gibt ihr einen ihrer Ausdruckskraft entsprechenden Namen.
In der christlichen Kultur verweisen die in der Bibel benutzten Begriffe „Pfad der Eingeweihten“ oder „Siebenstufige Leiter zum Himmel“ auf den Aufstieg von Kundalini durch Sushumna Nadi.
Sowohl der Aufstieg von Kundalini, wie letztlich auch das Herabkommen des spirituellen Segens, wird durch das Kreuz symbolisiert. Deshalb machen Christen das Zeichen des Kreuzes in Höhe von Ajna, Anahata und Vishuddhi Chakra. Ajna ist das Zentrum, in dem das augenblickliche Bewusstsein überschritten wird; Anahata ist das Zentrum, in dem der herab kommende Segen für die Welt sichtbar wird.
Was auch im spirituellen Leben geschieht, es kann stets mit dem Erwachen von Kundalini in Beziehung gesetzt werden. Das Ziel jedes spirituellen Lebens ist das Erwachen von Kundalini, ob man es Samadhi, Nirwana, Moksha, Kommunion, Vereinigung, Kaivalya oder Befreiung nennt.
Kundalini, Kali und Durga
In dem Moment, wenn Kundalini erwacht und noch nicht zu bändigen ist, nennt man sie Kali. Wenn du in der Lage bist, diese Energie für einen guten Zweck einzusetzen und dadurch außergewöhnliche Kräfte erlangst, dann ist ihr Name Durga.
Kali ist eine weibliche Gottheit, nackt, schwarz oder rauchfarben, eine Mala mit 108 menschlichen Schädeln tragend. Damit symbolisiert sie die Inkarnationen, die ein Individuum zu durchlaufen hat. Kalis heraushängende, blutrote Zunge ist Zeichen für Rajo Guna, deren kreisende Bewegung die Triebkraft für alle schöpferischen Aktivitäten ist. Durch diese Geste ermuntert sie alle Sadhakas, ihr Rajo Guna zu bändigen.
Das geheiligte Schwert und der kahle Totenschädel in ihrer linken Hand sind Symbole der Auflösung. Dunkelheit und Tod bedeuten ganz und gar nicht Abwesenheit von Licht und Leben, sondern sind ihr Ursprung. Der Sadhaka verehrt die kosmische Kraft in weiblicher Form, weil sie den kinetischen Aspekt repräsentiert. Der Aspekt des Männlichen ist statisch und kann nur durch die kinetische Kraft aktiviert werden.
In der hinduistischen Mythologie wird detailliert beschrieben, wie Kali in Erscheinung tritt. In dem Moment, wenn sie sich in glühendem Zorn erhebt, erstarren alle Götter und Dämonen. Sie verharren schweigend und warten gebannt auf das, was sie als Nächstes tun wird. Sie flehen Shiva an, sie zu beruhigen, aber Kali brüllt nur wütend, wirft ihn nieder, stellt sich mit weit geöffnetem Mund, nach Fleisch und Blut dürstend, auf seine Brust. Erst, wenn die Devas für Kali beten, beruhigt sie sich.
Nun erst kann sich Durga zeigen – als Symbol für höhere, feinere, göttliche Qualitäten, die im Unbewussten ruhen. Durga sitzt als wunderschöne Göttin auf einem Tiger. Sie hat acht Hände, Symbol für die achtfachen Elemente des Menschen. Sie trägt als Zeichen ihrer Weisheit und Kraft eine Mala mit menschlichen Köpfen.
Die Mala besteht aus zweiundfünfzig Köpfen, das ist die Anzahl der Buchstaben im Sanskrit Alphabet. Es ist die äußere Erscheinung von Shabda Brahman, „die Welt des Klanges“. Durch Durga werden alle schlechten Einflüsse im Leben entfernt, Kraft und Frieden steigen aus dem Muladhara Chakra empor.
In der Yoga Philosophie ist Kali als erstes Auftreten der unbewussten Kundalini eine schreckliche Kraft. Die individuelle Seele wird von dieser Kraft vollkommen unterdrückt, was dadurch symbolisiert wird, dass sie auf Shiva steht. Bei mentaler Unausgeglichenheit kann es geschehen, dass Menschen, die mit ihrem Unbewussten in Berührung kommen, furchterregende Wesen sehen wie Geister oder Monster. Wenn Kali als die unbewusste Kraft des Menschen erwacht ist, geht sie allmählich in die nächste Ausdrucksform über, und das ist Durga. Es ist das höchste Bewusstsein und zeigt sich als Glanz und Schönheit.
Symbole für Kundalini
In den tantrischen Schriften wird Kundalini als Urkraft oder Energie beschrieben. In der modernen Psychologie wird sie das Unbewusste genannt. In der Hindu Mythologie korrespondiert Kundalini mit dem Kali Konzept, wie vorher schon erläutert, während Kundalini im Shaivismus durch den Shivalingam dargestellt wird. Es ist ein oval geformter Stein, um den sich eine Schlange windet.
Meistens ist Kundalini allerdings als schlafende Schlange mit dreieinhalb Windungen abgebildet. Natürlich gibt es weder in Muladhara noch in Sahasrara oder in einem der anderen Chakras eine Schlange. Die Schlange war schon immer ein Symbol der Weisheit. In den ältesten mystischen Kulturen der Welt finden wir die Schlange, und auch Shiva wird auf allen Bildern und Statuen mit Schlangen um Taille, Hals und Arme dargestellt.
Auch Kali ist mit Schlangen geschmückt und Vishnu ruht auf einer riesigen, zusammengerollten Schlange. Diese Schlangenkraft symbolisiert das Unbewusste im Menschen. In vielen verschiedenen Zivilisationen der Welt finden wir Monumente und Kunstwerke mit Darstellungen der Schlangenkraft, u. a. auch in Europa, Lateinamerika und dem Mittleren Osten. Das bedeutet, dass Kundalini den Menschen in allen Teilen der Welt einstmals bekannt war. Im Grunde genommen können wir Kundalini in jeder beliebigen Form wahrnehmen, denn Prana ist unendlich, ohne Form und ohne Dimension.
Die traditionellen Schriften beschreiben das Erwachen von Kundalini folgendermaßen: Als zusammengerollte Schlange ruht sie in Muladhara. Wenn sie erwacht, entrollt sie sich und schießt durch Sushumna (dem psychischen Gang im Rückenmark), und öffnet auf ihrem Weg die anderen Chakras. Brahmachary Swami Vyastev beschreibt das Erwachen von Kundalini in seinem Buch Science of the soul folgendermaßen:
„Sadhaks haben Sushumna als leuchtende Säule, als goldgelbe oder manchmal als eine schwarz glitzernde Schlange gesehen, etwa fünfundzwanzig Zentimeter lang, mit glühend roten Augen, vibrierender Zungenspitze, im Rückenmark blitzartig nach oben steigend.“
Die dreieinhalb Windungen der Schlange kann man folgendermaßen auslegen. Drei Windungen verweisen auf die drei Matras von Aum, in denen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ausdrücken; außerdem auf die drei Gunas – Tamas, Sattwa und Rajas; auf die drei Bewusstseinsebenen – Wachsein, Träumen und Tiefschlaf; auf die drei Arten der Erfahrung – subjektive Erfahrung, sinnliche Erfahrung und Abwesenheit von Erfahrung.
Die halbe Windung repräsentiert den Zustand der Transzendenz, in dem es weder Wachsein, noch Träumen, noch Tiefschlaf gibt. Die dreieinhalb Windungen sind Ausdruck dafür, dass das ganze Universum erkannt werden und das Bewusstsein noch darüber hinausgehen kann.
Wer kann Kundalini erwecken?
Es gibt viele Menschen, die Kundalini in sich erweckt haben. Es sind nicht nur Heilige und Sadhus aus verschiedenen Traditionen, auch große Dichter, Schriftsteller, Maler oder Feldherren sind Beispiele dafür, dass jeder diese in ihm ruhende Kraft erwecken kann. Mit diesem Ereignis entsteht nicht nur das Bild des Göttlichen, sondern eine kreative Intelligenz macht sich bemerkbar und supramentale Fähigkeiten erwachen. Durch die Aktivierung von Kundalini lässt sich alles im Leben erreichen.
Wenn auch die Kundalini Kraft von einer einzigen Energie gebildet wird, drückt sie sich doch durch die individuellen Energiezentren, die Chakras, ganz unterschiedlich aus; zuerst in einer gröberen, instinktiven Art, dann, mit mehr Übung, allmählich auf immer subtilere Weise. Das Verfeinern der Ausdruckskraft dieser Energie auf höhere und subtilere Schwingungsebenen ist Zeichen für den Aufstieg des menschlichen Bewusstseins bis zu seiner höchsten Vollendung.
Kundalini ist die kreative Energie des Selbstausdrucks. Ebenso wie durch die Fortpflanzung ein neues Leben erschaffen wird, so hat z. B. Albert Einstein diese Energie auf andere, subtilere Art genutzt, um die Relativitätstheorie zu entdecken. Sie drückt sich auch darin aus, dass jemand schöne Musik komponiert oder spielt. Sie bringt sich in jedem Bereich des Lebens zum Ausdruck, ob du ein Geschäft aufbaust, die Familienpflichten erfüllst, oder dein Ziel erreichst, was immer es sein mag. Das alles sind Ausdrucksformen dieser kreativen Energie.
Das Erwachen von Kundalini ist das einzige Ziel der menschlichen Inkarnation, egal ob du im weltlichen Leben stehst oder Sannyasin bist. Alle Sinnesfreuden, die wir jetzt genießen, und alle Widrigkeiten des Lebens haben nur den einen Sinn, Kundalini aus ihrem Schlaf wachzurütteln.
Ein Prozess der Metamorphose
Mit dem Erwachen von Kundalini entsteht eine Transformation im Leben. Sie hat sehr wenig mit moralischen, religiösen oder ethischen Anschauungen zu tun. Man kann sie eher als eine veränderte Qualität unserer Erfahrungen und Wahrnehmungen bezeichnen. Durch das Erwachen von Kundalini verändern sich deine Geisteshaltung und auch deine Interessen.
Deine ganzen Karmas durchlaufen eine Wandlung. Dafür gibt es ein einfaches Beispiel. Als du ein Kind warst, hast du Spielzeug geliebt. Warum hast du jetzt kein Interesse mehr daran? Dein Geist und dein Verstand haben sich verändert und damit auch deine Interessen. Mit dem Erwachen von Kundalini entsteht eine Metamorphose, die sogar den ganzen physischen Körper neu strukturieren kann.
Wenn Kundalini erwacht, verändert sich der physische Körper tatsächlich in vielfältiger Form. Meistens sind diese Veränderungen positiv, aber wenn dein Guru oder Lehrer nicht achtsam ist, können sie auch negativ sein. Steigt die Shakti Energie auf, werden die Körperzellen vollkommen neu aufgeladen, und damit setzt ein Prozess der Verjüngung ein. Die Stimme, der Körpergeruch, die Hormonausschüttung, all das verändert sich. Der Stoffwechsel der Zellen in Körper und Gehirn erfolgt sehr viel schneller als normal. Dieses sind nur einige Beobachtungen. Forschung und Wissenschaft beginnen gerade erst, Einblick in dieses weite Feld zu nehmen. Eine einfache Anleitung oder Ausbildung dafür gibt es nicht.
Warum muss Kundalini erweckt werden?
Willst du mit Kundalini Yoga beginnen, sind die Beweggründe oder das Ziel von größter Wichtigkeit. Sind es für dich nur die übernatürlichen Kräfte, die du erlangen willst, dann wirst du Schwierigkeiten über Schwierigkeiten hervorbringen.
Ist es aber deine Absicht, Shiva und Shakti zu vereinigen – die beiden großen Kräfte in dir – wenn du Samadhi erlangen und das Absolute im Kosmos erfahren willst, wenn du die Wahrheit hinter der Welt der äußeren Erscheinungen verstehen möchtest, wenn das Ziel deiner Pilgerreise also sehr hochgesteckt ist, dann wird dich nichts aus deiner Bahn werfen.
Mit dem Erwachen von Kundalini können die Naturgesetze anders gehandhabt und die physische, mentale und spirituelle Evolution beschleunigt werden. Ist sich der Mensch dieser mächtigen Shakti Kraft bewusst, dann betrachtet er sich nicht mehr als den nur grobstofflichen Körper, der auf niederer geistiger Stufe und niedrigem Energieniveau arbeitet. Stattdessen ist jede Zelle seines Körpers mit der hohen Schwingungskraft von Kundalini aufgeladen. Und wenn das Erwachen vollkommen ist, dann wird der Mensch eine Verkörperung des Göttlichen.
Video: Swami Satyananda Saraswati über das Erwachen der Kundalini
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/sonnengruss2022-03-11T10:08:39+01:002022-03-14T14:51:51+01:00Der SonnengrußChristian KnipsDer Sonnengruß, im Sanskrit Surya Namaskara genannt, ist eine bekannte und kraftvolle Technik innerhalb des yogischen Repertoires. Die Vielseitigkeit bezüglich der Anwendung macht diese Übung zu einer der besten Methoden, um ein gesundes, schwungvolles und aktives Leben zu führen. Gleichzeitig wird mit dem Sonnengruß auf das spirituelle Erwachen und die Ausdehnung der Bewusstheit vorbereitet.
Der Sonnengruß, im Sanskrit Surya Namaskara genannt, ist eine bekannte und kraftvolle Technik innerhalb des yogischen Repertoires. Die Vielseitigkeit bezüglich der Anwendung macht diese Übung zu einer der besten Methoden, um ein gesundes, schwungvolles und aktives Leben zu führen. Gleichzeitig wird mit dem Sonnengruß auf das spirituelle Erwachen und die Ausdehnung der Bewusstheit vorbereitet.
Das Interesse an Yoga hat sich in den letzten Jahren gravierend verändert. Es ist nicht mehr in erster Linie der rituelle Aspekt und auch nicht das rein Körperliche, was Menschen an Yoga interessiert, sondern die Frage, wie das innere Leben entdeckt und verbessert werden kann.
Obwohl das Bedürfnis nach Übungen, die die physische, die mentale und die spirituelle Entwicklung vorantreiben, groß ist, fällt es selbst dem wirklich Entschlossenen nicht leicht, Yoga Übungen in das hektische Leben zu integrieren. Die Übung, das eigene Tun, ist jedoch der wichtigste Aspekt, damit es uns besser geht. Die Übungsreihe beinhaltet sowohl Asanas, Pranayamas, als auch meditative Techniken wie Mantras und Wahrnehmung der Chakras.
Yoga Übungen sind ein idealer Ausgleich gegen Stress und erweisen sich als Basis einer erfolgreichen Behandlung von mentalen und physischen Krankheiten. Der Sonnengruß ist ein wichtiger Teil der Yoga Lehre und der damit verbundenen Einstellung, sich diesen Problemen auf yogische Art zu nähern.
Wenn wir damit beginnen, uns mit dieser Folge von Asanas, mit Pranayama und Wahrnehmung der Chakras zu beschäftigen und sie auszuführen, werden wir erkennen, dass nur wenige Techniken eine derartige Vollständigkeit aufweisen wie der Sonnengruß. Diese Übung enthält sehr viel mehr, als nur ein Aneinanderreihen von Körperhaltungen. Auch wenn durch die Bewegungen alle Muskeln und Organe gedehnt, gestreckt, massiert, tonisiert und angeregt werden, so liegt ihre Tiefe und Vollständigkeit vorrangig auf spiritueller Ebene.
Surya Namaskara wurde uns von den Weisen der vedischen Kultur überliefert. Surya bedeutet im Sanskrit „Sonne“, Namaskara bedeutet „Gruß“. In früherer Zeit wurde die Sonne durch tägliches Ritual verehrt, denn sie ist ein mächtiges Symbol des spirituellen Bewusstseins. Die Verehrung der äußeren und der inneren Sonne galt als religiös-soziales Ritual, um die Naturkräfte zu besänftigen, die außerhalb menschlicher Kontrolle liegen. Die Einweihung erfolgte durch Weise und Meister, die wussten, dass diese Übungen die Gesundheit erhalten und zu größerer sozialer Kreativität und Produktivität führen.
Der Sonnengruss setzt sich aus den drei Elementen Form, Energie und Rhythmus zusammen. Die zwölf Asanas erzeugen Prana, feinstoffliche Energie, die den physischen Körper aktiviert. Ihre Ausführung in einer rhythmischen, immer gleichbleibenden Folge reflektiert den Rhythmus des Universums, wie z.B. die vierundzwanzig Stunden von Tag und Nacht, die zwölf Tierkreiszeichen im Jahr und den Biorhythmus des eigenen Körpers.
Die rhythmische Überlagerung von Form und Energie auf unseren augenblicklichen Körper/Geist-Komplex ist die transformierende Kraft, die ein volles und aktives Leben und eine große Achtung vor der Welt, in der wir leben, hervorruft. Versuche und erkenne es selbst!
Der Sonnengruß – die Übung ausführlich erklärt
Der Sonnengruß ist eine Serie von zwölf Körperhaltungen. Durch diese abwechselnd vorwärts- und rückwärtsbeugenden Asanas werden die Wirbelsäule und die Gliedmaßen innerhalb ihres äußersten Spielraumes gedehnt und gestreckt. Es gibt nur wenige andere Übungsformen, durch die der ganze Körper so gründlich gedehnt wird.
Die meisten Anfänger werden ihren Körper als steif empfinden. Dies rührt von Muskelverspannungen, unelastischen Sehnen und toxischen Ablagerungen in den Gelenken her. Steifheit, fehlende Koordination und die Tendenz, sich zu überanstrengen, können durch sehr langsames Üben mit betonter Wahrnehmung und Entspannung in jeder einzelnen Haltung überwunden werden. Durch regelmäßiges Üben von Surya Namaskara wird der Körper rasch beweglich, und mit der Zeit geschieht dann von selbst, was zuerst ein wenig Anstrengung erfordert.
Zuerst gilt es, sich mit den einzelnen Haltungen und anschließend mit der gesamten Übungsreihe vertraut zu machen. Im nächsten Schritt werden dann Atmung und Bewegungsablauf synchronisiert. Der Übende wird feststellen, dass die Atemabfolge die einzelnen Haltungen ergänzt und es sogar unangenehm und schwierig wäre, anders zu atmen.
Bei einer rückwärtsbeugenden Haltung weitet sich der Brustkorb, man atmet ein, und bei einer vorwärtsbeugenden Haltung werden Brustkorb und Bauch zusammengepresst, man atmet aus. Das ist das grundlegende Prinzip für die Atmung während der Übungen.
Vorbereitung
Du stehst aufrecht, mit geschlossenen oder ein wenig auseinandergestellten Beinen, die Arme hängen entspannt an den Seiten herunter. Schließe die Augen und werde dir deines ganzen Körpers bewusst.
Entwickle eine Wahrnehmung für den ganzen Körper, wie du es von Yoga Nidra kennst. Beginne bei der Krone des Kopfes und lenke die Wahrnehmung durch den ganzen Körper nach unten. Löse dabei alle Anspannungen, die du entdecken kannst. Die Wahrnehmung ist wie das Licht einer Taschenlampe, das die Dunkelheit des Körpers durchdringt. Nun werde dir wieder des ganzen Körpers bewusst.
Frage dich selbst: Wie geht es mir in und mit meinem Körper? Bin ich entspannt, fühle ich mich wohl? Richte die Haltung so aus, dass du noch bequemer stehst. Stelle dir vor, du würdest durch ein Seil, das am obersten Punkt des Kopfes befestigt ist, hochgezogen.
Lenke jetzt die Wahrnehmung zu den Fußsohlen und fühle den Kontakt zum Boden. Nimm wahr, wie dein ganzer Körper durch die Schwerkraft nach unten gezogen wird und dabei alle Anspannungen vom Kopf bis durch die Füße in den Boden geleitet werden. Sei dir gleichzeitig der Lebensenergie bewusst, die sich durch deinen Körper aufwärts bewegt und dir ermöglicht, eine entspannte, angenehme und aufrechte Haltung beizubehalten.
Verharre für einen Moment und dehne die Achtsamkeit weiter aus. Beginne jetzt mit dem Gruß an die Sonne.
Die zwölf Positionen des Sonnengrußes – Anleitung
Haltung 1: Pranamasana (Gebetshaltung)
Stehe aufrecht, die Füße zusammen oder leicht auseinander. Schließe die Augen. Lege die Handflächen vor der Brust aneinander (Namaskara Mudra). Die Wahrnehmung ist auf die Mudra gerichtet, auf den Druck der Handflächen gegeneinander und die Wirkung dieser Mudra auf die Brustregion. Verehre innerlich die Sonne als die Quelle allen Lebens. Der ganze Körper ist entspannt.
Atem: Atme normal. Chakra: Anahata Chakra Sonnenmantra: Om Mitraya Namaha – Gegrüßet sei unser aller Freund Bija Mantra: Om Hram
Haltung 2: Hasta Utthanasana (Armstreckung)
Hebe beide Arme und strecke sie über den Kopf, die Handflächen sind nach oben gerichtet. Die Arme sind schulterbreit auseinander. Wölbe den Rücken nach hinten und strecke den ganzen Körper. Strecke den Kopf so weit nach hinten, wie es dir gut möglich ist und sei dir der Wölbung des oberen Rückens bewusst.
Atem: Atme ein, während du in diese Haltung kommst. Chakra: Vishuddhi Chakra Sonnenmantra: Om Ravaye Namaha – Gegrüßet sei der Strahlende Bija Mantra: Om Hrim
Haltung 3: Padahastasana (Hand/Fußhaltung)
Beuge dich von der Hüfte aus in einer fortlaufenden Bewegung nach vorn. Bringe die Handflächen zu beiden Seiten der Füße nahe zum oder auf den Boden und versuche, die Stirn so nahe wie möglich zu den Knien zu bringen. Überdehne dich dabei nicht. Die Beine bleiben gestreckt. Versuche, den Rücken gestreckt zu halten; konzentriere dich auf das Becken, den Drehpunkt für die Streckung von Rücken- und Beinmuskulatur.
Atem: Atme aus, während du in diese Haltung kommst. Versuche, den Bauch zusammenzupressen, um ein Maximum an Luft aus den Lungen auszustoßen. Chakra: Swadhisthana Chakra Sonnenmantra: Om Suryaya Namaha – Gegrüßet sei der Vitalität Verleihende Bija Mantra: Om Hrum
Haltung 4: Ashwa Sanchalanasana (Reiterhaltung)
Die Hände bleiben auf ihrem Platz zu beiden Seiten der Füße. Beuge das linke Knie und strecke gleichzeitig das rechte Bein so weit wie möglich nach hinten aus. Die Zehen und das rechte Knie berühren den Boden. Bringe das Becken nach vorn, wölbe die Wirbelsäule nach innen und schaue nach oben. Die Handflächen oder die Fingerspitzen berühren den Boden und halten den Körper im Gleichgewicht. Konzentriere dich auf das Augenbrauenzentrum. Sei dir der Streckung vom Oberschenkel aus über die Vorderseite des Körpers bis hinauf zum Augenbrauenzentrum bewusst.
Atem: Atme ein, während sich der Brustkorb weitet und das rechte Bein nach hinten ausstreckt. Chakra: Ajna Chakra Sonnenmantra: Om Bhanave Namaha – Gegrüßet sei der Erleuchtende Bija Mantra: Om Hraim
Haltung 5: Parvatasana (Berghaltung)
Die Handflächen liegen am Boden. Bringe den linken Fuß nach hinten und stelle ihn neben den rechten. Hebe gleichzeitig den Po und senke den Kopf zwischen die Arme. Der Körper bildet mit dem Boden ein Dreieck.
Arme und Beine sind in der Endhaltung gestreckt. Ziele darauf hin, die Fersen flach auf den Boden zu bringen. Überdehne die Sehnen und Muskeln am Bein jedoch nicht. Beuge den Kopf so weit wie möglich, sodass die Augen auf die Knie gerichtet sind. Konzentriere dich auf die Halsgegend.
Atem: Atme aus, während du den rechten Fuß nach hinten setzt. Chakra: Vishuddhi Chakra Sonnenmantra: Om Khagaya Namaha – Gegrüßet sei der sich durch die Lüfte Bewegende Bija Mantra: Om Hraum
Haltung 6: Ashtanga Namaskara (Gruß mit acht Gliedern)
Setze die Knie auf den Boden, die Brust und das Kinn, der Po bleibt erhoben. Hände, Kinn, Brust, Knie und Zehen berühren den Boden, dabei ist die Wirbelsäule nach innen gewölbt. Konzentriere dich auf den Mittelpunkt des Körpers oder auf die Rückenmuskulatur.
Atem: Der Atem wird nach dem Ausatmen in Parvatasana (Berghaltung) angehalten. In der Endhaltung atmest du nicht. Chakra: Manipura Chakra Sonnenmantra: Om Pushne Namaha – Gegrüßet sei der, der Kraft und Stärke verleiht Bija Mantra: Om Hrah
Haltung 7: Bhujangasana (Kobrahaltung)
Bringe die Hüften zum Boden und schiebe gleichzeitig den Brustkorb mithilfe der Arme nach vorn und nach oben. Strecke die Arme so weit wie möglich; biege die Wirbelsäule so weit wie möglich nach innen, bis du die Kobrahaltung einnimmst. Erst wenn der Rücken beweglicher geworden ist, lassen sich die Arme ganz strecken.
Atem: Atme ein, während du den Oberkörper anhebst und den Rücken nach innen wölbst. Chakra: Swadhisthana Chakra Sonnenmantra: Om Hiranya Garbhaya Namaha – Gegrüßet sei das goldene kosmische Selbst Bija Mantra: Om Hram
Haltung 8: Parvatasana (Berghaltung)
Wiederholung von Haltung 5. Halte Arme und Beine gestreckt. Hebe den Po und senke den Kopf zwischen die Arme. Der Körper bildet wie in Haltung 5 mit dem Boden ein Dreieck.
Atem: Atme aus, während du in diese Haltung kommst. Chakra: Vishuddhi Chakra Sonnenmantra: Om Marichaye Namaha – Gegrüßet sei der Herr des Zwielichts Bija Mantra: Om Hrim
Haltung 9: Ashwa Sanchalanasana (Reiterhaltung)
Wiederholung von Haltung 4. Führe das linke Bein nach vorn und stelle den Fuß zwischen die Hände. Bringe gleichzeitig das rechte Knie zum Boden und drücke das Becken nach vorn. Wölbe die Wirbelsäule nach hinten und blicke nach oben, um Haltung 4 wieder einzunehmen.
Atem: Atme ein, während du in diese Haltung kommst. Chakra: Ajna Chakra Sonnenmantra: Om Adityaya Namaha – Gegrüßet sei der Sohn von Aditi, der kosmischen Mutter Bija Mantra: Om Hrum
Haltung 10: Padahastasana (Hand/Fußhaltung)
Wiederholung von Haltung 3. Bringe den rechten Fuß neben den linken und strecke sofort die Beine. Beuge dich dabei nach vorn und hebe den Po, während du den Kopf zu den Knien bewegst. Die Hände bleiben neben den Füßen am Boden. Dies ist eine Wiederholung von Haltung 3.
Atem: Atme aus, während du die Haltung einnimmst. Chakra: Swadhisthana Chakra Sonnenmantra: Om Savitre Namaha – Gegrüßet sei die anregende Kraft der Sonne Bija Mantra: Om Hraim
Haltung 11: Hasta Utthanasana (Armstreckung)
Wiederholung von Haltung 2. Hebe den Rumpf mit über den Kopf gestreckten Armen und beuge dich nach hinten, um Haltung 2 wieder einzunehmen.
Atem: Atme ein, während du in diese Haltung kommst. Chakra: Vishuddhi Chakra Sonnenmantra: Om Arkaya Namaha – Gegrüßet sei der, den ich von Herzen verehren möchte Bija Mantra: Om Hraum
Haltung 12: Pranamasana (Gebetshaltung)
Wiederholung von Haltung 1. Stehe wieder aufrecht; lege die Handflächen vor der Brust aneinander, wie in Haltung 1.
Atem: Atme dabei aus. Chakra: Anahata Chakra Sonnenmantra: Om Bhaskaraya Namaha – Gegrüßet sei der, der zur Erleuchtung führt Bija Mantra: Om Hrah
Anmerkung
Das ist eine halbe Runde des Sonnengrußes. Die zweite Hälfte wird mit den gleichen Bewegungen ausgeführt, lediglich in Haltung 4 wird das linke Bein zuerst nach hinten gebracht und in Haltung 9 das rechte Bein zuerst nach vorn geführt. Eine vollständige Runde besteht also aus 24 Bewegungen, zwei Serien aus 12 Bewegungen, die jeweils die eine und die andere Seite des Körpers ausgleichen.
Wenn Haltung 12 abgeschlossen ist, senke die Arme zu beiden Seiten des Körpers. Beginne dann die zweite halbe Runde. Eine volle Runde besteht aus 24 Asanas. Im Idealfall werden diese Asanas in einem fortlaufenden, ununterbrochenen Fluss ausgeführt; der Wechsel von einer Haltung in die andere erfolgt mit jedem Ein- und Ausatmen.
Eine Ausnahme ist Ashtanga Namaskara. Wenn du während einer Runde ermüdest, lege nach Haltung 12 eine Pause ein. Nimm einen vollen Atemzug oder auch mehrere, ehe du mit der zweiten Hälfte beginnst. Das gilt auch für jedes einzelne Asana und zwischen den Runden. Nutze die Zeit, um deine Wahrnehmung und Haltung neu auszurichten. Überprüfe, wie du dich fühlst und achte darauf, dass du bequem stehst und der Atem ruhig und entspannt ist, ehe du weitermachst.
Die Anzahl der Runden
Es gibt keine festgesetzten Regeln, wie viele Runden des Sonnengrußes zu üben sind, jedoch sollte nie bis zum Punkt der Erschöpfung geübt werden. Der Übende sollte sich über seinen eigenen körperlichen Zustand und seine Grenzen bewusst werden und Überanstrengung auf jeden Fall vermeiden. Denke daran, dass der Sonnengruß eine kraftvolle Übung ist.
Wird sie übertrieben, kann sie zu unangenehmen Schmerzen und Beschwerden führen. Dies sind Symptome innerer Reinigung wie akute Entzündungen, Furunkel, Hautausschläge, Erkältungen oder sogar Durchfall. Sie legen sich schnell wieder, wenn eine Pause für eine Entspannung einlegt wird. Eine gute Vorbereitung können auch die Reinigungstechniken aus dem Hatha Yoga sein.
Anfängern wird empfohlen, mit zwei bis drei langsam ausgeführten Runden zu beginnen und sich bis zu 12 Runden in dem Maße zu steigern, wie sich der körperliche Zustand verbessert. Eine gute tägliche Übung sind sechs langsam ausgeführte Runden, anschließend sechs schnelle. Wichtig ist es, eine eigene Routine zu entwickeln.
Fortgeschrittene Schüler können 24 bis 54 Runden täglich ausführen. In besonderen Fällen, bei bestimmten Krankheiten oder um den Körper zu reinigen, kann eine tägliche Übung mit 108 Runden gemacht werden, aber nur unter fachkundiger Anleitung.
Nach Beendigung der gesamten Übung folgt eine Entspannung, die entsprechend der Rundenzahl kürzer oder länger ist.
Shavasana
Nach dem Sonnengruß folgt Shavasana mit Atemwahrnehmung. Der Körper erholt sich und noch vorhandene Anspannungen werden gelöst. Shavasana, die Totenhaltung, bedeutet, den gesamten Körper bewusst zu entspannen bis hin zu dem Zustand der Leblosigkeit. So werden Körper und Geist in wenigen Minuten erfrischt.
Die Entspannungsphase nach dem Sonnengruß ist ein wichtiger Teil der Übung. Die Körperfunktionen normalisieren sich wieder, das Blut wird von den Giftstoffen, die während der Übung vermehrt abgegeben wurden, gereinigt. Die Ausführung von Surya Namaskara ist in gewisser Weise anstrengend. Das sympathische Nervensystem wird angeregt und reagiert mit erhöhtem Herzschlag und tiefem Atem.
Während der Entspannung in Shavasana werden die anregenden Wirkungen durch das parasympathische Nervensystem wieder aufgehoben und der Körper in einen ausgeglichenen Zustand zurückgeführt. Surya Namaskara und Shavasana zusammen regen die beiden Funktionen des autonomen Nervensystems an; so wird der ganze Körper vitalisiert.
Die Entspannungsphase dauert auf jeden Fall so lange, bis der Übende spürt, dass Herzschlag und Atem wieder normal und alle Muskelanspannungen gelöst sind.
Wann und wo soll geübt werden
Idealerweise wird der Sonnengruß bei Sonnenaufgang geübt. Es ist die ruhigste Zeit des Tages, und die Atmosphäre ist mit den ultravioletten Strahlen der Sonne, die für den Körper essenziell sind, angereichert.
Mache es dir zur Gewohnheit, früh aufzustehen, den Rufen der Natur zu folgen, eine Dusche zu nehmen und den Sonnengruß zu üben. Wenn immer möglich, übe an der frischen Luft und trage leichte, lockere Kleidung, damit die Haut atmen und die Energie der Sonne aufnehmen kann.
Im Idealfall wird der Sonnengruß dem Sonnenaufgang zugewandt geübt, auf einem Tuch, das auf dem Fußboden oder der Erde ausgebreitet ist. Wenn es am frühen Morgen nicht möglich ist, dann kann die Übung zu jeder sonst passenden Zeit gemacht werden, vorausgesetzt der Magen ist leer. Man sollte mindestens drei bis vier Stunden zuvor keine große Mahlzeit zu sich genommen haben. Eine gute Zeit zum Üben ist auch der Abend vor dem Essen, da das Verdauungsfeuer angeregt wird.
Wahrnehmung der Chakras – Fortgeschrittene Übung
Beim Üben der einzelnen Asanas wird versucht, das jeweilige Chakra zu lokalisieren und die Konzentration in diesem Zentrum zu entwickeln. Besonders zu Anfang ist das zeitaufwendig. Ohne Anleitung sollte nicht mehr als eine Minute auf ein Asana verwandt werden.
Mit der Zeit gelingt es immer besser, die Chakras wahrzunehmen und zu visualisieren, der Übungsablauf wird zügiger und dann können Asanas, Atem und Wahrnehmung des Chakras miteinander verbunden werden. Mithilfe des Atems werden die Chakras noch besser wahrnehmbar. Visualisiere zum Bei-spiel den psychischen Atem und erkenne, wie Prana beim Ein- und Ausatmen über das Chakra in den Körper hinein- und hinausströmt. Nimm wahr, wie Prana und Apana während der Atempause in Manipura zusammentreffen. Diese fortgeschrittenen Übungen sollten natürlich unter erfahrener Anleitung erlernt werden, denn auf dieser Stufe wird Surya Namaskara Teil der vorbereitenden Übungen für Kundalini Yoga.
Während Surya Namaskara richtet sich die Wahrnehmung auf alle Chakras des Körpers außer Muladhara Chakra. Die anderen Chakras werden angeregt, damit sie auf das Erwachen von Kundalini aus Muladhara vorbereitet sind. Der Körper sollte kräftig und gesund sein, denn wenn Muladhara er-wacht, werden starke und unbewusste Kräfte freigesetzt. Surya Namaskara bereitet den Körper auf dieses Ereignis vor, indem seine Vitalität erhöht wird. Mit der Zeit können andere Übungen hinzugezogen werden, um Muladhara zu erwecken.
Die Konzentration auf die Chakras kann mit der gedanklichen Wiederholung von Mantras begleitet werden. Wenn sich die Konzentration des Übenden weiter entwickelt, kann er wahrnehmen, wie das Mantra im oder am Chakra schwingt oder sogar fühlen, wie die Schwingungen der Mantras aus den psychischen Zentren ausströmen. Das ist eine wunderbare und intensive Erfahrung.
Weitere, detaillierte Informationen dazu findest du in dem Buch Surya Namaskara von Swami Satyananda Saraswati.
Video – Surya Namaskara in der Satyananda Tradition
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/yama2022-03-10T14:13:38+01:002022-03-11T12:39:32+01:00YamaChristian KnipsDer erste Aspekt von Raja Yoga nach Patanjali ist Yama. Im Allgemeinen wird Yama vom Laien im Sanskrit als Moralkodex der richtigen Führung übersetzt, die eigentliche Bedeutung ist jedoch yogische Selbstkontrolle. Diese Regeln der yogischen Selbstkontrolle kommen noch vor Übungen wie Asana, Pranayama und Meditation.
Der erste Aspekt von Raja Yoga nach Patanjali ist Yama. Im Allgemeinen wird Yama vom Laien im Sanskrit als Moralkodex der richtigen Führung übersetzt, die eigentliche Bedeutung ist jedoch yogische Selbstkontrolle. Diese Regeln der yogischen Selbstkontrolle kommen noch vor Übungen wie Asana, Pranayama und Meditation. Die fünf Yamas oder äußeren Disziplinen sind:
Satya – Wahrhaftigkeit
Ahimsa – Freisein von Gewalt
Asteya – Ehrlichkeit
Aparigraha – Freisein von Besitzansprüchen
Brahmacharya – Zölibat
Satya – Wahrhaftigkeit
Satya oder Wahrhaftigkeit spiegelt sich im äußeren Verhalten während der Interaktion eines Individuums wider. Sich an das Wesen oder das Gesetz der Wahrheit zu halten, ermöglicht es, die Konflikte des Geistes zu entfernen oder zu klären. Die Menschen glauben, es sei einfach, die Wahrheit zu sprechen. Es ist zwar leicht, zu sagen, weiß ist weiß und schwarz ist schwarz. Wahrheit bezieht sich jedoch nicht nur auf das, was wir sagen
Es bezieht sich vielmehr auf das Gewahrsein von korrekt, recht und wahr, das sich aus dem Inneren bemerkbar macht und dann zum Ausdruck bringt. Der wahre Geisteszustand beinhaltet Reinheit und Harmonie unserer inneren Ausdruckskraft und Erfahrung nur unter folgenden Bedingungen:
Wir müssen in der Lage sein, die korrekte, wahre und reale Manifestation eines Vritti, eines Gedankens oder eines Wunsches zu beobachten, ohne durch den Intellekt, unser Selbstbild und das Ego gefiltert, beeinflusst oder verändert zu werden. Dazu gehören auch Einflüsse von außen.
Ahimsa – Freisein von Gewalt
Ahimsa oder Freisein von Gewalt ist nicht der äußere Akt, unsere Handlungen gewaltfrei zu machen, sondern es ist die Abwesenheit der gewaltsamen Natur in unserer Persönlichkeit. Diese Gewalt drückt sich nicht nur in Interaktionen mit anderen Menschen aus. Sie zeigt sich auch in Form eines Gefühls, Gedankens, Wunsches, einer Empfindung, Motivation oder einer Ambition gegen dich selbst. Alles, was den natürlichen Fluss menschlicher Wahrnehmung und des Bewusstseins stört, nennt man Himsa. Es gehört zu Tamas, zu Unwissenheit und Trägheit.
Ahimsa ist die völlige Abwesenheit von Gewalt in unserer Natur, unserem Wesen, und das allein ist ein Sadhana. Es bedeutet nicht einfach nur das Akzeptieren von Beleidigung und Schmerz. Es bedeutet vorrangig, dass wir innerlich von jeder Reaktion frei sein sollten. Wir sollten nicht negativ oder gewalttätig reagieren. Diese Abwesenheit einer gewalttätigen Natur in unserer Persönlichkeit transformiert die tamasische Persönlichkeit in eine sattwische.
Asteya – Ehrlichkeit
Asteya oder Ehrlichkeit ist das dritte Yama. Yogis wussten, dass wir mit uns selbst nicht ehrlich sind, weil viele Fäden mit unserem Geist verknotet sind, die ihn in verschiedene Richtungen ziehen. Die Ehrlichkeit, Einfachheit und Ernsthaftigkeit unserer Natur scheint verloren wegen der verschiedenen Vorstellungen, Eindrücke und Ambitionen, die sich darüber gelegt haben und unser Leben dominieren.
Ehrlichkeit gehört also zum Aspekt von Yama, weil es ein Weg ist, die ernsthafte Lebensqualität ohne eine Überlagerung von äußeren Ideen zu erfahren. Hier kann die wahre Natur der Persönlichkeit gesehen und erfahren werden.
Aparigraha – Freisein von Besitzansprüchen
Aparigraha oder Freisein von Besitzansprüchen bedeutet, nicht verhaftet, nicht verstrickt zu sein. Solange wir an etwas anhaften und vom Ego motiviert werden, gibt es auch ein Gefühl von Besitzanspruch. Wir neigen dazu, etwas besitzen zu wollen, an dem wir sehr hängen, z. B. Dinge, Menschen, Gegenden.
Dieser Besitzanspruch zeigt sich später in Form unseres eigenen egoistischen Dranges nach Befriedigung. Man kann den Besitzanspruch haben, er sollte jedoch nicht von unserem Ego oder unserer selbstsüchtigen Natur motiviert sein. Er sollte uns bereit machen, zu umsorgen, zu pflegen und zu erhalten, frei von egoistischer Haltung.
Um die Eigenschaft zu erlangen, frei von Besitzanspruch zu sein, müssen wir uns frei machen vom Anhaften. Anhaften bedeutet, sich nach etwas sehnen und Loslösung bedeutet, sich davon loszuschneiden. Nicht anzuhaften bedeutet, uns nicht aus der Bahn werfen zu lassen, was auch immer geschieht oder wo immer wir uns befinden.
Aparigraha erlaubt uns, die Anhaftungen wahrzunehmen, die uns an einen rajasischen oder tamasischen Geisteszustand, an die Welt der Sinne und Dinge ketten, und die es uns nicht erlauben, unsere Wahrnehmung über die selbstsüchtigen Eigenschaften hinauswachsen zu lassen. Aparigraha ist also das Gegenteil von Anhaften. Mit Aparigraha bemühen wir uns, über die Dinge hinauszuwachsen, die uns herunterziehen.
Brahmacharya – Höheres Bewusstsein
Brahmacharya, normalerweise mit Zölibat oder Enthaltung übersetzt, bedeutet eigentlich „jemand, der sich im höheren Bewusstsein befindet“. Das Wort Brahma bedeutet Höhere Wirklichkeit und Achara bedeutet jemand, der einem Weg folgt. Diese höhere Wirklichkeit ist sicher nicht die sinnliche oder profane Wirklichkeit. Später definierte man Brahmacharya als Zölibat. Die eigentliche Bedeutung jedoch geht dahin, dass man sich im Gewahrsein des höheren Bewusstseins befinden sollte.
Textauszug aus dem Buch Yoga Darshan von Swami Niranjanananda Saraswati
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/meditation-lernen2022-03-09T10:21:07+01:002022-03-11T12:45:10+01:00Meditation lernenChristian KnipsEs kann nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, sich auf die Meditation vorzubereiten. Zwar sind einige wenige Menschen in der Lage, sich einfach hinzusetzen und zu meditieren, und andere, deren Zahl noch kleiner ist, befinden sich sowieso ständig in einem meditativen Zustand. Aber die meisten Anfänger benötigen eine entsprechende Vorbereitung, ohne die sie auf ihrem spirituellen Weg nicht wirklich weiterkommen.
Allgemeine Anleitungen und Anregungen: Erlerne Meditation
Es kann nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, sich auf die Meditation vorzubereiten. Zwar sind einige wenige Menschen in der Lage, sich einfach hinzusetzen und zu meditieren, und andere, deren Zahl noch kleiner ist, befinden sich sowieso ständig in einem meditativen Zustand. Aber die meisten Anfänger benötigen eine entsprechende Vorbereitung, ohne die sie auf ihrem spirituellen Weg nicht wirklich weiterkommen.
Daher sollten die nachfolgend beschriebenen Anleitungen unbedingt befolgt werden, um Meditation von Anfang an richtig lernen zu können. Später wird jeder für sich selbst erkennen, welche Methode für ihn/sie die beste ist. Die in den anschließenden Anleitungen dargestellten Methoden sind für die meisten Menschen geeignet.
Den Geist zur Ruhe bringen
Manchmal ist es möglich, sich einfach zur Meditation hinzusetzen, und der Geist ist sofort bereit, sich zu konzentrieren. Zu anderen Zeiten jedoch springen die Gedanken hin und her wie ein wild gewordener Elefant. Dann hilft auch keine Autosuggestion. Das Mantra Om laut und so lange wie möglich zu rezitieren, ist eine wirklich gute Hilfe, um den Geist zur Ruhe zu bringen, die Gedanken zu zähmen und die nötige Fähigkeit zu erlangen, sich während der Meditation zu konzentrieren.
Das Mantra sollte mit dem Herzen rezitiert werden, nicht mit den Lippen, die Intensität und ein starkes Gefühl dürfen nicht fehlen. Verliere dich und dein Ego in dem Klang. Die Schwingung muss Körper und Geist erfassen. Kommt der Geist auf diese Weise nicht zur Ruhe, dann hilft wirklich gar nichts mehr. Nebenbei bemerkt, gilt allein das Rezitieren von Om als eine äußerst kraftvolle meditative Technik.
Der Schlüssel zur Meditation: Regelmäßigkeit und Hingabe
Erwarte nicht, dass meditative Erfahrungen sich gleich beim ersten Mal einstellen, wenn du meditierst. Mache einfach regelmäßig deine Übungen und lasse dich nicht davon abbringen. Es ist möglich, dass du zeitweise den Mut verlierst und dich fragst, ob Meditation nicht völlig nutzlos und eine reine Zeitverschwendung sei. Mit genügend Einsatz wirst du schließlich zur Transzendenz gelangen.
Am Ende wirst du erleben, dass Meditation ein Zustand reiner Glückseligkeit oder Freude ist, der sich von selbst einstellt. Dein ganzes Leben wird zu einer meditativen Erfahrung. Diese Gipfelerfahrung erwartet dich, wenn du damit beginnst, dich jeden Tag zur gleichen Zeit und am gleichen Ort hinzusetzen und zu meditieren.
Tipp: Nur eine regelmäßige Meditation führt zum Ziel.
Der geeignete Übungsort für die Meditationen
Wenn du dich für einen Meditationsort entscheidest, solltest du ihn möglichst täglich zur Meditation nutzen. Er sollte sauber sein, Ruhe ausstrahlen und es sollte still sein. Er sollte trocken und luftig, aber nicht zugig sein. Lege eine Decke oder einen Läufer auf den Boden.
Während der Meditation sollten Reize aus der Außenwelt und dem Alltag so weit wie möglich ausgeschaltet werden. Daher ist es ratsam, eine ruhige Zimmerecke zu wählen, von der aus du nicht aus dem Fenster sehen kannst. Über dir sollte kein Ventilator laufen und im Umkreis von etwa zwei Metern sollten sich keine Möbel befinden.
Die geeignete Uhrzeit für Meditation
Am besten meditierst du am frühen Morgen und am Abend direkt vor dem Schlafengehen. Die ideale Zeit ist morgens zwischen 4:00 Uhr und 6:00 Uhr. Es ist die Zeit von Brahmamuhurta, die für die Meditation am besten ist. Du solltest mindestens eine bis eineinhalb Stunden nach einem leichten Imbiss verstreichen lassen, und vier Stunden nach einer Mahlzeit.
In dieser Zeit fließt zu viel Energie in den Magen und den Verdauungsprozess, was deine Meditation stören würde. Achte darauf, dich moderat zu ernähren, verzichte auf schwere Mahlzeiten. Es ist notwendig, dass du regelmäßig meditierst. Meditiere zu festen, regelmäßigen Zeiten, z.B. morgens zwischen 4.00 und 6.00 Uhr und abends zwischen 20.00 und 22.00 Uhr, und halte dich strikt daran. Beginne zunächst mit einer halben Stunde täglicher Meditation und steigere dann kontinuierlich die Dauer des Meditierens.
Umgang mit Müdigkeit
Wenn Menschen nicht daran gewöhnt sind, so früh aufzustehen, kann es passieren, dass sie während der Meditation einschlafen. Achte darauf, dass dir das nicht passiert, denn sonst wäre das frühe Aufstehen eine reine Zeitverschwendung. Wenn du schlafen willst, dann bleibe im Bett. Um deine Schläfrigkeit zu überwinden, stehen dir verschiedene Möglichkeiten offen: Du kannst am Abend früher zu Bett gehen oder vor dem Meditieren duschen oder dich waschen oder auch zwischendurch, wenn du während der Meditation schläfrig wirst.
Eine weitere Methode ist Autosuggestion. Sage dir vor Beginn der Meditation, dass du wach bleiben wirst. Du kannst diesen Entschluss auch mehrmals am Tag wiederholen, damit er tief im Unterbewussten verankert wird.
Stellst du fest, dass du nach der Meditation müder bist als vorher, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass du dich zu sehr bemühst, dass du möglicherweise sogar regelrecht gegen deine Gedanken ankämpfst. Denke daran, dass Meditation eine Quelle des Glücks ist. Daher kann etwas, was dich glücklich macht, unmöglich zur Müdigkeit führen. Nur etwas, was uns unglücklich macht, was unserer Natur nicht entspricht, ermüdet und erschöpft uns. Wenn du dich also nach der Meditation träge und müde fühlst, weißt du, dass dir bei der Meditationsübung Fehler unterlaufen.
Entspannung und Stressbewältigung
Eines der größten Hindernisse für Meditation sind körperliche Spannungen und Stress. Spürst du Schmerzen oder Verspannungen im Körper oder auch nur eine allgemeine Anspannung, dann wird deine Achtsamkeit immer wieder zum Körper zurückkehren. Es wird dir nicht möglich sein, den Körper hinter dir zu lassen und zu lernen, in die Meditation zu gelangen.
Eine einfache und wirksame Methode, alle Bereiche des Körpers systematisch zu entspannen ist, Teile des Körpers nacheinander so stark wie möglich anzuspannen und dann die Spannung loszulassen. Auch wenn dies das Gegenteil zu bewirken scheint, probiere es einfach aus. Du wirst feststellen, dass du hierdurch zu größerer Entspannung finden kannst. Es ist wie bei einem Gummiband. Ziehst du ein Gummiband weit auseinander und lässt es dann los, ist es danach kürzer als zuvor. Alle im Gummiband vorher vorhandene Spannung ist danach auf ein Minimum reduziert.
Dasselbe Prinzip gilt für die Muskeln. Spanne sie an und halte sie für eine kurze Zeit, dann lasse sie los. Die Muskulatur wird lockerer sein, als im Normalzustand. Nach extremer muskulärer Anspannung erfährst du extreme Entspannung. Alle Körperteile sollten nacheinander angespannt werden.
Dazu lege dich am besten flach auf den Rücken. Beginne mit den Beinen und spanne sie nacheinander so lange an, wie es dir ohne Anstrengung möglich ist. Danach liegst du etwa zwanzig Sekunden völlig entspannt. Wiederhole den Vorgang mit den Armen, den Händen, den Füßen, Bauch, Schultern, dem ganzen Körper. Dann entspanne dich etwa eine Minute lang und beginne mit der Meditationsübung.
Tipp: Die Konzentration auf den Atem führt spontan zur Entspannung des Geistes.
Allgemeine Hindernisse in der Meditation
Vieles kann dich bei deinem Versuch, zu meditieren, beeinträchtigen. Wie du bereits weißt, sind körperliche und mentale Störungen die größten Hindernisse. Durch Übung der Asanas und anderer Yoga Übungen sowie auch durch Meditation können viele körperliche Beschwerden geheilt oder gelindert werden. In diesem Buch wird nicht weiter auf Asanas eingegangen. Näheres hierüber findest du beispielsweise in dem Buch Asana Pranayama Mudra Bandha von Swami Satyananda Saraswati.
Mentale Probleme wie Eifersucht, Hass, Stolz, Egoismus, Reizbarkeit und vieles mehr lassen sich mithilfe diverser Techniken beseitigen. Hilfreich sind insbesondere die bei den Yamas und den Niyamas beschriebenen Methoden zusammen mit Autosuggestion.
Mentale Probleme verschwinden meist ganz von selbst, wenn du die in Kapitel 5 beschriebene Methode anwendest. Sie empfiehlt, dass du dich von deiner Rolle im Leben sowie von deinem Körper und Geist löst und dich mit dem Zentrum des Bewusstseins, dem Selbst, identifizierst. Äußere Ereignisse ebenso wie körperliche oder mentale Störungen haben dann keine oder nur geringe Auswirkung auf dich, je nachdem, wie stark deine neue Identifikation wirkt.
Was ist mit psychischen Erkrankungen wie Depression? Diese können mithilfe der oben genannten Methoden geheilt werden. Eine zeitweise Linderung erfährst du auch, wenn du eine halbe Stunde lang so laut wie möglich Om rezitierst oder wenn du dich nach draußen in die Natur, in den Wald oder in die Berge begibst. Dies oder Ähnliches kann eine wirksame Therapie sein.
Auch Ärger kann die Meditation stören. Ärger entsteht, wenn du mit dem Ego in äußere, belanglose Dinge verwickelt bist. Oft reicht es, dir ins Gedächtnis zu rufen, dass du Teil des Universums, des Ganzen bist.
Zweifel sind ein weiteres Hindernis. Bevor du in der Meditation zu transzendentalen Erlebnissen gelangst, schleichen sich häufig Zweifel ein. Du fragst dich, ob die ganze Sache mit der Meditation nur ein Schwindel sei, ob sie wirklich halte, was sie verspreche. Wenn es dir so geht, dann lies Bücher über Heilige oder Menschen, die versuchen, die ihnen widerfahrenen Meditationserlebnisse zu beschreiben. Aus ihren Berichten kommt dir so viel Begeisterung, so viel Ehrfurcht entgegen, dass du gar nicht anders kannst, als wieder darauf zu vertrauen, dass auch vor dir wunderbare transzendentale Erfahrungen liegen.
Nutze die in diesem Buch beschriebenen Methoden, um deine mentalen Probleme zu beseitigen oder finde deine eigene Methode. So wirst du die größten Hindernisse überwinden, die deinen Zugang zur Meditation blockieren. Oft wissen wir nicht einmal, was die Ursache sein könnte, da die zugrundeliegenden Konflikte, Komplexe, Ängste usw. im Unbewussten verborgen sind. Meditation hilft dir, sie zu erkennen, sodass du dich irgendwann von ihnen befreien kannst.
Es ist jedoch schwierig, in einen Meditationszustand zu gelangen, während dich diese tief wurzelnden Probleme quälen. Um diese Hürde zu bewältigen, solltest du zunächst versuchen, die dir bewussten mentalen Probleme mittels Autosuggestion aus dem Weg zu räumen. Dadurch wird es dir leichter fallen, zur Ruhe zu kommen.
Auch wenn es noch nicht möglich ist, in einen meditativen Zustand zu gelangen, so werden für den Übenden die Zeichen allmählich erkennbar, die aus dem tieferen Teil des Geistes kommen und in das Bewusstsein eindringen. Viele dieser Zeichen deuten auf tief sitzende Konflikte. Sobald solche Konflikte, Phobien usw. erkannt werden, können sie durch Autosuggestion entfernt werden.
Bei diesem Prozess ist alles miteinander verknüpft: Je gründlicher der Geist gereinigt wird, desto besser gelingt es zu meditieren; je näher du einem wirklichen Meditationszustand kommst oder zu den tieferen Aspekten deines Geistes vordringst, desto größer wird deine Fähigkeit, die tief verwurzelten Komplexe aus dem Weg zu räumen. Je tiefer du in dein Inneres schaust, desto kleiner werden deine Probleme.
Schließlich wirst du zur Transzendenz gelangen. Vielleicht ist dir diese Grenzüberschreitung dann immer möglich, unabhängig davon, ob du in einer Meditationshaltung meditierst.
Denken
Die Yoga Übungen verfolgen das Ziel, irgendwann rationales Denken zu überwinden. Gelingt dir das, dann hat die Meditation schon begonnen. In der Meditation bewegst du dich tiefer in den Geist hinein, in Bereiche jenseits des rationalen Denkens. Versuche daher, in den Meditationsübungen den Intellekt weitestgehend auszuschalten. Lasse den Verstand nur so weit zu, wie er zur Ausführung der Übung erforderlich ist. Die Übung Antar Mouna bildet allerdings eine Ausnahme, denn in einigen Stufen wird das rationale Denken sogar bewusst eingesetzt. Doch auch hier geht es darum, den Intellekt hinter sich zu lassen.
Tipp: Die Meditationsübung Antar Mouna gibt es auf CD als geführte Meditation im Ananda Verlag. Eine Führung ist insbesondere für Anfänger zu empfehlen.
Objekt der Konzentration
Zwar kann jedes beliebige Objekt Gegenstand der Meditation sein, es hat sich jedoch erwiesen, dass der Meditierende bei Objekten, die für ihn eine große Bedeutung haben, am besten zu tiefer Konzentration fähig ist. Es fällt ihm dann leichter, seine ganze Aufmerksamkeit auf ein solches Objekt zu richten und alle anderen Gedanken auszublenden.
Hat das Objekt der Wahrnehmung kaum oder keinerlei Bedeutung für den Übenden, dann schweifen die Gedanken unweigerlich ab und der Übende ist versucht, Druck auszuüben, indem er sich zur Konzentration zwingt. Das führt zu mentaler Anspannung, zu einem Zustand, der der Meditation definitiv nicht förderlich ist.
Das Objekt der Wahrnehmung sollte sorgfältig ausgewählt werden. Es kann eine Manifestation des Göttlichen sein. Bei christlichem Hintergrund ist es häufig sinnvoll, ein Bild zu wählen, auf dem Christus oder eine andere biblische Gestalt abgebildet ist, auf das er seine ganze Wahrnehmung richten kann.
Kommt der Betreffende aus dem asiatischen Raum, dann ist eine mit dem Hinduismus oder Islam verbundene Inkarnationsform erfolgversprechender. Das ist natürlich keine allgemein gültige Regel. So könnte z.B. für einen Engländer eine Abbildung Buddhas ein ideales Objekt der Konzentration sein. Jeder muss selbst herausfinden, welches Bild für ihn/sie aufgrund seiner/ihrer Geschichte am besten geeignet ist, um sich damit zu verbinden.
Das Objekt, auf das du dich konzentrierst, braucht keine Inkarnation des Göttlichen zu sein. Es kann jede beliebige Person oder jedes beliebige Ding sein. Wichtig ist nur, dass es etwas ist, mit dem du dich automatisch identifizieren kannst. So kann es ein Kreuz sein, das Symbol für Yin und Yang, das Symbol für Om, eine Blume, der Mond, eine Kerzenflamme usw. Wichtig ist nur, dass es etwas ist, zu dem du dich ganz automatisch hingezogen fühlst, auf das du dich spontan und ohne jede Anstrengung konzentrieren willst.
Häufig glauben Menschen, dass es kein Objekt gibt, das für sie eine besondere Bedeutung hätte. Und dann widerfährt ihnen, nachdem sie verschiedene andere Meditationsformen ausprobiert haben, bei denen ein Objekt der Konzentration nicht erforderlich ist, dass plötzlich bei der Beobachtung der Gedanken eine Vision oder ein Bild auftaucht.
Dieses Symbol kommt aus den tieferen Bereichen ihres Geistes in ihr Bewusstsein. Das Bild drängt sich dem Meditierenden mit einer Intensität auf, die ihn überrascht. Er weiß sofort, dass es für ihn große Bedeutung hat, auch wenn ihm möglicherweise dasselbe Objekt zuvor absolut nichts bedeutet hatte.
Es kann sein, dass ihn die Form des Objektes sehr überrascht, da es seiner Kultur oder seiner Lebensweise sehr fremd ist. Widerfährt dir das, und das kommt häufiger vor als man denkt, dann solltest du dieses Symbol zum Gegenstand der Konzentration machen. Falls nötig, kannst du es malen oder in der Übung Trataka statt einer Kerzenflamme einsetzen, damit du fähig wirst, das Bild des Objektes im Inneren klar zu visualisieren.
Denke immer daran, dass es zu Beginn schwer sein kann, deine Aufmerksamkeit ausschließlich auf das von dir gewählte Objekt zu richten. Mit der Zeit und entsprechender Übung wird es dir jedoch immer leichter fallen. Nur Geduld und Ausdauer werden dir helfen. Durch Vorstellungen oder Gewohnheiten wird es dir immer besser gelingen, dich auf dein Objekt zu konzentrieren. Ganz allmählich wird sich dein Geist auf das Objekt richten und nicht länger abschweifen. Ein konkretes Objekt ist im Allgemeinen am besten geeignet, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, es können aber auch große Gedanken wie Liebe, Mitgefühl, Unendlichkeit, Existenz, Bewusstsein und vieles mehr sein.
Swami Satyananda Saraswati spricht über tantrische Meditation:
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/kriya-yoga2022-03-08T15:03:45+01:002022-03-11T12:42:57+01:00Kriya YogaChristian KnipsYoga wird in vielerlei Formen gelehrt. Eine davon beschäftigt sich aus psychologischer Sicht mit dem Bereich der Gedanken und zielt auf Konzentration und Zurückziehen des Geistes von den Sinneseindrücken aus der Außenwelt. Diese Yoga Form ist in der ganzen Welt bekannt, und die meisten Menschen wissen irgendetwas darüber.
Yoga wird in vielerlei Formen gelehrt. Eine davon beschäftigt sich aus psychologischer Sicht mit dem Bereich der Gedanken und zielt auf Konzentration und Zurückziehen des Geistes von den Sinneseindrücken aus der Außenwelt. Diese Yoga Form ist durch Patanjali in der ganzen Welt bekannt, und die meisten Menschen wissen irgendetwas darüber.
Man schaut dabei auf ein Objekt, schließt die Augen, zieht den Geist nach innen, vergisst alles und gleitet in die Meditation und hinüber in Samadhi. Diese Art der Meditationstechnik ist sehr beliebt, aber ich bezweifle, ob sie für einen Yogi wirklich erfolgreich ist.
Würde man die Gehirnwellen bei jemandem, der in dieser Weise meditiert, untersuchen, würde sich kein bemerkenswerter Unterschied zum normalen Bewusstsein zeigen. Es würde sich herausstellen, dass er im Schlummerzustand gelandet ist und nicht in der Meditation, auch wenn die Sinne nicht mehr mit äußeren Dingen beschäftigt sind.
Konzentration der Gedanken oder eine Meditation, um die man sich mit Gewalt bemühen muss, kann niemals zu wirklicher Meditation führen, sondern wird große Anspannung oder tiefen Schlaf hervorrufen. Mit dieser Schwierigkeit wird man immer konfrontiert, wenn man versucht, eine lange Zeit zu meditieren. Nun gibt es aber eine Yoga Form, in der die Konzentration der Gedanken und das Zurückziehen der Wahrnehmung aus der Außenwelt nicht vorausgesetzt werden, und das ist Kriya Yoga.
Kriya Yoga ist eine der leichtesten und gleichzeitig wirkungsvollsten Yoga Arten, die uns bekannt sind. Die Kriya Praxis verlangt keine unbewegliche Sitzhaltung und auch keine Konzentration der Gedanken. Auch wenn jemand nicht in der Lage ist, sich auf einen Punkt zu konzentrieren und die Gedanken ständig herumspringen, kann man trotzdem Kriya Yoga lernen. Wir lassen einfach alles geschehen.
Ja, es ist sogar so, dass man versucht, das Bewusstsein in Bewegung zu halten, anstatt die Gedanken zu konzentrieren. Man konzentriert sich nicht, sondern bewegt die Wahrnehmung von einem Punkt zum anderen in einer ganz bestimmten Reihenfolge, die genau zu beachten ist.
Das Wort Kriya bedeutet mentale Aktivität des Bewusstseins. Im Gegensatz zu anderen Yoga Arten versucht man nicht, die Gedanken zu beruhigen, sondern man bringt Bewegung hinein. Auf diese Weise werden Teile des Gehirns und das Nervensystem so aktiviert, dass die mentalen Energien ansteigen.
Die Kriya Übungsreihe sind in Sanskrit Texten alter tantrischer Schriften beschrieben. Einige davon sind von Sir John Woodroffe (Arthur Avalon, Anm. d. Übers.) übersetzt worden und in Französisch, Deutsch und Englisch erhältlich. Es gibt in der Tradition insgesamt 76 Kriya Übungen, von denen 27 bekannter sind. Wir können mit fünf oder sieben Kriyas beginnen, doch wer Kriya wirklich ernsthaft lernen möchten, sollte eine gute Vorbereitung durch Hatha Yoga haben. Erst dann sollte man sich einen Lehrer für eine Ausbildung suchen und mit Kriya Yoga als Sadhana beginnen.
Zu den Vorbereitungen für Kriya Yoga gehört ganz wesentlich die Kontrolle über das Atembewusstsein (Pranayama), die Wahrnehmung des psychischen Weges und einige einfache Kriyas. Auch das erlernen von einigen Mudras und Bandhas sowie der Umgang mit einem Mantra ist Voraussetzung.
Vorbereitung für Kriya Yoga
Wahrnehmen des Atems
Zuerst möchte ich mit wenigen Worten das bewusste Atmen erklären. Die Augen können offen oder geschlossen sein, die Gedanken können herumwandern oder konzentriert sein, man kann stehen oder sitzen, auch im Lotossitz – so, wie man sich am wohlsten fühlt – und nun wird man sich der Tatsache bewusst: Ich atme ein, ich atme aus. Drei Minuten wird fortlaufend der Atem wahrgenommen, dann folgt eine Pause. Es ist nicht nötig, zur Meditation in die Stille zu gehen. Selbst hier während des Vortrags lässt sich trotz Zuhörens drei Minuten lang ohne Unterbrechung der Atem wahrnehmen.
Indem man den Atem wahrnimmt, begegnet man seinem Geist. Durch die Atemwahrnehmung sieht man sein eigenes Bewusstsein und die eigene Wahrnehmung. Ob man sich dabei konzentriert oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Man muss sich jedoch an den Augenblick erinnern, wenn man sein Bewusstsein, seine Wahrnehmung wahrnimmt. Das muss man sich wieder und wieder ins Gedächtnis rufen.
Kreisen des Bewusstseins
Als nächste Vorbereitung entdeckt man den Geheimgang, die Passage, durch die der Atem oder das transzendente Bewusstsein auf- und abfließen kann. Dieser Gang befindet sich in der Wirbelsäule von der Basis bis zur Spitze, zu der Stelle, wo die Epiphyse liegt. Auf diesem inneren Weg wird der Atem mit offenen Augen und mit voller Wahrnehmung bewegt. Entscheidend ist die Wahrnehmung der "Bewegung". Das Wahrnehmen der Auf- und Abwärtsbewegung ist Kriya Yoga und führt zur Erweckung der Kundalini.
Wir kreisen nun in Gedanken und mit dem Bewusstsein von der Basis zur Spitze und von der Spitze zur Basis der Wirbelsäule, und damit erwecken wir hier eine Lebenskraft und einen magnetischen Strom. Wir beleben dadurch das sympathische und das parasympathische Nervensystem, unter dessen Kontrolle das gesamte nervliche Gleichgewicht steht.
Fünfzig Mal bewegen wir unsere Wahrnehmung durch die Wirbelsäule, und das ist eine der Kriya Übungen. Es ist eine ausgezeichnete Übung für Menschen, die einen Nervenzusammenbruch erlitten haben oder unter nervlicher Belastung, Neurosen, übermäßigen Ängsten und nervösen Schwankungen leiden.
Am unteren Ende der Wirbelsäule befindet sich ein bedeutungsvolles Zentrum, eine kleine Drüse, die in Yoga als Muladhara Chakra bekannt ist. Sie liegt im Perineum (Damm), zwischen dem Urin- und Ausscheidungsbereich. Die Haut in diesem Bereich, der bei Frauen bis in die Öffnung zur Vagina reicht und beim Mann bis zur Basis der Hoden, ist besonders reich an Nervenendungen.
Das parasympathische Nervensystem bringt das Gehirn mit dem übrigen Körper durch zwei Leitstellen in Verbindung. Von der einen, dem Muladhara Chakra, gelangen Impulse durch das parasympathische Nervensystem auf direktem Weg ins Gehirn. An der Spitze der Wirbelsäule ist das andere essenzielle Leitzentrum, die Epiphyse, und dies ist in Yoga das Ajna Chakra. Beide, Ajna Chakra und Muladhara Chakra tragen Impulse zum Gehirn, und sie bewegen sich dabei durch das parasympathische Nervensystem, von wo aus die endokrinen Drüsen kontrolliert werden.
Außer diesen beiden lebenswichtigen Zentren an der Basis und an der Spitze liegen noch weitere Leitstellen in der Wirbelsäule: Swadhisthana in der Kreuz- bzw. Steißbeingegend, Manipura im Bereich des Solar Plexus, Anahata in der Herzgegend und Vishuddhi im Halsbereich. Diese vier ebenfalls lebenswichtigen Zentren stellen durch das sympathische Nervensystem eine Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Körper her.
Alle unsere Körperempfindungen werden durch diese vier Zentren zum Gehirn befördert, zum einen auf dem Wege des sympathischen Nervensystems und zum anderen durch das parasympathische Nervensystem von Muladhara Chakra zu Ajna Chakra. Durch diese Zentren fließt Shakti, die Lebensenergie. Wir stimulieren unsere Shakti, indem wir durch den inneren Gang in der Wirbelsäule ein- und ausatmen. Der Name dieser Übung ist Ajapa Japa. Es ist eine wichtige Vorbereitung für Kriya Yoga.
Mudras und Bandhas
Als nächste Vorbereitung üben wir folgende Mudras und Bandhas, die man wirklich einwandfrei beherrschen muss: Jalandhara Bandha, den Kinnverschluss, Uddiyana Bandha, das Zurückziehen des Sakral Plexus, und Muladhara Bandha oder auch Mula Bandha, die Kontrolle über das Muladhara Chakra. Erst, wenn diese Vorbereitungen abgeschlossen sind, kann mit Kriya Yoga begonnen werden. Man sucht sich einen Lehrer, der in die Kriya Lehre einführen kann und von den sechsundsiebzig oder siebenundzwanzig Kriyas die lehrt, die für einen richtig sind.
Ich habe viel Forschung betrieben, um herauszufinden, welchen Einfluss Yoga auf den menschlichen Körper und sein Gehirn hat, und die Ergebnisse waren sehr ermutigend. Ich habe Menschen mit Selbstmordgedanken oder mit schweren Neurosen einige Kriya Übungen gelehrt, manchmal nur ein oder zwei, durch die sie wieder Freude am Leben gewinnen konnten.
Die Kriya Yoga Technik
Ich will hier nicht weiter in die Einzelheiten von Kriya Yoga eindringen, möchte aber eine einzige sehr einfache Übung jetzt beschreiben. Man setzt sich in ein Asana, am besten ist der Lotossitz oder Siddhasana. Beide Hände liegen auf den Knien, und man konzentriert sich auf das Perineum, den Bereich zwischen dem Ausscheidungs- und dem Harnsystem.
Ganz langsam wird nun dieser Bereich des Körpers nach oben und innen gezogen, und ganz langsam wird er wieder entspannt. Das macht man fünfzigmal und beobachtet, wie sich die Depression oder die Niedergeschlagenheit verändert. Ich könnte mir vorstellen, dass Depression durch diese Übung ganz geheilt werden kann.
Mula Bandha ist nicht schwierig und ist eigentlich nicht Kriya Yoga. Diese Übung aber ist so bedeutungsvoll, weil durch sie die Lebenskraft, Prana Shakti, erweckt wird, die am unteren Ende der Wirbelsäule ruht. Diese Lebenskraft ist als Kundalini, als Schlangenkraft bekannt.
Ich empfehle diese Technik besonders Menschen, die an nervösen Störungen und nervlichem Kollaps leiden, was zu Selbstmordversuchen und allen möglichen Arten der Lebensflucht führen kann. Auch dann, wenn die Gedanken sehr ruhelos und verwirrt sind, wenn man sich nicht eine einzige Sekunde konzentrieren kann, ist diese Übung sehr wirkungsvoll.
Sollte das noch keine Besserung bringen, kann man Vajroli Mudra anschließen. Hier konzentriert man sich auf den Unterbauch, bzw. auf die Basis des Urogenital Bereichs und zieht diesen Teil sehr langsam nach innen und nach oben. Man zieht die Blase und die Nieren als Ganzes nach oben und entspannt dann langsam. Das macht man fünfundzwanzigmal.
Bei ernsthaften körperlichen, mentalen oder emotionalen Störungen, die durch sexuelle Neurosen oder durch Hormonprobleme verursacht wurden, z.B. durch Blockaden in der Hormonausscheidung, sind diese speziellen Kriya Übung sehr hilfreich.
Die außerordentliche Wirkung ist folgendermaßen zu erklären: die Hypophyse, die in Yoga vom Sahasrara Chakra, dem tausendblättrigen Lotos, symbolisiert wird, steht in direkter Verbindung mit den Funktionen des Urogenital Bereichs, den Nieren und den Geschlechtsorganen. Der hintere Lappen der Hypophyse produziert zwei Arten von Hormon Gruppen, und durch diese Kriya Übung kontrolliert man nicht nur diese bestimmten Organe im Unterleib, sondern man reguliert ebenfalls die Hormonausschüttung im Gehirn.
Für wen ist Kriya Yoga geeignet?
Es ist nichts Geheimnisvolles um Kriya Yoga. Ich könnte die ganze Nacht darüber sprechen, aber eine Nacht ist nicht genug. Ich brauche mindestens sieben Tage, und deshalb kann ich dieses Mal nicht in die Übungen einführen.
Gerüchte gehen um, dass Kriya Yoga etwas sehr Geheimnisvolles ist, was die Meister nicht preisgeben wollen, oder dass nur Schüler werden kann, wer auserwählt und qualifiziert ist. Aber das ist ein Mythos. Es ist auch nicht korrekt, dass Kriya Yoga für Menschen, die im weltlichen Leben stehen, für Verheiratete, die nicht in Brahmacharya, im sogenannten Zölibat oder in Enthaltsamkeit leben, ungeeignet ist. Wenn dem so wäre, möchte ich behaupten, dass nicht in Dänemark und nirgends auf der Welt Menschen für Kriya Yoga qualifiziert sind.
Ich bin davon überzeugt, dass das Zölibat keinerlei Verbindung zum sexuellen Leben hat. Brahmacharya bedeutet vielmehr, dass die höchste Lebenskraft nicht im Genitalbereich, sondern im Gehirn konserviert wird. In der hinteren Hypophyse wird ein Hormon produziert und in die Hoden oder Eierstöcke getragen, und dadurch entsteht das, was wir als Ehe- oder Sexualleben bezeichnen.
Es ist also der Vorgang im Gehirn, der die entscheidende Bedeutung hat, und nicht das, was durch den Geschlechtsakt verloren geht. Weder Brahmacharya noch irgendwelche Philosophien vermögen diese Hormone im Gehirn zu halten. Das ist einzig und allein durch Konzentration oder Meditation oder durch die sehr wirkungsvollen Bewegungen, in denen die Lebenskraft durch Kriya Yoga wachgerufen wird, möglich.
Kriya Yoga und alle anderen Yogaformen sind für alle Menschen geeignet, die vorbereitet sind, ob nun verheiratet oder unverheiratet. Der Irrglaube, Kriya Yoga ließe sich mit dem Eheleben nicht vereinbaren, wird eindeutig in den alten tantrischen Weisheitsbüchern widerlegt: ‚Wer immer sich danach sehnt, die große Shakti Kraft in sich zu erwecken, ist qualifiziert für die Einweihung in Kriya Yoga, gleich ob verheiratet oder unverheiratet.‘
Ich habe viele Jahre lang Konzentration und Meditation gelehrt, auch Kriya Yoga, und konnte feststellen, dass sich diese Methoden sehr voneinander unterscheiden. Nach fünf Minuten der Konzentration und Meditation werden die Menschen unruhig, sie müssen sich kratzen oder sich bewegen und werden müde.
In Kriya Yoga ist das anders, denn ich fordere dazu auf, die Augen nicht zu schließen, sich nicht zu konzentrieren, sich zu bewegen, wenn es gewünscht ist. Man wird es kaum glauben, aber jetzt schließen die Menschen nach einigen Minuten ihre Augen und wollen in die Meditation hinein, und ich muss sie dort wieder herausholen. Es unterscheidet sich vollkommen von einem Start mit Konzentration.
Die Wahrnehmung wird in ganz bestimmter Weise hin- und herbewegt, und ich fordere auf, die Augen während der ganzen Übung offenzuhalten, ganz sicher sind sie aber nach einer viertel Stunde geschlossen. Wenn ich nun frage, was das soll, kommt als Antwort: "Swamiji, ich möchte so gerne meditieren, ich kann mit dem Kriya nicht weitermachen, es ist unmöglich." Ich werde sagen: "Nein, bitte lass deine Augen geöffnet und beginne nicht mit der Meditation. Bleibe außen, gehe nicht nach innen!" Aber das wird nur den Wunsch verstärken, die Augen zu schließen und nach innen zu gehen. Hat man jemals von so einer Meditationslehre gehört, wo der Schüler sich nach innen bewegen will, obwohl der Meister ihn außen halten will?
Kriya Übungen sind ungezwungen und leicht, nicht sehr systematisch und nicht tierisch ernst. Man zwingt seinen Körper in keiner Weise. Kriyas macht man ebenso beiläufig, wie du dich mit deinem Sohn, deinem Mann oder mit deiner Frau unterhältst oder ein Buch liest. In dieser lässigen und entspannten Haltung beginnt man mit der Bewegung der Wahrnehmung.
Was bewirkt Kriya Yoga?
Mit dem, was ich jetzt sage, will ich keine Werbung für LSD machen, ich bitte mich nicht falsch zu verstehen. Diejenigen, die Erfahrungen mit LSD haben und Kriya Yoga üben, sagen am Ende der Kriya Übungen, dass sie einen guten Trip gehabt haben. Der große Unterschied liegt darin, dass man in Kriya Yoga vollständige Kontrolle hat, und das ist bei einem LSD-Trip nicht der Fall. Geradeso, wie die Astronauten vom Mond zurückgebracht wurden, so lässt sich das Bewusstsein jederzeit von der höchsten Ebene zur ganz normalen Arbeit zurückbringen.
In Kriya werden die Bindungen an Raum und Zeit überschritten, aber nicht die Wahrnehmung. Man verliert sich nicht in der sogenannten unbekannten und trügerischen Ewigkeit, man bleibt mit den Füßen fest auf dem Boden. Wenn da nicht eine bestimmte Arbeit wartet, wenn es keine Familienpflichten gibt und auch keine Pflichten im Beruf, dann ist es gut möglich, nach den Kriya Übungen problemlos zehn Stunden zu meditieren. Rufen einen jedoch Pflichten in Familie oder Beruf, dann kann man jederzeit ins alltägliche Leben zurückkommen. Das heißt, man hat den Trip vollkommen unter Kontrolle.
Die erste Berührung mit Kriya Yoga war wunderbar für mich, aber ich habe damals nicht geahnt, wie sehr die Menschen nach dieser Lehre hungern, und so habe ich Kriya Yoga auch lange Zeit nicht gelehrt. Es war eine wohlhabende, aber sehr unglückliche Dame, die mir die Augen öffnete. Sie war selbstmordgefährdet und bat mich um Hilfe durch Yoga. Ich bat sie, mich zu Zeiten zu besuchen, in denen ich Kriya Yoga praktizierte, sodass sie einfach einige Kriyas mitmachen konnte, so etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten lang.
Das ist viele, viele Jahre her, und heute ist sie eine der glücklichsten Frauen, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Sie ist nicht nur für sich selbst nützlich geworden, sondern für Tausende von Menschen, weil sie dem Allgemeinwohl dient. Das Geld, das sie früher in Clubs und anderen Ablenkungen vergeudet hat, gibt sie jetzt in sinnvolle Projekte. Ich bin davon überzeugt, dass diese große Veränderung und das Erwachen und die Wiederbelebung neuer Energien nur durch diese wenigen wirkungsvollen Kriyas, die sie in diesen zwei bis drei Monaten mit mir geübt hat, erreicht worden ist.
Wir sehen, dass es zwei verschiedene Wege gibt. Der eine Weg führt über die Konzentration und die Meditation in Samadhi, und dafür muss sich der Geist von den Sinneseindrücken zurückziehen. Wer mit diesem Yoga Weg keine Probleme hat, kann so weitermachen. Wer jedoch Schwierigkeiten hat, weil die Gedanken nicht zur Ruhe kommen und wie ein aufsässiges Kind mit einem spielen, für den ist es wirklich besser, sich dem anderen Weg zuzuwenden und somit jeglichen Kampf mit den Sinnen und dem Verstand auszuschließen. Dazu sind gar nicht viele Kriyas nötig, fünf oder höchstens zehn, um besser mit den rebellischen Gedanken umgehen zu können.
Als ich dieses Jahr in Paris war, wurde ein dreitägiger Kriya Kurs veranstaltet. Das hat eine solche Begeisterung ausgelöst, dass ich schon nach drei Monaten wiederkommen und viele hundert Menschen unterrichten sollte. Ich habe sie nach dem Grund gefragt, warum sie mich so schnell nach Paris zurückholen, und ihre Antwort lautete: "Kriya Yoga hat das Leben meines Onkels (Bruders, Ehemanns...) so überzeugend und wunderbar verändert, dass ich unbedingt Kriya Yoga lernen und die Wirkung an mir selbst erfahren möchte." Das war die Resonanz in Paris, wo ich zum ersten Mal Kriya Yoga außerhalb Indiens lehrte.
Wie kann Kriya Yoga erlernt werden?
Wer ernsthaft daran interessiert ist, Kriya Yoga zu lernen, kann sich mit Asanas und Pranayama, mit Hatha Yoga, einigen Mudras und Bandhas, sowie ein paar vorbereitenden Kriyas und Ajapa Japa vorbereiten, und das dauert etwa vier bis fünf Monate. Dann kann man einen qualifizierten Lehrer suchen, der Kurse gibt und in Kriya Yoga einweihen kann. Oder du lernst Kriya Yoga direkt in einem Ashram.
Es gibt keine Nahrungsvorschriften, und Glauben, Religion, Alter, Status oder mentale Verfassung sind keine Barriere, um Kriya Yoga zu lernen. Wer von dieser Yogaform überzeugt ist, sollte nicht zögern und sofort mit den Vorbereitungen beginnen.
Kriya Yoga ist Teil von Tantra, und über die Tantra Shastras werde ich morgen Abend sprechen. Diese Lehre wurde der Menschheit vor über sechstausend Jahren vermacht. Heute kommen wir ihr wieder näher und können mithilfe dieser ungeheuren Kraft den Spannungen, der Zwietracht und allen sozialen und mentalen Problemen begegnen. Durch Kriya Yoga kann sich unser Bewusstsein entfalten.
Auszug aus dem Buch Yoga – Weg zur inneren Freiheit, von Swami Satyananda Saraswati. Erhältlich im Ananda Verlag
Swami Satyananda über Kriya Yoga:
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/kundalini-yoga2022-03-08T13:01:17+01:002022-03-11T12:48:17+01:00Kundalini YogaChristian KnipsDas menschliche Gehirn ist noch lange nicht vollkommen entfaltet, nur ein Neuntel seines Potenzials arbeitet in uns, während acht Neuntel im tiefen Schlummer liegen. Wären wir im Besitz dieser latenten Kräfte, wüssten wir sicher mehr über die Geheimnisse und Kräfte des Universums. Man kann allerdings nicht sagen, dass diese Zentren im Tiefschlaf liegen, es ist nur so, dass wir mit unseren Sinnesorganen nicht wahrnehmen, was dort abläuft, denn es gibt keine Zirkulation zwischen den unbewussten Bereichen mit dem dort angesammelten Wissen und den bewussten Bereichen.
Alle Yoga Formen lassen sich in drei Gruppen einteilen. Durch die Übungen der ersten Gruppe entsteht ein Zustand, der dem Zustand der Hypnose vergleichbar ist – die Wahrnehmung der Außenwelt lässt nach. Die Übungen der zweiten Gruppe erweitern das Bewusstsein durch einen psychologischen und transzendenten Ablauf. Die Übungen der dritten Gruppe sind sehr wirkungsvoll, es ist jedoch kein psychologischer Vorgang, sondern hier wird mit den Muskeln und Drüsen des Körpers gearbeitet.
Durch Übungen der ersten Gruppe löst sich das Bewusstsein des Schülers so weit auf, bis er in einen Zustand kommt, der als Jada Samadhi bekannt ist und sich wie eine Art Leichenstarre ausdrückt. Durch die Übungen der zweiten Gruppe wird eine Ausdehnung des Bewusstseins erzeugt, sodass sich die Psyche vollkommen öffnet, was unabhängig vom Körper geschieht. Mit den Übungen der dritten Gruppe entwickelt man bestimmte Fähigkeiten und Körperdrüsen, die die Körperzellen verändern.
Große Yogis haben die Erfahrung gemacht, dass im physischen Körper bestimmte Muskeln, Drüsen und Organe existieren, die sich im Laufe der fortschreitenden Evolution manifestieren, die aber zur heutigen Zeit bei den meisten Menschen unentwickelt sind.
Erweckung der Kundalini
Meditation kann durch bestimmte psychologische und psychosomatische Vorgänge eingeleitet werden. Für diejenigen, denen diese Übungen Schwierigkeiten bereiten, gibt es Übungen, durch die verschiedene psychosomatische Drüsen im Körper erweckt werden, in denen ebenso eine gewisse Energie schlummert. Das ist Kundalini Yoga. Er gehört zu den kraftvollsten Yoga Formen. Durch Kundalini Yoga können ruhende Fähigkeiten erweckt werden, die in der psychischen Struktur des Menschen eingebettet sind.
Das menschliche Gehirn ist noch lange nicht vollkommen entfaltet, nur ein Neuntel seines Potenzials arbeitet in uns, während acht Neuntel im tiefen Schlummer liegen. Wären wir im Besitz dieser latenten Kräfte, wüssten wir sicher mehr über die Geheimnisse und Kräfte des Universums. Man kann allerdings nicht sagen, dass diese Zentren im Tiefschlaf liegen, es ist nur so, dass wir mit unseren Sinnesorganen nicht wahrnehmen, was dort abläuft, denn es gibt keine Zirkulation zwischen den unbewussten Bereichen mit dem dort angesammelten Wissen und den bewussten Bereichen.
Die Chakras im Kundalini Yoga
Durch Kundalini Yoga können wir eine Verbindung zwischen unserem Wachbewussten und dem Unbewussten herstellen. Damit können wir das Wissen, das im Unbewussten ruht, dem Intellekt, dem Verstand und der Wahrnehmung zugänglich machen. Durch das Sadhana der Kundalini Übungen werden verschiedene Zentren und Energiekreisläufe erweckt und, indem wir mit diesen Kreisläufen Verbindung aufnehmen, können wir direkt auf die schlafenden und untätigen Gehirnbereiche einwirken.
Am unteren Ende der Wirbelsäule, in Verlängerung derselben, liegt zwischen dem Geschlechtsbereich und dem Urogenitalsystem eine Drüse. Sie ist noch nicht entwickelt und braucht einen kleinen Anstoß, um zu erwachen. In den Yoga Shastras ist diese Drüse als Muladhara Chakra bekannt, als das Wurzelzentrum. Aus diesem Körperorgan steigen die astral erzeugten Bilder auf, und durch seine Entfaltung können die geistigen und okkulten Fähigkeiten, die im Muladhara Chakra ruhen, hervortreten.
Diese Erweckung wird nicht durch unnatürliches Hämmern und Stoßen geschehen. Vielmehr gibt es Yoga Übungen, durch die dieses Organ mit mehr Prana versorgt wird. Ob man es nun als Muskel, als Drüse, Chakra oder Nervengeflecht bezeichnet, in Yoga ist es das Wurzelzentrum, in dem sich die Lebensenergie zusammengerollt hat. Wenn sie erwacht, steigt sie durch alle anderen psychischen Zentren durch die Wirbelsäule nach oben.
Das nächste psychische Zentrum liegt am untersten Ende der Wirbelsäule. Sein Name ist Swadhisthana Chakra, was so viel bedeutet wie das eigene Zuhause. Dann folgt das Manipura Chakra. Es liegt in Höhe des Nabels in der Wirbelsäule und sein Name bedeutet Stadt der Juwelen. Das vierte Zentrum, ebenfalls in der Wirbelsäule, liegt hinter dem Herzen, Anahata Chakra; Anahata bedeutet unangeschlagener Ton.
Das fünfte Zentrum ist das Vishuddhi Chakra und liegt in der Halswirbelsäule, Vishuddhi bedeutet Läuterung. Das sechste Zentrum liegt am oberen Ende der Wirbelsäule, in Höhe der Epiphyse; sein Name ist Ajna Chakra. Ajna ist der Befehl, der Auftrag, und hier kann alles Wissen intuitiv erfasst werden.
Am Hinterkopf tragen hinduistische Priester normalerweise einen längeren Haartuff, hier liegt ein weniger bekanntes Zentrum. Sein Name ist Bindu Visarga und bedeutet, die Quelle des dort entspringenden Nektars. In der Krone des Kopfes befindet sich hinter der Fontanelle das Sahasrara Chakra, der tausendblättrige Lotus.
Wer sich auf den spirituellen Weg begibt, wird versuchen, die im Muladhara Chakra ruhende Lebenskraft zu erwecken und sie durch alle noch schlummernden Energiezentren nach oben zu bewegen. Ebenso wie ein Elektriker eine Lampe an den Energiekreislauf anschließt, so verbindet der Yoga Schüler die erwachte Lebenskraft mit diesen Zentren, sodass sie in Bewegung kommen und ihre geistigen Kräfte wirksam werden.
Mula Bandha
Wenn alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich die Kundalini Energie auf diesem Wege erwecken, aber man muss die Regeln genau beachten. Eine der wichtigen Übungen ist Mula Bandha, das Kontrahieren des Dammbereichs. Wenn die Lebenskraft aufbricht, ist der ganze Körper durch Mula Bandha unter Kontrolle. Normalerweise wird das Zusammenziehen der Muskeln durch eine Art Blockade unter Kontrolle gehalten, und es ist schwierig, diese Blockade zu lösen.
Der größten Schwierigkeit begegnen wir in Kundalini Yoga und Tantra, wenn diese Blockade aufgelöst und zur Entspannung gebracht werden soll. Es ist so, als wenn Rektum, Wirbelsäule, Verdauungsperistaltik, ja jede Muskeltätigkeit des Dehnens und Zusammenziehens blockiert sei. Jetzt ist es wichtig, dass der Guru neben dem Schüler steht und dafür Sorge trägt, dass alle Blockaden sich lösen können. Um Kundalini zu erwecken, werden Kriya Yoga Techniken (Kriyas) benutzt und diese werden immer vom Guru (oder einem autorisierten Yogalehrer) an den Schüler weitergegeben.
Diese Kriya Yoga Techniken bestehen aus Übungsreihen, welche eine Kombination vom Pranayama, Asanas und Mantras sind. Diese Übungen sollten von einem Anfänger nicht bloß aus einem Buch gelernt werden, sondern in Form einer Ausbildung durch einen Guru oder geeigneten Lehrer vermittelt werden.
Vorbereitung durch Hatha Yoga
Kundalini Yoga erfordert einen reinen, sauberen Körper, und deshalb sind die Hatha Yoga Techniken, die aus sechs Reinigungsübungen bestehen, Voraussetzung. Eine achtsame Ernährung ist ebenfalls wichtig, denn in dem Moment, wenn Kundalini erwacht, steigen alle in den Därmen angesammelten Gase nach oben und drücken auf das Herz. Entstehen durch die Ernährung starke Blähungen, wird man anstelle von spiritueller Erleuchtung starke Herzschmerzen erleiden.
Es gilt, alle diese Regeln unbedingt zu befolgen, nur so wird die Lebenskraft ohne Probleme durch die verschiedenen Zentren fließen. Natürlich kann eine Vereinigung der individuellen mit der kosmischen Energie nicht von heute auf morgen stattfinden, es braucht Monate und Jahre. Es ist auch möglich, dass die erwachte Energie monatelang an einem Platz festsitzt und Empfindungen wie Hitze, elektrische Aufladung und Magnetismus hervorruft. Sie wird selbständig versuchen, weiter aufzusteigen, es bewegt sich aber nichts, sie bleibt einfach dort, und in manchen Fällen stirbt sie langsam ab.
Der Yogaschüler, der solche Erlebnisse hat, sollte wissen, dass diese Erfahrungen ausschließlich subjektiv sind und dass keinerlei Zusammenhang mit den Kundalini Übungen besteht. Er sollte sein Verhalten und seine Handlungen in dieser Zeit gut überprüfen. Während des Erwachens wird das Verhalten manchmal befremdlich sein, man empfindet Ärger, schläft schwer, fühlt sich lethargisch, intuitive Geistesblitze tauchen auf, die Energie quillt über, Überempfindlichkeit oder gefühlsbetontes Mitleid oder Trägheit treten auf.
Dies sind verschiedene Symptome, die Begleiterscheinungen einer aufsteigenden Kundalini sein können und den Hitzeempfindungen folgen. Hitzeempfindungen allein bedeuten noch nicht, dass Kundalini erwacht ist, dies ist erst dann der Fall, wenn die Symptome im Verhalten ebenfalls vorhanden sind. Es ist eine große Seltenheit, wenn die Lebenskraft direkt in die oberen Zentren schießt, ohne sich in den unteren Zentren aufzuhalten.
Ganz allmählich, vielleicht über Wochen oder Monate hinweg, steigt die Kundalini Energie zum nächsten Zentrum, bewegt sich aber wieder zurück und zeigt sich in Form von allerlei Symptomen und Empfindungen. Reinheit, Intensität und spirituelles Durchhaltevermögen sind jetzt ganz besonders wichtig.
Wenn der Yogaschüler im Bereich seines Unbewussten sehr gestört ist, wenn er unter Einschränkungen und Verboten, die unerfüllt und nicht korrigiert werden konnten, leidet, dann wird die Kundalini Energie wieder hinabsteigen, und er wird wieder ein ganz normaler Mensch. Solange sie nicht das Manipura Chakra erreicht hat, kann sie jederzeit wieder nach unten sinken. Hat sie jedoch einmal Manipura Chakra überschritten, ist die Möglichkeit des Fallens kaum noch gegeben.
Auf dem Wege bis zum dritten Chakra gibt es so viele Versuchungen, und viele Schüler der Geisteswissenschaften geraten durch das Auftauchen übernatürlicher Kräfte und intuitiver Wahrnehmungen auf Abwege. Sie werden zu Heilern oder bringen ihre übernatürlichen Kräfte auf andere Weise zum Ausdruck, aber ihre Kundalini wird nicht mehr weiter aufsteigen.
Swami Satyananda spricht über die Erweckung der Kundalini:
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/yantra2022-03-07T10:30:00+01:002022-03-07T10:42:32+01:00YantraAnanda Verlag Admin
Das Wort `Yantra' stammt aus der Wurzel Yam - festhalten, und dem Zusatz tra, was Instrument bedeutet. Yantra ist also ein Instrument, um das Bewusstsein oder die Bewusstheit zu halten.
Das Wort Yantra stammt aus der Sanskrit Wurzel Yam – festhalten, und dem Zusatz tra, was Instrument bedeutet. Yantra ist also ein Instrument, um das Bewusstsein oder die Bewusstheit zu halten.
Ein Yantra ist eine Art geometrisches Diagramm, bestehend aus Dreiecken (mit der Spitze nach oben oder nach unten weisend, Shiva oder Shakti repräsentierend), Kreisen, Quadraten, Hexagons, Pentagons usw. Yantras können auf Papier, Holz, Stoff oder jedes andere Material gezeichnet werden, auch direkt in den Sand oder die Erde. Ein Yantra ist die sichtbare Schwingung eines Mantras.
Das alte yogische Wissen über Yantras wurde als Hilfe zur inneren, spirituellen Erfahrung betrachtet. Yantra ist Symbol für Bewusstsein oder tiefere Ebenen der Psyche, was sich im Wachbewusstsein in geometrischen Formen manifestiert. Ein Künstler z.B. hat das innere Bild einer Blume oder des Meeres, und wenn er das malt, dann ist das Bild nicht eine Erfahrung seines Pinsels, sondern die seines Bewusstseins. Genauso geht es einem Yogi, der in das Unbewusste eintritt und dort Schwingungen, Gestalten und Erfahrungen in Form dieser geometrischen Muster begegnet.
Wir finden diese Yantras und Mandalas nicht nur in der tantrischen Kultur, sondern auch im alten Kabbalasystem der Juden. Sowohl in der vorchristlichen Mystik Europas wie im alten Ägypten, in China, in Tibet und Japan waren sie bekannt und galten als heilig. Obwohl die Yantras im Tantra meistens geometrische Formen aufweisen, können sie doch aus fast jeder Form bestehen.
Im alten Ägypten galten auch menschliche und tierische Formen als Yantras. Es können auch Bilder von Durga, Kali, Hanuman, Shiva und anderer Gottheiten des Hinduismus wie auch jeder anderen Religion sein. Diagramme von Gottheiten findet man besonders im Tantra des tibetischen Buddhismus. Es wird auch angenommen, dass die Christen das Kreuz als Yantra oder Mandala benutzten.
Die Eskimos ritzten Mandalas in große Steine und die Kunst vieler alter Kulturen, – der Indianer, der australischen Ureinwohner u.a. - geben Zeugnis davon, dass Yantras und Mandalas benutzt wurden.
In Kriya Yoga und Kundalini Yoga kannst du in jedem Chakra ein Yantra finden. Wenn man sich auf diese Energiezentren konzentrieren will, ist es viel einfacher, das Symbol, dass das Chakra repräsentiert, zu visualisieren, als das Chakra selbst.
Das Bewusstsein ist ohne Gedanken nicht zu erfassen. Durch unsere Gedanken lernen wir zwar unser Bewusstsein kennen, da es jedoch formlos ist, ist es unmöglich, es intellektuell zu begreifen. Yantras werden benutzt, um die Kraft des Unbewussten in Form zu bringen.
Yantras sind Zeichen deiner Frustrationen, deiner mentalen Probleme, die du nicht kennst und vielleicht niemals kennen wirst. Alles, was du in deiner Kindheit erfahren hast, Traumas, emotionale Krisen usw., ist irgendwo im Bewusstsein gespeichert und vergessen. Im späteren Leben entstehen vielleicht Probleme durch die verursachten Blockaden. Unbewusst spürst du etwas, weißt aber nicht, was es ist.
An diese Art von Problemen kommst du heran, wenn du mit einem Yantra arbeitest, indem du dich auf die Form des Yantras, das für deine Persönlichkeit passend ist, konzentrierst. Angstkomplexe, unterdrückte Ambitionen, Emotionen usw., werden langsam aus dem Bewusstsein verschwinden. Yantras bringen das Unbewusste auf friedlichem Wege zum Ausbruch.
Wenn du ein Yantra nimmst, was von einem Meister, der sich in dieser Wissenschaft auskennt, für dich ausgewählt wurde und du es an die Wand hängst, immer wieder darauf meditierst, wird es sofort auf dein Unbewusstes einwirken.
Auszug aus dem Buch: Sure Ways to Self Realisation – Swami Satyananda Saraswati
Yantra: Karten des Bewusstseins
Die Grundlage von Mantra ist Nada - feine Klangschwingung, welche die erste Verkörperung von Energie ist. Es ist eine Frequenz von Schwingung, eine Frequenz von Bewusstsein und eine Frequenz von Energie. Diese drei Komponenten nehmen wir mit einem Mantra wahr: die natürliche Schwingung von Nada, das Entstehungsprinzip; der natürliche Nada der eigenen Wahrnehmung; und der natürliche Spandan, Schwingungen der Urenergie.
Diese Schwingungen bringen eine Transformation in der normalen sensorischen menschlichen Persönlichkeit mit sich, weil sie den Geist und das Bewusstsein sensibilisieren, die subtilen im Körper innewohnenden Energieströme zu erfahren. Mantras werden zur Vertiefung von Konzentration verwendet und um Zugang zu den tieferen Ebenen des Geistes zu erhalten.
Beim Zugang zu den tieferen Bereichen des Geistes sind wir zuerst der Beobachter, der Drashta. Nachdem wir diese inneren Bereiche beobachtet und wahrgenommen haben, werden wir zum Bhokta, dem Experimentierenden mit diesen Erfahrungen. Mit Mantras beginnen wir die feinen Ebenen zu sehen, die innerhalb der Dimensionen von Bewusstsein und Energie existieren.
Sobald ein Verständnis und ein Gewahrsein der Schwingungsdimension vorhanden sind, beginnen wir diese zu erfahren. Der ganze Körper beginnt in Übereinstimmung mit diesem inneren Spandan zu schwingen, der Geist schwingt in ihm mit. Das ist die Erfahrung von Anandamaya Kosha.
Yantras: Symbole des Bewusstseins
Mantras haben auch eine Form, eine Gestalt, sie heißt in Sanskrit Yantra. Es wird angenommen, dass jeder Gedanke eine Form hat, jedes Gefühl, jeder Wunsch, jeder geistige Ausdruck eine Form hat. Alles, was vom Geist geschaffen wird, wird von den Sinnen erkannt und ist damit mit den Sinnen erfahrbar. Diese Formen sind auch ihrer Natur nach mit den Sinnen erfahrbar. Eine Form kannst du mit deinen Augen sehen, die Fähigkeit des Sehens erkennt aktiv diese Form. Du hörst einen Ton, die Ohren nehmen ihn auf, aktiv erkennen sie den Ton.
Jedes Sinnesorgan, das sein Potenzial ausdrückt, zeigt dabei an, dass es eine tiefe und deutliche Sinnesverbindung des Geistes und der gröberen Sinne, mit allem, was wir erleben, gibt. Aus dieser Sinnesverbindung und Identifikation herauszukommen ist sehr schwierig, denn wenn du es tust, verlierst du gleichzeitig dein Körperbewusstsein. Yantras weisen auf einen Prozess des Wissens und des Erkennens hin, bei dem du diese sensorische Körperidentifikation überwinden kannst. Yantras sind subtile Archetypen, die inneren Symbole des Bewusstseins.
Die erste Ebene von Symbolen: Sinneseindrücke
In den frühen Tagen der modernen Psychologie sprach Jung über die Symbole von Bewusstsein. Er deutete diese Symbole als unterschiedliche Bilder, die sich uns in Zeiten von Entspannung oder Schlaf, oder in Form von Erinnerungen, Rückerinnerungen oder Träumen zeigen. Er nannte sie Symbole des Unbewussten. Wenn wir heute aber die Symbole des Bewusstseins zu analysieren beginnen, entdecken wir, dass sie viele Ebenen und Schichten von Erfahrungen haben.
Die ersten Symbole, die realisiert, gesehen oder visualisiert werden, sind Sinneserfahrungen, die der Geist in Form von Symbolen wahrnimmt. Häufig erleben Menschen die Ereignisse des Tages oder der Vergangenheit in Träumen. Die Ereignisse oder Erinnerungen, die ihre deutlichen Eindrücke im Bewusstsein hinterlassen, werden als Archetypen bezeichnet.
Dies sind sensorische Archetypen und während des Schlafes werden sie durch etwas ausgelöst, sodass der Schlafende sie als Träume erlebt. Manchmal reicht ein Gedanke, um sie auszulösen, manchmal reicht ein besonderer Stresspegel der Persönlichkeit aus, um eine Erinnerung an ein Erlebnis auszulösen. Bei allem, was wir sehen, steht der sensorische Input am Beginn. Das ist die erste Ebene der Symbole.
Die Sinne kommunizieren durch Sprache und Bewegung. Wir kommunizieren durch Sprache und Bewegung. Ich spreche, und gleichzeitig bewege ich meine Hände. Du hörst mir zu, und du siehst dieser Bewegung zu. Unser ganzes Leben lang drücken wir uns durch Sprache und Bewegung aus, um unsere Wahrnehmungen zu erkennen, zu verbinden oder anderen zu beschreiben. Sprache und Bewegung werden zu Archetypen der Sinne im unbewussten Geist. Alles, was erlebt wird, wird im Unbewussten gespeichert, wie auf der Festplatte eines Computers.
Was immer wir in einem Computer speichern, bleibt dort, bis wir es abrufen. Doch auch wenn wir die Information löschen und die ganze Festplatte reinigen, ist es immer noch möglich, die gelöschte Information von einer leeren oder gesäuberten Festplatte zu entpacken. Die Information bleibt in Form von elektronischen, Laser- oder magnetischen Eindrücken oder in irgendeiner anderen Form. In gleicher Weise ist es einem Menschen nicht möglich, alles vollständig aus dem Geist zu löschen, denn einige Eindrücke werden immer bleiben.
Auch wenn du glaubst, eine Situation schon viele Monate oder Jahre überwunden zu haben, so wird sie plötzlich vor dir aufblitzen und du wirst wieder in gleicher Weise Erinnerung und Emotion, Empfindung, Gefühl, Gedanke oder Stimmung erleben. Woher kam das, von dem du glaubtest, du hättest es verarbeitet? Plötzlich merkst du, dass das Überbleibsel, der Schwanz, noch da ist, und das ist der Archetyp. Die Erinnerungen, visuelle und sensorische Eindrücke, werden zu Archetypen.
Yantras: Nonverbale Symbole
Ein weiterer Bereich von Symbolen ist nonverbal. Nichtverbale Symbole liegen außerhalb der Reichweite der Sinne und stellen die Bausteine der Persönlichkeit dar. Sie sind nicht das, was wir durch die Sinne aufnehmen, verstehen und analysieren, sondern das, was wir in der Form unseres Charakters, unserer Natur, unseres Verhaltens, unserer Persönlichkeit, unserer Einstellung und unserer Mentalität in dieses Leben mitgebracht haben.
Als Person kamst du mit bestimmten Eigenschaften und Grenzen. Diese Eigenschaften entwickeln sich, und die Begrenzungen entwickeln sich auch. Du erlebst dich selbst jetzt, mit beidem, deinen Schwächen und Stärken. Du weißt jedoch nicht, was deine Stärken und Schwächen sind, bis du die Archetypen oder Samskaras erkennst, die deine Persönlichkeit zu der gemacht haben, die sie jetzt ist.
Transzendentale Symbole
Die dritte Gruppe von Archetypen ist übersinnlich und transzendental. Das sind die Landkarten von Bewusstsein, Yantras, geometrische Formen, die von Yogis im Stadium tiefer Meditation bildhaft erfahren wurden, wenn sie versuchten, die feinen Schwingungen in ihren eigenen Körpern und im Kosmos zu erfahren und zu verstehen. Was sie hörten, waren Mantras und was sie sahen, waren Yantras. Auf dieser Ebene des Bewusstseins sind die Eindrücke oder Symbole transsensuelle, oder übersinnliche, Wahrnehmungen.
Yantras wurden auch dann gesehen, wenn die Yogis versuchten, das formlose höchste Element durch Visualisierung zu erfassen. Was ist die Vision des Formlosen? Sie zeigt sich, wenn du, anstelle einer vorgestellten materiellen Form, das essenzielle Element wahrnimmst. Es ist das, was noch keine materielle Form angenommen hat, aber dennoch existiert.
Tantra Yoga erklärt, dass der Shivalingam die symbolische Darstellung des formfreien Shiva ist, während das Bild von Shiva als Person seine Darstellung in manifester Form ist – er trägt eine Tigerhaut, Schlangen winden sich um seinen Nacken, die Ganga fließt seine Locken herunter. In gleicher Weise hat das Bildnis von Durga als Göttin in der Darstellung der manifesten Form denselben Aspekt, doch das Durga Yantra symbolisiert die formfreie Durga.
Yantras sind Symbole der formlosen transzendenten Realität mit unterschiedlicher Bedeutung. Wie kannst du dir das vorstellen, was nichts ist? Wie willst du das betrachten, was du nie gesehen hast? Was ist die formfreie Darstellung von Wasser? H2 und O, zwei Teile Wasserstoff und ein Teil Sauerstoff?
Wenn diese beiden sich vereinen, werden sie zu Wasser; dessen Form kannst du sehen. Wenn sie getrennt sind, kannst du sie mit bloßen Augen nicht sehen. In diesem Fall ist die Formel die formlose Darstellung. In gleicher Weise ist ein Yantra eine symbolische Darstellung des unendlichen Prinzips.
Yantras können auch in Träumen erscheinen, wenn der Geist die Sinne und die grobe physische Wahrnehmung umgangen hat.
Yantras: Werkzeuge für die Transformation
In der indischen Yoga Tradition ist der Gebrauch von Mantra und Yantra gleichbedeutend mit Bhakti Sadhana. Mantra und Yantra schaffen einen Geisteszustand, der die Emotionen kanalisieren und reinigen kann, indem sich der Suchende mit dem Gegenstand der Verehrung, dem Ishta, verbindet.
Bhakti ist eine Gemütsverfassung, eine Geisteshaltung – wie auch Eifersucht, Hass, Liebe, Mitgefühl, Gier, Arroganz usw. – Geisteshaltungen verbinden dich meist mit der materiellen Welt, Bhakti hingegen verbindet dich mit dem Objekt deiner inneren Bestimmung.
Die alten indischen Schriften haben Bhakti Yoga auf viele Weisen definiert. Shri Krishna beschreibt in der Bhagavad Gita Bhakti als den Prozess einer positiven qualitativen Veränderung der eigenen Geisteshaltung und Lebenseinstellung. Tatsächlich betonen alle Aussagen zu Bhakti die Notwendigkeit, die Ausschweifungen des Geistes anzuhalten und den Geist auf das Objekt deiner inneren Bestimmung zu richten.
Die höchste Stufe von Bhakti ist Atma Nivedan, die Aufgabe des Selbst. Doch am Anfang steht die positive und qualitative Transformation des groben, niederen Geistes. Diese wird mithilfe von Mantras und Yantras erreicht, denn sie schaffen eine Verbindung mit dem Element des Höchsten.
Die Struktur von Yantras
Yantras sind geometrische Konfigurationen. Sie bestehen größtenteils aus Dreiecken und Kreisen, die innerhalb eines quadratischen Rahmenwerks angeordnet sind. Die geometrische Grundfigur ist die Linie. Aus der Sichtweise von Yoga und Tantra ist eine Linie die einzige Möglichkeit, das Unbekannte auszudrücken. Sie ist das Symbol von Raum. Aus der Linie entstehen Dreiecke. In Yantras gibt es zwei Arten: auf der Spitze stehende (invertierte) und auf der Grundlinie stehende Dreiecke. Das auf der Spitze stehende Dreieck steht für Energie und das auf der Grundlinie steht für Bewusstsein.
Im invertierten Dreieck steht die obere, horizontale Linie für Raum, die linke Linie, nach unten zeigend, steht für Zeit, und die rechte Linie, nach unten zeigend, steht für Objekt. Raum, Zeit und Objekt: das, was vom Einzelnen erkannt und gelebt wird. Wir leben in der Dimension von Zeit, Raum und Objekt, welches die Dimension von Shakti ist, dargestellt durch das auf der Spitze stehende Dreieck. Die Zeit zeigt nach unten und die Wahrnehmung von Objekten durch die Sinne zeigt ebenfalls nach unten. So wird das hängende Dreieck zum Symbol für Shakti.
Auch das Chakra System stellt diese abwärts zeigende Bewegung von Energie dar, vom Transzendenten zum Groben; herunter von Sahasrara abwärts durch die verschiedenen Chakras, zu Muladhara. Diese Abwärtsbewegung weist auf das, was bindend, einschränkend und begrenzend ist. Du kommst herunter in einen begrenzten Zustand der Sinne, des Geistes, des Bewusstseins und der Energie.
Das aufrechte Dreieck des Bewusstseins ist in umgekehrter Weise definiert. Die gerade Linie, die Raum darstellt, ist die Grundlinie, und die Linien von Zeit und Objekt dehnen sich nach oben aus und treffen sich im Raum. Wenn das Shakti Prinzip, das auf der Spitze stehende Dreieck, aktiv ist, dann kommen wir von der transzendenten oder reinen Ebene der Existenz herunter auf die begrenzte, niedrigere Ebene.
Wenn Bewusstsein aktiv wird, kehrt sich der Prozess um. Jetzt geht unsere yogische und spirituelle Reise aufwärts. Die Kundalini erhebt sich aus Muladhara und geht hoch zu Sahasrara. Die Aufwärtsbewegung ist die Richtung zur Freiheit und die Abwärtsbewegung ist die zur Unfreiheit. Die Dreiecke versinnbildlichen diese Reise.
Der Kreis ist eine andere Komponente des Yantras. Er versinnbildlicht das Rad des Lebens, den Kreislauf von Leben und Tod. Im Leben und im Tod sind es die schwingenden Archetypen der Yantras, die uns über unseren gegenwärtigen Zustand hinaus auf höhere Ebenen der Evolution führen. So wird das Rad von Leben und Tod zu der Dimension, in der Fortentwicklung oder Rückentwicklung von Bewusstsein und Energie wahrgenommen, erfasst und erlebt wird.
Visualisierung von Yantras
Das Visualisieren von Yantras im Zustand tiefer Konzentration und Meditation schafft ein kraftvolles Energiefeld im Geist. Wer die Meditation Trataka, den konzentrierten Blick, auf eine Kerzenflamme übt, wird wissen, dass die Übung den Geist ruhig werden lässt. Sogar Menschen, die an Schlaflosigkeit leiden, können leichter einschlafen, wenn sie Trataka richtig üben. Der Geist fokussiert sich ganz auf das Symbol, und die Geisteshaltung und Stimmung verändern sich völlig.
Trataka ist visueller und mentaler Natur. Wenn es dir möglich wird, das Yantra innerlich zu sehen, zu visualisieren, wenn dir das Yantra spontan zu Gesicht kommt, betrittst du eine andere Dimension des Bewusstseins. Es ist, als bewegtest du dich vom Wachsein zum Träumen, aus dem Traumzustand auf die pranische Ebene, und von der pranischen Ebene in den Schlaf.
Die Bewegung vom Wachzustand zum Träumen zeigt einen Wechsel der Bewusstseinsebene. Im Traumzustand lebst du das, was deine Sinne und dein Geist im Wachzustand erlebt haben. In der gleichen Weise erreichst du eine veränderte Bewusstseinsebene, wenn du dich auf ein Yantra fokussierst.
Niemand hat vollständige Klarheit über die Verwendung von Yantras. Allerdings haben diejenigen, die ein Verständnis von Yantra erlangt und in ihren jeweiligen Bereichen angewendet haben, viele kreative Vorteile gewonnen. In der Schweiz und in Frankreich wurden Experimente mit Schulkindern durchgeführt. Unter den jungen Schülern wurde ein Yantra Malbuch verteilt. Drei bis sechs Monate lang sollten sie im Kunstunterricht nur die Yantras ausmalen, und nicht das, was sie sonst gemalt hätten, wie Häuser, Bäume, Berge, Flüsse, die Sonne, den Mond usw.
Die Kinder sahen die Yantra Symbole ständig, und die Visualisierung der Yantra Symbole veränderte ihre zerstreuten Denkmuster. Die Aufgabe, die Yantras auszumalen, wirkte wie ein meditativer Prozess, weil sich die Kinder beim Ausmalen auf die Yantras konzentrieren mussten. Die Auswirkungen zeigten sich nach drei oder vier Monaten deutlich im Vergleich mit den anderen Kindern, die in normalen Malbüchern gemalt hatten.
Denn es erwies sich, dass sich ihre Auffassungs-, Merk- und Ausdrucksfähigkeiten durch die Fokussierung auf die Yantras vergleichsweise deutlich verbessert hatten. Der Schweizer Dr. Jacques Coulon schrieb in einem seiner Bücher zum Ausmalen von Yantras, dass dies die Fähigkeit von Kindern verbessere, Informationen zu erfassen und zu behalten sowie ihr kreatives Ausdrucksvermögen steigere.
Das Finden deines Yantras
Indem das Abbild eines Yantras, ein äußeres Symbol, fokussiert wird, ist es möglich, das eigene Mantra zu erkennen, weil der Übende eine tiefere Geistesstufe betritt.
Um dein eigenes Yantra, die (Land-)Karte des Bewusstseins, zu entdecken, kannst du mit etwas Einfachem beginnen, mit einem Punkt. Erlaube dem Yantra, sich daraus selbst aufzubauen. Das Yantra, das sich natürlich aufbaut, spiegelt den Stand deiner Entwicklung zu diesem gegebenen Zeitpunkt wider.
Häufig wählen Menschen ein Yantra, weil es ihnen gefällt und sie sich davon angezogen fühlen und beginnen mit der Übung eines Sadhanas. Du weißt, dass das Shri Yantra ein kraftvolles Shakti Mantra ist, deswegen nutzt du es zur Meditation. Du sitzt monatelang da und schaust mit verdrehten Augen auf das Shri Yantra, und dann distanzierst du dich von selbst.
Einige Minuten lang hast du die Übung gern gemacht, du hast dich ruhig und friedvoll gefühlt, aber es war nicht dein Yantra. Du hast geschielt in dem Glauben, dass die Yantra Meditation deine Psyche und dein Leben augenblicklich verändern würde!
Yantras sind Karten des Bewusstseins, die auftauchen, wenn du meditierst. Sie sind ein Zeichen deines Fortschritts und Wachstums, und deiner Begrenzungen, Blockierungen und deiner Hemmnisse. Yantras sind Werkzeuge der Meditation. Yantra bedeutet eigentlich: ein Instrument, ein Apparat. Es ist ein Werkzeug für die Meditation, ein Werkzeug, das Unbewusste zu erfassen, und durch das Unbewusste das Überbewusste.
Vortrag vom 19. März 2010
Aus dem Buch Mantras und Yantras von Swami Niranjanananda Saraswati
Tantra Yoga – Das Bindeglied für den modernen Menschen
Die moderne Welt ist eine Kultur von großer Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit. Überall sehen wir Veränderungen, neue Entwicklungen. Auf allen Gebieten verbreitet der Mensch seine Vorstellungen und Ansichten, nimmt neue und rationellere Lebenswege an und erlangt seine vielseitigen Ziele. Der moderne ‚Geist’ unterscheidet sich vollkommen von dem anderer Kulturen und Zeiten. Er ist sehr praktisch und aggressiv. Er arbeitet in einer ungeheuren Geschwindigkeit und entdeckt ständig etwas Neues.
Der moderne Geist hegt große Bewunderung für die Ideale und Grundsätze des Christentums, Vedanta und den Buddhismus, aber er ist unfähig, diese zu verwerten oder zu praktizieren, weil sie nicht in sein Lebensmuster passen. Wenn man das erkennt, ist die logische Folge, dass die heutigen Menschen einen anderen Weg des spirituellen Lebens suchen müssen, einen, der sich ihren veränderten Lebensmustern anpasst und den sie vom Bewusstsein her akzeptieren können.
Ich habe über dieses Problem über 30 Jahre lang nachgedacht und kam zu dem Ergebnis, dass die moderne Gesellschaft einen spirituellen Weg braucht, der im Einklang mit seiner Natur steht. Ein Tiger kann kein Gras fressen, denn er ist Fleischfresser. Lieber würde er verhungern, als zu grasen. Das moderne Bewusstsein ist ein tantrisches Bewusstsein, ungeeignet für Puritanismus.
Es mag Blumen, aggressive Musik, hübsche Mädchen und Jungen, Tanzen, Fleisch, Fisch, Wein und Zigaretten. Dies sind nur ein paar Spezialitäten der modernen Kultur. Viele meiner Schüler sind auf dieses Leben konditioniert, deshalb weiß ich, was mit ihnen geschieht, wenn sie all diese Dinge nicht bekommen können: Sie entwickeln alle möglichen Arten physischer, emotionaler und mentaler Probleme.
Deshalb bin ich heute davon überzeugt, dass Vedanta oder Puritanismus nicht der Weg für den modernen Menschen ist. Spirituelle Lehren sollten keine Dissonanz im Lebensmuster hervorrufen. Mir scheint deshalb Tantra das richtige System für die heutige Menschheit. Andere Yoga-Formen mögen von Zeit zu Zeit sinnvoll sein, aber um die spirituelle Erleuchtung zu erlangen, muss jeder seinem eigenen Weg folgen.
Wenn Gedanken und Gefühle unterdrückt werden, unterdrückt man damit auch den spirituellen Fortschritt. Diese Unterdrückung zieht Schuldgefühle nach sich und diese tragen wir alle in uns. Sie sind jedoch das größte Hindernis im spirituellen Leben. Tantra ist der Mittelweg; sein Prinzip ist:‚Wirke nicht gewaltsam auf die Muster deines Lebens ein.’
Mit Tantra Yoga die Spaltung korrigieren
Viele Menschen beginnen mit Yoga und versuchen, über Nacht Heilige zu werden. Sie sprechen über wunderschöne Sittenlehren, Ideale und Asketentum und verurteilen alles andere. Das ist gleichbedeutend mit einer Kritik am Leben selbst! Wie kannst du sagen, dass nur Puritanismus oder Idealismus Leben ist, und sonst nichts? Du musst das Leben als Ganzes akzeptieren und nicht nur Teile davon, sonst machst du Yoga zu einer Religion. Das Ziel ist die spirituelle Erleuchtung, aber – bist du schon erleuchtet?
Der Geist ist durch seine Konditionierung sehr begrenzt, und diese Konditionierung hast du dir selbst geschaffen. Du hast dir feste Bilder gemacht, aber diese sind nicht absolut. Es sind nicht von Menschen gemachte Definitionen, Sozialpolitiker haben sie für ihre Gemeinden, ihre Nation geschaffen. Mit dem spirituellen Fortschreiten des Menschen haben diese Dinge nichts zu tun. Ist das Licht durch einen Schleier verdeckt, musst du den Schleier entfernen, und das kannst du tun, wenn du einmal über das tantrische System von Yoga nachdenkst.
Jetzt seid ihr Sklaven eurer Philosophie und eurer Prinzipien. Dieser Fehler wird in der ganzen Welt gemacht. Lehrer benehmen sich wie Priester oder Geistliche, die sehr abgehoben predigen. Sie bringen dich dazu, dass du dein Bewusstsein teilst, dass du deine Persönlichkeit spaltest.
In einer Ecke des Zimmers machst du Yoga und in einer anderen Ecke liest du Freud. Das ist eine Spaltung, es ruft einen Konflikt hervor. Wie kannst du davon spirituelle Erleuchtung erwarten? Woran glaubst du: an den Puritanismus von Yoga oder an die Psychologie von Freud? Du musst dir diese Frage stellen, und ich bin sicher, dass du die linke Seite vorziehst, weil das deine Kultur ist und eher mit deinem Bewusstseinsmuster übereinstimmt.
Traditionelle Hindus sind von Natur aus religiös, und das ist so, weil das ihre Kultur ist. In der westlichen Welt hast du jedoch eine vollkommen andere Kultur, und das spirituelle Leben muss mit deiner eigenen Kultur übereinstimmen. Dein tägliches Leben und deine spirituellen Übungen müssen eine Einheit bilden, ob es nun Yoga ist, oder Vedanta, die Bibel oder der Koran, die Gita oder die Mahabharata.
Um es deutlicher zu sagen: wenn du Whisky trinkst, sollte deine Religion nicht sagen, dass das schlecht ist. Wenn du ein sexuell ausgerichtetes Leben führst, sollte das nicht im Widerspruch zu deiner Religion stehen. Nur wenn das spirituelle Leben mit dem täglichen Leben vollkommen im Einklang ist, kannst du deine Konflikte ausgleichen. Das ist der Weg von Tantra.
Das Prinzip von Tantra ist sehr einfach. Ob du nun Christ bist, Yogi oder Vedantin – in keinem Fall solltest du dein Leben kritisieren. In Tantra wird alles zu einem Sprungbrett zur Evolution. Das Muster des Geistes entfaltet sich ständig, es ist von Natur aus nicht blockiert oder begrenzt. Es ist wie ein Kind. Wenn du es ständig belästigst mit ‚Oh, wie bist du schlecht!’, wird es bald neurotisch und schwach. Deshalb legen wir in Tantra größten Wert darauf, den Geist mit Respekt zu betrachten. Sag nie, der Geist sei schlecht, teuflisch, voll von Wünschen, die Ursache für deinen Untergang.
Du versuchst, deinen Geist zu kontrollieren, aber das wird dir nie gelingen. Durch die Kontrolle tötest du ihn. Es ist so, als wenn du deinem Kind dauernd für alles und nichts einen Klaps gibst. Wenn es lacht, gibst du eine Ohrfeige; wenn es weint, gibst du eine Ohrfeige; wenn es spielt, gibst du Ohrfeigen. Kannst du dir vorstellen, was aus deinem Kind wird? Genau das geschieht mit deinem Geist. Er ist dein bester Gehilfe und Sekretär, aber er ist der Schläge müde und auch der Kontrolle.
Hast du dir schon mal überlegt, wen du da dauernd kontrollierst? Bist es nicht du selbst, den du da fortwährend bestrafst? Ein Teil deiner Persönlichkeit macht sich zum Herrscher über einen anderen Teil in dir. So erzeugst du eine Spaltung, du bist zu dir selbst feindlich, lehnst dich ab, bekämpfst dich. Das kann nicht der spirituelle Weg sein, das ist der Grund, weshalb du nicht weiter kommst, blockiert bist. Die ganze Menschheit ist an diesem Punkt gestrandet, kann sich nicht entscheiden zwischen dem äußeren und dem inneren Leben, die Menschen haben die Richtung verloren.
Ausdehnung der Bewusstheit mit Tantra Yoga
Das spirituelle Leben der Menschheitsgeschichte begann mit Tantra. Die kosmische Natur lehrte die Menschen, auf eine besondere Art zu leben und sich dadurch zu entfalten. Wörtlich bedeutet TantraErweiterung der Bewusstheit und Freilegung von Energie, und alle tantrischen Übungen haben das allein zum Ziel.
Diese Ausdehnung der Bewusstheit ist notwendig. Der menschliche Geist arbeitet sehr begrenzt und ist von den Sinnen abhängig. Sie liefern Informationen und der Geist nimmt sie auf. Ein geistig Suchender muss wissen, wie er die Wahrnehmung ausdehnen kann, und das geschieht dann, wenn man fähig wird, zu wissen, ohne die Sinne einzusetzen. Während der Meditation dehnt sich die Bewusstheit aus, und man erlebt viele Dinge ohne das Medium der Sinne.
In der Tantra-Meditation ist ganz entscheidend, dass man nicht unbewusst wird. Die inneren und die äußeren Dimensionen des Bewusstseins vereinigen sich. Zuerst versuchst du, innerlich bewusst zu bleiben; wenn du diese Kunst vollkommen beherrscht, kannst du versuchen, Inneres und Äußeres miteinander zu verbinden. Um das deutlich zu machen: Wenn du in einem Raum bist, kannst du den Raum sehen, aber du kannst nicht nach außen sehen; stehst du aber auf der Schwelle oder am Fenster, dann kannst du sowohl nach innen als nach außen sehen, dann gibt es kein außen und kein innen, beides ist dasselbe.
Du brauchst die Sinne, um etwas zu erfahren, aber du kannst ebenso Erlebnisse ohne die Sinne haben. Das sind zwei verschiedene Wahrnehmungsformen, einmal mit den Sinnen und einmal ohne. Erfahrungen, die wir mithilfe der Sinne machen, sind weltliche Erfahrungen. Wenn du aber auch ohne Sinne etwas wahrnehmen kannst, ist das eine innere, eine transzendente Erfahrung.
Jeder kann beide Erfahrungen gleichzeitig machen, nicht nur die eine oder die andere. Das ist das Entscheidende in Tantra. Die rechte Hand ist die innere Erfahrung und die linke Hand ist die äußere Erfahrung. Wenn du nur eine Hand hast, bist du sehr eingeschränkt, du brauchst beide. Deshalb sollte auch deine Wahrnehmung in beide Richtungen geöffnet sein, das ist dann die homogene, vollkommene Erfahrung.
Die meisten Menschen denken, dass man in Dhyana oder Samadhi nichts mehr von der äußeren Welt wahrnimmt, aber das ist falsch. Dieser Irrtum muss unbedingt korrigiert werden. In der Meditation und in Samadhi hast du gleichzeitig die innere und die äußere Erfahrung, denn du bist der Seher, der Zuschauer. Und diese Erfahrung ist gleichbedeutend mit der Ausdehnung der Bewusstheit. In diesem Zustand wird automatisch Energie freigesetzt.
Tantra Yoga ist der Mittelpfad
In Tantra sprechen wir von zwei ewig existierenden Realitäten, von Shiva und von Shakti. Shiva ist das Bewusstsein und Shakti ist die Energie. Wenn diese beiden Kräfte sich vereinigen, kann Kundalini erwachen. Genau im gleichen Sinne muss der Mensch das materielle Leben mit dem spirituellen Leben verbinden, dann ist eine Evolution möglich. Aber weil die Menschen diese Synthese nicht versuchen, kann die Evolution auch nicht voranschreiten.
Stattdessen schaffen sie sich zwei verschiedene Bereiche, den materiellen und den spirituellen. Wenn du dich nur mit dem materiellen Leben verbindest, wirst du psychotisch, neurotisch und frustriert. Und wenn du das materielle Leben ignorierst und ausschließlich am spirituellen Leben interessiert bist, dann entsteht auf diesem Weg eine Blockierung. Deshalb sollte dein spirituelles Leben im Einklang mit deiner Natur und mit deinem äußeren Leben sein.
Die Tantra-Lehre ist sehr umfassend, sie umfasst das ganze Leben, und das ist die kommende Richtung für das spirituelle Leben in der modernen Gesellschaft. Wenn er nicht danach lebt, entfernt sich der Mensch immer weiter von seiner Natur und schafft eine Gesellschaft mit Extremen. Wenn Puritanismus verlangt wird, entsteht zwangsläufig das andere Extrem – ausschweifendes Leben. Es muss einen Mittelweg geben, durch den die Bedingungen der Gesellschaft und in der Familie verbessert werden.
Tantra kann innerhalb des Familienlebens gelebt werden. Die sexuelle Verbindung zwischen Shiva und Shakti ist notwendig, um spirituell zu wachsen. Bis jetzt hast du zwar Geschlechtsverkehr gehabt, hast dich aber immer schuldig gefühlt, weil dieser Akt irgendwie in einem anrüchigen Ruf steht. Es ist jedoch ein sehr natürlicher Teil des Lebens, für jeden – so war es auch für deine Mutter und deinen Vater, deinen Großvater und deine Großmutter. Trotzdem ist es mit einem Tabu behaftet.
Laut Tantra ist der sexuelle Trieb einer der mächtigsten im Menschen, und niemand ist imstande, ihm zu entsagen. Dieser Trieb ist im Körper, im Bewusstsein und im Unterbewusstsein, er drückt sich durch das Verhalten aus, und wenn nicht dort, dann in den Träumen; wenn nicht in den Träumen, dann in einem anormalen psychotischen Verhalten. Dieser Trieb ist immer da, du kannst ihn nicht loswerden, ob du nun Sannyasin, Heiliger, Bischof, Geistlicher, Junge, Mädchen, Frau oder Mann bist.
Wie versuchst du nun, mit diesem zu dir gehörenden Element fertig zu werden? Es wird einige Zeit brauchen, bis du gelernt hast, deine Bedürfnisse zu respektieren. Sie beherrschen dich, aber du missachtest sie und weißt nicht, wie du sie neben deinem spirituellen Leben ausleben kannst. Jahrhundertelang wurde uns gepredigt, dass Sexualität Sünde ist, schmutzig, etwas, das du aufgeben solltest. Aber Tantra sagt, es ist gut und für das spirituelle Leben bedeutungsvoll. Für die meisten Menschen ist Sexualität für die Fortpflanzung der Gattung und zum Vergnügen, während das Ziel des sexuellen Lebens in Tantra die Erleuchtung ist.
Tantra in der Praxis
Durch Tantra kannst du den sexuellen Ablauf sublimieren, sodass du das, was du schon tust, nun für eine höhere spirituelle Entfaltung einsetzen kannst. In Hatha Yoga gibt es bestimmte Übungen, die für diesen Zweck von einem qualifizierten Lehrer, der die Wissenschaft kennt und dir alles darüber sagen kann, erlernt werden kann.
Zu diesen Übungen gehören
Vajroli
Sahajoli
Amaroli
Uddiyana
Kumbhaka
Konzentration auf Bhrumadhya (Augenbrauenzentrum).
Auf diesem Weg brauchst du dein Familienleben nicht aufzugeben; dein Eheleben wird ein spirituelles Leben; du brauchst ihm nicht zu entsagen und es als unyogisch oder unspirituell betrachten. So wird jeder Tag mit deinem Partner ein yogischer Tag, und das bedeutet Tantra.
Mantra – ein Werkzeug im Tantra Yoga
In Tantra ist das Mantra ebenso wichtig, wie die sexuelle Hingabe. Der Klang hat drei verschiedene Stufen, von denen wir nur den mittleren hören können. Ein Klang, der über oder unter einem bestimmten Bereich schwingt, ist nicht mehr wahrnehmbar, auf einer gewissen Klangstufe jedoch ist er wahrnehmbar. Mantra ist der unhörbare Klang – Nada.
Geh zu einem ruhigen See und wirf einen kleinen Stein ins Wasser. Was wird geschehen? Kreisförmige Bewegungen dehnen sich aus. Wenn du einen größeren Stein wirfst, werden sich die Kreise weiter ausdehnen. Ein noch größerer Stein wird die Wellen sehr weit ziehen lassen. Genau das ist die Wirkung des Mantras auf ein homogenes Bewusstsein.
Der Geist ist wie ein Meer. Gedanken und Erinnerungen sind nicht der Geist; sie sind nur Ausdruck des Geistes. Wellen und Blasen sind nicht das Meer; die Gesamtheit des Wassers ist das Meer. Ebenso ist die Gesamtheit des Bewusstseins der Geist. Wir wissen über den Geist sehr wenig. Du weißt, dass er da ist, weil du denkst und fühlst. Wird es dir aber möglich, das gesamte Bewusstsein zu erfassen, dann ist das eine große Erfahrung.
Durch ein Mantra wird das ganze homogene Bewusstsein berührt; es sind die Klangwellen eines Mantras, die nach innen gehen. Sie dringen durch das Wachbewusstsein hindurch zum Unterbewusstsein, und von dort zum Unbewussten.
Ein Mantra durchdringt das ganze Bewusstsein, und das ist ein entscheidender Schritt in Tantra. Oft glauben die Menschen, ein Mantra sei der Name einer bestimmten Gottheit, und deshalb hat man es mit Vielgötterei in Verbindung gebracht. Aber ein Mantra hat nichts mit irgendeiner Religion oder Sekte zu tun. Es ist ein Klang, eine Form von mentaler Energie, und sie hat die Kraft, das gesamte Bewusstsein zu beeinflussen und neu zu gestalten.
Yantra – Ausdruck im Tantra Yoga
Yantras sind wunderbare Figuren und sind Symbole der psychischen Struktur deines Körpers. Sie entspringen von einem Punkt, dieser Punkt heißt in Tantra Bindu. Es heißt, dass sich die ganze Schöpfung von Bindu aus entwickelt hat, von dem Ursprungspunkt. Daraus entwickelt sich ein Dreieck; das ist die erste Manifestation. Dann entsteht ein Quadrat, das ist eine weitere Manifestation. Dann kommt der Kreis. Der Kreis zieht weiter und weiter, als Symbol deines äußeren Bewusstseins, von all dem, was du mit den Sinnen aufnimmst.
Ein Yantra ist das Symbol der Schöpfung, und wenn du dich zu dem Punkt zurückziehst, dann gehst du zurück zum Ursprung der Schöpfung. Der Punkt ist ein Mandala, und in Tantra haben wir als wichtigen Konzentrationspunkt das Augenbrauenzentrum. Wenn du dich auf diesen Punkt konzentrierst, dehnt er sich aus und zeigt sich in vielerlei Formen. Das bedeutet Ausdehnung der Wahrnehmung.
Tantra als Sprungbrett in das spirituelle Leben
Um auf deinem Weg weiter fortzuschreiten, solltest du nicht noch mehr Konflikte in deinem äußeren Leben schaffen, sondern sie sollten sich langsam auflösen und Zweifel sollten verschwinden. Deshalb musst du langsam vorgehen. Wenn du dich einmal intensiv mit Tantra beschäftigt hast, wirst du erkennen, dass es dein Weg ist, denn er ist äußerst praktikabel. Intellektuell brauchst du dich nicht groß anzustrengen, es ist jedoch wichtig, dich richtig vorzubereiten und die richtigen Übungen zu machen.
Ob man jung ist oder alt, dieser Weg ist für alle. Er ist nicht nur für Menschen, die Meisterschaft über sich selbst erlangt haben, sondern auch für solche, die sehr ruhelos sind, Leidenschaften, Ambitionen, Wünsche, Ärger, Eifersucht, Angst, Frustration und Enttäuschungen kennen. All diese Eigenschaften werden Hilfen auf dem Weg zur Erleuchtung. Versuch nicht, sie zu beseitigen, beobachte sie und schreite fort.
Der Weg ist einfach, trotzdem verstehen ihn so wenige. So viele Menschen leben ein spirituelles Leben, aber sie kommen einfach nicht weiter. Sie hindern sich selbst, weil sie nicht den richtigen Weg kennen. Wenn du in einem Asana sitzt, solltest du mühelos nach innen umschalten können. Der Geist sollte dein Freund werden, alle Teile in dir sollten sich vereinigen, verstehen und respektieren.
(Aus: Yoga Heft Nr. 8) - Vortrag im Sivananda Yoga Vedanta Center in Antwerpen/Belgien, 29. August 1980 - von Swami Satyananda Saraswati
Tantra Yoga als Wissenschaft
Meine diesjährige Reise nach Europa führt mich in fünf osteuropäische Länder und das erste Land ist Slowenien. Hier werden wir uns dem Thema Tantra und Yoga widmen.
Da ich aus Indien komme, möchte ich über Tantra entsprechend den alten Überlieferungen sprechen und nicht über das, was im Westen als Tantra bezeichnet wird. Nach westlicher Ansicht ist Tantra das Wissen über Sexualität.In der ursprünglichen Überlieferung jedoch ist Tantra die Wissenschaft des Bewusstseins. Tantra im ursprünglichen Konzept ist ein sehr weit reichendes Thema.
Es ist wie das Bild des menschlichen Körpers, mit verschiedenen Teilen wie Kopf, Augen, Nase, Ohren, Arme und mehr. All die verschiedenen Organe und Gliedmaßen müssen harmonisch miteinander arbeiten und gleichzeitig mit dem Gehirn koordiniert werden. Tantra ist wie ein menschlicher Körper, eine große Wissenschaft, mit verschiedenen Ideen, Übungen und Techniken.
Das Wort Tantra setzt sich aus zwei verschiedenen Sanskrit Worten zusammen. Der erste Teil lautet Tanoti und bedeutet ausdehnen. Der zweite Teil lautet Trayati und bedeutet befreien. Das Wort Tantra bedeutet also Ausdehnung und Freisetzung. Ausdehnung des menschlichen Bewusstseins ist der eine Teil und Freisetzung von Energie ist der andere Teil. Energie und Bewusstsein sind die wesentlichen Bestandteile jeder Lebensform.
In der gesamten Natur gibt es Evolution des Bewusstseins und Evolution der Energie. Eine einzellige Amöbe wurde zu dem komplexen Organismus des menschlichen Körpers. Diese Entwicklung fand in jeder einzelnen Zelle statt, denn jede Zelle enthält Bewusstsein und Energie. Damit Entwicklung überhaupt stattfinden kann, müssen Bewusstsein und Energie zusammen wirken. Keine der beiden können ignoriert werden, beide müssen sich gegenseitig unterstützen.
Ein schönes Beispiel dafür ist die Parabel von einem Blinden und einem Lahmen, die beide zu dieser Veranstaltung kommen wollen. Jeder einzelne ist dazu nicht in der Lage, nur wenn sie sich gegenseitig helfen, können sie ihren Wunsch erfüllen. Der Blinde kann seine Gliedmaßen benutzen, aber er kann nicht sehen. Der Lahme verfügt über alle Fähigkeiten, mit Ausnahme des Laufens. Wenn sie also ohne äußere Hilfsmittel hierhergelangen wollen, muss sich der Lahme auf die Schultern des Blinden setzen und ihn führen, damit der Blinde, der ja laufen kann, den Weg zur Veranstaltung findet.
Das sind die Rollen, die Bewusstsein und Energie in Tantra spielen. Das Bewusstsein ist blind und die Energie ist lahm, so sieht es bei genauem Hinschauen in unserem Leben aus. Wir können uns viel im Leben vornehmen und planen, doch ohne Energie lässt sich nichts verwirklichen. Genauso wenig lässt sich mit viel physischer Energie und Aktivität ohne Bewusstsein erreichen.
Bewusstsein und Energie sind also wesentliche Bestandteile der Existenz, obwohl sie verschieden sind. Der Körper ist verdichtete Energie und der Geist ist Ausdruck des Bewusstseins, ein interaktiver Ausdruck des Bewusstseins in der Welt der Sinneswahrnehmung. Obwohl wir unseren Körper als materiell wahrnehmen, sagt uns Tantra, dass er eine andere Manifestation von Energie ist, die von Bewusstsein unterstützt wird.
Könnten wir durch ein Super-Mikroskop in unseren eigenen Körper blicken, würden wir hinter dem sogenannten festen Körper im Inneren der Struktur des Atoms den Atomkern als reine Energie erkennen. Jede Form der Materie ist verdichtete Energie, jede Zelle besteht zu einem Teil aus Energie und zum anderen Teil aus Bewusstsein.
Dies ist eine wahre Geschichte. Dany war Musiker und hatte ein Lied mit dem Titel „I wished I could give my heart to you“ geschrieben und vertont. Ein einziges Mal nur hat er es selbst gehört, dann verunglückte er tödlich. Seit Langem trug er einen Organspendeausweis mit sich. Im Krankenhaus, in das er eingeliefert wurde, lag ein Mädchen, das dringend auf ein Herz wartete.
Ihr Name war Daniela, Dany und Daniela kannten sich nicht. Daniela erhielt das Herz von Dany. Nach der OP brachte der Vater dem Mädchen die CD von Dany, um ihr zu erklären, wer ihr sein Herz gespendet hatte. Er spielte die Musik und das Mädchen, das dieses noch gar nicht veröffentlichte Lied nie zuvor gehört hatte, wusste genau, wie der ganze Text lauten würde.
Wie war es möglich, dass das Mädchen den Text des Liedes kannte? Ist es möglich, dass die Herzzellen mit dem Lied geschwungen und die Botschaft an das Gehirn weitergegeben haben könnten? Es muss möglich sein, wenn wir bedenken, dass jede Zelle Bewusstsein und Energie enthält. Könnte es sein, dass bei der Implantation auch Bewusstsein und Energie weitergegeben werden?
Yoga lehrt uns, dass es im Körper verschiedene Schichten von Bewusstsein und Energie gibt. Diese Schichten sind wie feinstoffliche Körper innerhalb des physischen Körpers. Wir alle kennen das Produkt Milch. Doch aus Milch lässt sich Butter, Joghurt oder Käse machen, einfach dadurch, dass Milch einen bestimmten Prozess durchläuft. Beim Betrachten der Milch jedoch lässt sich nichts davon sehen. Auch unser physischer Körper enthält unsichtbare Elemente.
Der materielle Körper ist tatsächlich nichts als ein Behälter. Innerhalb dieses materiellen Körpers befindet sich der Energiekörper. Es gibt aber auch den geistigen, den mentalen Körper. Die nächste Art von Erfahrung, die in diesem Körper enthalten ist, ist die Erfahrung von Bewusstsein. Und danach folgt die Erfahrung der spirituellen Natur.
Tantra Yoga versucht alle fünf Ebenen zu entwickeln:
Materie
Energie
Geist
Bewusstsein
Spiritualität
Deshalb lautet die Definition des Begriffs TantraAusdehnung des Bewusstseins und Freisetzung der Energie. Im Laufe der Zeit sind verschiedene Übungssysteme entstanden, die diesen Prozess möglich machen. Die wichtigste tantrische Übung ist Yoga. Weitere wichtige Aspekte von Tantra sind Mantra, Yantra und Mandala.
Wenn wir von Tantra sprechen, sind diese Aspekte entscheidend. Die Übung für die mentale Dimension ist das Mantra. Mit dem Mantra wird der Geist frei, er wird befreit von seiner obsessiven Natur, von seiner obsessiven Beschäftigung mit der Welt, sodass er das eigene Selbst erkennen kann. Ähnlich verhält es sich mit dem Yantra, das der Energie einen Rahmen gibt. Diese ist als Shakti, als Antriebskraft, bekannt.
Durch Yantras werden verschiedene Fähigkeiten der Shakti Kraft zum Ausdruck gebracht. Shakti als Energie und Shiva als Bewusstsein bilden das Fundament von Tantra und dem tantrischen System. Dieses Shiva-Shakti Prinzip wird auch das männlich-weibliche Prinzip genannt. Shiva und Shakti müssen sich vereinigen, damit Erfüllung und Fülle im Leben erfahrbar werden können.
Dieses Konzept wurde besonders im Westen sehr wörtlich genommen und daraus entstand das große Missverständnis, dass die Vereinigung von Mann und Frau der Gegenstand von Tantra ist. Nach westlicher Vorstellung ist daher Sex das eigentliche Thema von Tantra. Es geht jedoch um die Vereinigung der beiden Kräfte Shiva und Shakti, des männlichen und des weiblichen Prinzips, die auch Gegenstand von Kundalini ist. Tantra beschreibt genau, wie sich Bewusstsein und Energie vom Transzendenten zum Materiellen, vom Nichts in die Welt der Existenz entwickelt hat.
Ursprünglich waren Bewusstsein und Energie vereint. Dann entstand ein Verlangen im Bewusstsein - „Lass mich viele werden. Lass mich die Vielfalt erleben.“ Hier trennte sich Energie von Bewusstsein, um neue Erfahrungen zu kreieren. Und die erste Manifestation dieser Shakti aus dem transzendenten Zustand heraus war der geistige, der mentale Zustand. Aus dem geistigen Zustand entwickelte sich das Element Raum. Raum wurde zum Behälter für alle anderen Formen der Schöpfung, die folgen sollten. Aus Raum entstand das Element Luft, dann Feuer, dann Wasser und schließlich Erde, die festeste Form.
Das lässt sich anhand der Elektrizität verständlich erklären. Dort, wo sie erzeugt wird, herrscht eine sehr hohe Spannung oder Stromstärke, an die 10.000 Volt. Um die Elektrizität nutzen zu können, muss sie auf eine nutzbare Stärke, 110 oder 220 Volt reduziert werden, und das geschieht durch Transformatoren. Genauso durchläuft die Energie, ausgehend von ihrer mit Shiva vereinten transzendenten Natur, verschiedene Umwandlungen. Auf jeder Ebene wird die Existenz von Bewusstsein und Energie erfahren.
Der Geist war die erste Transformation und damit die erste Ebene der Erfahrung von Energie und Bewusstsein. Ebenso war es mit Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde. Sie entstanden als unterschiedliche Erfahrungs- und Ausdrucksebenen von Energie und Bewusstsein. Aus tantrischer Sicht kann jede Umwandlung vom Transzendenten zum Materiellen in diesem Körper erfahren werden, es werden verschiedene Körperzentren erweckt. Diese Zentren sind als Chakras bekannt. Auf materieller Ebene ist die Energie inaktiv, in einem ruhenden Zustand. Um sie zu vergeistigen, muss sie zu ihrer Quelle zurückkommen.
Die auf materieller Ebene ruhende Energie wird Kundalini genannt, was so viel bedeutet wie, Energie, die in einer tiefen Grube ruht. Was verbindet Kundalini mit einer Grube? Laut Tantra führt die transzendente Erfahrung zur Entwicklung der höheren, all durchdringenden Natur. Spirituell ist dies das Sahasrara Chakra, das sich in der Krone des Kopfes zeigt.
Der nächste Punkt im Körper ist das Ajna Chakra(Augenbrauenzentrum), hier drücken sich die geistigen Fähigkeiten aus. Raum entsteht auf Halsebene (Vishuddhi Chakra), Luft auf Herzebene (Anahata Chakra), Feuer in Höhe des Nabels (Manipura Chakra), Wasser auf Kreuzbeinebene (Swadhisthana Chakra) und Materie auf Steißebene (Muladhara Chakra).
Der Abstieg des Bewusstseins verläuft durch die Wirbelsäule von der Krone des Kopfes bis zum Becken und das ist die Grube. Was wir also Evolution nennen, ist ursprünglich der Abstieg der Energie und die Trennung von ihrer ursprünglichen Quelle bis herunter auf die materielle Ebene.
Durch Verfeinerung muss die Energie wieder nach oben gelenkt werden, die rein materielle Wahrnehmung muss sich in transzendente Wahrnehmung wandeln. Darum geht es in Kundalini Yoga. Yoga und Tantra sind daher nicht zwei verschiedene Wege. Tantra ist sozusagen Mutter und Vater, Yoga ist das Kind. Ihre Gene sind dieselben, die Körper sind verschieden. Wenn wir also Tantra Yoga sagen, dann sprechen wir von Eltern und Kind. Und das Spirituelle gilt es zu finden.
In der westlichen Vorstellung von Tantra geht es um die Maximierung des Vergnügens, man darf alles tun, was man will. Alles, was sonst verboten ist, ist in Tantra erlaubt. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit und befriedigt die Genusssucht. Das aber sind genau die Zustände im Leben, die dich binden, die dich niederziehen und deine Begierden und deine Ambitionen füttern.
Die tantrischen Schriften jedoch sagen, "Ja, akzeptiere das Leben, lehne nichts ab, doch bleibe hier nicht stehen." Für den Tantriker gilt, sich aus der obsessiven Eigenschaft herauszubewegen, zu erkennen, dass man das, was man als angenehm erlebt hat, immer und immer wieder haben will. Es gilt, Erfahrungen, die ihn einengen und festhalten, zu überwinden.
So können alle Aktivitäten, die im menschlichen Leben normal sind, eine neue Bedeutung erhalten. Auch Sex wird nicht abgelehnt. Er ist ein Instinkt, er ist die Natur des Lebens. Doch auch auf dieser Ebene muss man nicht stehen bleiben, sondern darüber hinausgehen.
Wenn Sex heute die Grundlage für Vergnügen und Fortpflanzung ist, kann er morgen zur Grundlage für die Verfeinerung des Geistes werden. Ebenso verhält es sich mit den anderen Ebenen der menschlichen Existenz und den Obsessionen, die wir leben und in unserem Leben erfahren. Doch erst das Bemühen um Transzendenz, um Überwindung macht den Übenden zum Tantriker.
In jedem von uns besteht ein konkretes Bedürfnis nach einem natürlichen, spontanen Leben, einem Leben der Achtsamkeit, das auf ein Ziel gerichtet ist. Für die meisten religiösen und spirituellen Traditionen ist das Ziel des Lebens die Selbstverwirklichung. Mir erscheint dieses Ziel zu hoch, weil wir nicht darauf vorbereitet sind.
Dieses Selbst, dieses Bewusstsein oder Gott, wer immer oder was immer es sein mag, steht für die transzendente Natur und die transzendenten Eigenschaften. Ganz sicher sind unser Geist, unser Gehirn, unsere Ideen und Glaubenssätze, unsere Persönlichkeit und unsere Natur nicht transzendent. Wie kann also diese nicht-transzendente Persönlichkeit, dieser nicht-transzendente Geist das Transzendente erfahren? Wie kann diese kleine Tasse das Wasser aller Ozeane fassen? Das ist unmöglich.
Das Ziel und der Fokus des Lebens sollte es sein, die Wahrnehmungsqualität zu verbessern, um das Transzendente erfahren zu können. Die Vorbereitung besteht also darin, Exzellenz, Vortrefflichkeit auf allen Ausdrucksebenen zu entdecken. Es geht dabei nicht um Gewinn, es geht um Verbessern. Erfolg im Leben bedeutet, zu versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Wenn ich etwas besser mache als beim letzten Mal, bin ich erfolgreich. Meine Empfehlung ist daher, dem Idealzustand näherzukommen, Perfektion zum Weg und Ziel unserer Reise zu machen.
Yoga ist der erste Meilenstein auf dem Weg zu Tantra. Yoga macht uns bewusst für Körper und Geist und führt zu harmonischem Schwingen dieser beiden Systeme. Yoga trägt dazu bei, die Achtsamkeit nach innen zu lenken, frei von äußeren Ablenkungen. Yoga führt in die Meditation, in der die körperlichen und spirituellen Lebenserfahrungen erfasst werden können.
Am Anfang steht Akzeptanz, dann folgt Transzendenz. Akzeptiere dich so, wie du jetzt bist und gehe einen Schritt darüber hinaus. Dieser eine Schritt jenseits des Normalen bringt dich zur Transzendenz, zur Überwindung von Begrenzungen wie Ängsten und Unsicherheiten. Tantra erkennt alle grundlegenden Instinkte des Lebens an, sie können jedoch alle auf eine höhere Stufe gebracht werden. Sexualität ist ein Instinkt im Leben, kann sich jedoch aus dem Instinktiven heraus entwickeln.
Angst ist der zweite Instinkt, Begierde der dritte und Schlaf oder Nichtbewusstheit der Vierte. Alle diese Instinkte können wir aus dem Instinktiven heraus entwickeln. Dies sind die vier Grundinstinkte, bekannt als Maithuna, Bhaya, Ahara und Nidra. Auf diesen Ebenen beginnt die Arbeit, um ein ausgeglichenes, harmonischeres Leben und eine spirituell erleuchtete Persönlichkeit zu entwickeln.
Yoga, Kundalini, Meditation und Akzeptanz bringen Tantra in unseren Alltag. In dem Moment, in dem wir die vier Grundinstinkte überwinden können, beginnen wir unsere innere, transzendente, reine Natur zu erkennen.
Und genau darum geht es in Tantra Yoga.
(Aus: Newsletter 16) - Swami Niranjanananda Saraswati - Mai 2008 Ljubljana/Slowenien, Universität
Die weibliche Rolle in Tantra
In Tantra gibt es zwei bedeutende Energieströme – Shiva und Shakti. Shakti und Shiva tragen verschiedene Sphären der Existenz und wirken sowohl im Kosmos wie auch im Individuum. In der normalen menschlichen Gesellschaft werden Shiva und Shakti jeweils durch den Mann oder die Frau repräsentiert. Im universellen Verständnis ist dies Zeit und Raum, und im spirituellen Leben werden das Mentale und die Lebenskraft von Shiva und Shakti verkörpert. In Hatha Yoga sind diese Kräfte identisch mit Ida und Pingala; Ida als die mentale Kraft(Manas Shakti) und Pingala als die Lebenskraft(Prana Shakti).
Diese beiden Kräfte sind zwei entgegengesetzte Energiepole. Normalerweise kommen sie niemals zusammen, aber während der Schöpfung vereinigen sie sich in der ganzen Sphäre. Für das universelle Denken treffen Zeit und Raum im Kern, im Atom zusammen, und wenn sie sich begegnen, wird durch Explosion Materie erzeugt. Zeit repräsentiert die positive Energie und Raum die negative.
Aspekte des Erwachens
In unserer menschlichen Gesellschaft sind Mann und Frau die zwei gegenüberliegenden Pole der Energie. In der alten tantrischen Tradition ist über diese Energiepole bis in alle Einzelheiten diskutiert worden. Man kann Kali sehen, wie sie halb nackt mit einem Fuß auf dem liegenden Shiva steht, mit grimmigem Ausdruck, blutbefleckter Zunge und einer Mala mit 108 menschlichen Schädeln.
Das ist Kali in ihrem erwachten Zustand. Es gibt auch Bilder und Figuren von Shiva im Lotussitz – die eine Hälfte des Körpers ist Shiva, die andere Shakti. Oder Shiva und Parvati als Guru und Jünger, wo Shiva seine Schülerin in die Geheimnisse von Tantra einweiht. In der Nähe von Monghyr gibt es ein sehr bedeutendes Tantra-Zentrum – Tarapeetha; hier kann man sehen, wie Shiva an der Brust von Shakti saugt.
Es gibt also verschiedene Verbindungen zwischen Shiva und Shakti, die abhängig sind von dem Grad der Evolution und dem Erwachen. Einmal ist Shakti Jüngerin und Shiva der Guru, ein anderes Mal sind sie vollkommen gleich, sogar in einem Körper, einem Rahmen, einer Idee; und wieder auf einer anderen Evolutionsstufe ist Shakti die Höchste und Shiva der Jünger. Nun, dies ist die philosophische Betrachtungsweise der Entwicklungsstufen der mächtigen Shakti-Kraft in jedem Einzelnen.
Das spirituelle Erwachen einer Frau
In der tantrischen Tradition wird die Frau dem Mann gegenüber als höherstehend betrachtet, jedenfalls was die tantrische Einweihung betrifft. Dies hat keinerlei Bedeutung im sozialen Leben; es ist allein die spirituelle Betrachtungsweise im Hinblick auf die Entwicklung eines höheren Bewusstseins. Die Gestalt einer Frau, ihre Gefühle und ihre psychische Entwicklung sind ganz sicher höher entwickelt als die des Mannes. Es ist für eine Frau und ihren Körper sehr viel einfacher, die spirituelle Kraft Kundalini zu erwecken, als für einen Mann mit seinem Körper.
Wenn ein Mann in die tieferen Ebenen seines Bewusstseins eintaucht und wieder zurückkommt, ist er nicht in der Lage, diese Erfahrungen mit sich zu bringen; einer Frau hingegen ist das möglich. Es sieht so aus, als wenn für sie kein Unterschied besteht zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung. Wenn man in sehr tiefe Bewusstseinsschichten kommt, erlebt man bestimmte Dinge. Wenn man aus dieser Tiefe zurückkommt in die grobe Wahrnehmungswelt, fällt beim Mann ein Vorhang zwischen dem tief Erlebten und dem Wachbewusstsein, und bei einer Frau fällt dieser Vorhang nicht.
Das psychische Wesen einer Frau ist hochgradig mit Spiritualität geladen. Den äußeren Ausdruck, den du bei einer Frau oder einem Mädchen finden kannst – Liebe für Schönheit, Zärtlichkeit, Sympathie, Verständnis – sind Ausdruck ihres inneren Wesens. Ich möchte wirklich behaupten, dass die Welt eine Wüste wäre, wenn alle Frauen diesen Planeten verlassen würden. Es gäbe keine Farben, kein Parfüm, kein Lächeln und keine Schönheit. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die innere Wahrnehmung einer Frau sehr aufnahmebereit ist und kurz vor einer Explosion steht.
Laut Kundalini Yoga schlummert Kundalini, die Ur-Lebenskraft, im Beckenraum in einem Energiezentrum mit dem Namen Muladhara Chakra. Für den Mann ist es schwierig, diesen bei ihm ziemlich verstopften Raum wahrzunehmen, während Muladhara sich im Frauenkörper sogar mit dem Finger berühren lässt. Die Erweckung kann daher im Körper der Frau viel schneller geschehen, als beim Mann.
Die Frau ist diejenige, die die Energie in Bewegung bringt und weiterträgt, während der Mann das Medium ist. Das bedeutet nicht, dass die Frau die Ehefrau sein muss, sie kann dies auch als Mutter, als Tochter oder als Jüngerin. Maria war Jesus Mutter; die "Mutter" war Jüngerin von Sri Aurobindo. Die tantrische Mythologie erzählt von vierundsechzig Yoginis, die in ganz Indien hochverehrt werden; den 64 Aspekten der weiblichen Energie zu Ehren wurden 64 Tempel erbaut.
Vama Marga
Wenn man die tantrischen Schriften studiert, kann man sehr deutlich erkennen, dass Shakti die Erschafferin ist und Shiva das Instrument. Shiva wird niemals als der Erschaffer betrachtet. Der erste Satz in einem der berühmten Werke des großen indischen Philosophen und Heiligen Adi Shankarasharya lautet: "Ohne Shakti, wie kann Shiva erschaffen?"
Für einen Hindu ist die Vereinigung von Mann und Frau in erster Linie die Möglichkeit, den Evolutionsprozess zu beschleunigen. Wenn auch die Verbindung von Mann und Frau zu unterschiedlichen Zeiten und je nach kulturellem Einfluss in fast allen Teilen der Welt unterschiedliche Ziele hatte, so wurde im Hinduismus konsequent daran festgehalten, dass die Verbindung zwischen Mann und Frau eine spirituelle ist.
Deshalb ist der Platz der Frau in Tantra auf der linken Seite. Vor der Heirat sitzt das Mädchen auf der rechten Seite und nach der Hochzeitszeremonie sitzt sie auf der linken Seite. Sie wird Vama genannt, was in Sanskrit so viel bedeutet, wie auf der linken Seite sitzen. Vama bezieht sich auf Ida (parasympathisches Nervensystem).
Es gibt eine alte Sage von Sita und Rama: Als Rama schon über 60 Jahre alt war, wurde seine Frau Sita schwanger, und sie lebte einige Zeit im Ashram eines Heiligen. Als Herrscher gehörte es zu Sri Ramas Pflichten, bestimmte religiöse Rituale abzuhalten. Aber der weise Mann wusste, dass er ohne seine Frau die Zeremonien nicht ausführen konnte.
Sita war jedoch nicht da, und so konstruierten sie ein Ebenbild von ihr und setzten dieses während der Zeremonie auf Ramas linke Seite. Heute ist Vama Marga in den westlichen Ländern völlig fehlinterpretiert. Sie nennen es 'linkshändigen Tantra', und das ist keine korrekte Übersetzung. Das sollte mit Rotstift aus Tantra-Büchern ausgestrichen werden. Vama Marga ist richtig interpretiert als der Weg der spirituellen Entwicklung, den man mit seiner Frau geht. Marga bedeutet Weg und Vama bedeutet die Ehefrau, die Frau, die Partnerin, was immer sie auch ist.
Die tantrische Bedeutung
In Vama Marga ist es Shakti, die die wichtigere Rolle spielt, nicht nur im sexuellen Leben, sondern ebenso in den spirituellen Übungen; sie ist es, die den Ablauf bestimmt und die spirituellen Rituale leitet. Bei den Hindus werden alle Rituale, religiöse sowohl auch andere, hauptsächlich von Frauen abgehalten – die Männer sitzen still dabei. Ob es eine ganz normale soziale Zeremonie ist oder eine religiöse, ob es die Verehrung einer Gottheit ist oder ein Fastentag: es ist die Frau, die die Einführung gibt, und der Mann achtet sie in dieser Rolle.
Nun, die Bedeutung von Vama Marga ist folgende: Es ist der spirituelle Weg, der mit dem Partner zusammen beschritten werden kann. Es ist auch möglich, dass die Mutter ihren Sohn einweiht, dann wird das Kalachakra genannt. Auch heute kann man diese Art Einweihung besonders im Norden Indiens noch finden. In so einer Verbindung sieht der Sohn in der Mutter eine Göttin. Er verneigt sich vor ihr, verehrt sie, und zwar nicht nur aus einem sozialen Respekt heraus, sondern es ist eine von innen kommende spirituelle Verehrung; er sieht den Guru in ihr und nicht die Mutter.
Ebenso verhält es sich in Vama Marga; es ist der Mann, der sich vor der Frau verneigt und die ihm den Segen erteilt.
Es ist eine essenzielle Rolle, die die Frau im tantrischen Ritual spielt, und es ist ein trauriger Fehler, wenn man die Frau in Tantra nur als eine sexuelle Partnerin betrachtet. Das sexuelle Leben ist wichtig, aber es ist nicht die einzige Verbindung, die es zwischen Mann und Frau geben kann. Schließlich ist nicht nur die Ehefrau eine Frau, sondern auch die Mutter und die Tochter. Eine tantrische Verbindung ist unabhängig von einer sexuellen.
Missbrauch von Tantra
Zurzeit rebelliert der Westen gegen seine eigene Religion, und zwar ganz einfach, in dem man Tantra falsch interpretiert und missdeutet. Die Menschen versuchen, in der sexuellen Sphäre des Menschen Anarchie zu schaffen. Auch in Indien gibt es viele Lehrer, die diesen Fehler machen.
In Tantra braucht man nicht mit der eigenen Religion oder Tradition zu kämpfen; hier heißt es nicht, dass Sexualität eine Sünde ist, sondern die sexuelle Vereinigung wird als ein natürliches Verlangen betrachtet; jeder kann diesem Verlangen nachgehen oder nicht, so wie er möchte. Die westliche Religion hat gelehrt, dass Sexualität eine Sünde ist; nur ein einziger Mensch ist ohne Sünde geboren, während alle anderen in Sünde geboren wurden. Menschen mit diesem Erbe müssen erst das tief sitzende Schuldgefühl von sich abschütteln.
Mit dieser Erziehung muss man eine Erklärung für das sexuelle Leben finden, und so ist Tantra eine Art Tarnung geworden. Der tantrische Gedanke ist sehr klar und gradlinig, was diesen Punkt betrifft. In den alten Schriften kann man lesen, dass nichts dabei ist, Wein zu trinken, Fleisch zu essen und den Geschlechtsakt zu vollziehen. Dies sind natürliche Bedürfnisse des menschlichen Wesens; kann man sie jedoch transzendieren, dann wird sich ein rasanter spiritueller Fortschritt einstellen. Man sollte also Tantra nicht als Tarnung für irgendein Bedürfnis des menschlichen Lebens benutzen.
Die Frau kommt zuerst
Im Tantra übernimmt die Frau die Initiative. Ramakrishna Paramahamsa hat seine Frau Sarada immer als Devi, als Göttin, verehrt. Als er heiratete, war er sehr jung und seine Frau war noch ein Kind, aber trotzdem hat er sie stets nur als die göttliche Mutter gesehen. Dementsprechend hat er sich immer ihr gegenüber verhalten und hat niemals etwas anderes in ihr gesehen.
Die Frau wird im Tantrischen mit äußerster Vorsicht behandelt, denn sie ist die Hochspannungsleitung für die Kundalini-Energie. Man braucht sich nicht vor ihr zu fürchten, allerdings muss man sehr behutsam mit ihr umgehen, denn in ihr liegt die Kraft einer großen Explosion. Als Ehefrau ist sie Ehefrau, gut; aber wenn sie tantrische Partnerin im spirituellen Leben ist, dann steht ein anderer Sinn dahinter, und der ganze Ablauf ist ein anderer.
Seit undenklichen Zeiten gibt es in Indien diese Tradition. Wenn ein Paar begrüßt wird, grüßt man immer zuerst die Frau und dann den Mann. Wir sagen niemals Ram Sita, sondern Sita Ram; niemals Shyam Radhe, sondern Radhe Shyam. Rhada ist das weibliche Prinzip und Shyama ist das männliche Prinzip. Der ganzen Evolution liegt das zugrunde, Shakti kommt zuerst, dann kommt Shiva.
Wenn ein Mann mit dieser Einstellung den spirituellen Weg entweder mit der Ehefrau, der Tochter, Freundin oder Schülerin betritt, wird er bemerken, dass immer die Frau die Antreibende ist und er selbst der Mitläufer, auf jeder Ebene. Auch wenn ein Mann sein höheres Bewusstsein entwickelt hat, wird er immer Schwierigkeiten haben, anderen dieses zu vermitteln, solange er nicht eine Frau bei sich hat.
Tantrische Hypothese in Hatha Yoga
Nun, man sollte nicht übersehen, dass es in Tantra noch einen anderen Weg gibt: Dakshina Marga oder auch vedischer Tantra. Hier ist eine Frau als die Führende nicht notwendig, denn jeder trägt beide Kräfte in sich. Ida ist das weibliche Prinzip, und Pingala ist das männliche Prinzip. Die Vereinigung zwischen den Kräften der Mentalität und der Vitalität ist gleichbedeutend mit der Vereinigung von Mann und Frau. Das ist die Grundlage von Hatha Yoga.
Ida ist Shakti und Pingala ist Shiva. Wenn sie sich im Ajna Chakra begegnen, dann ist das die wahre Vereinigung. Shakti hat ihren Sitz in Muladhara. Shiva hat seinen Sitz in Sahasrara. Shiva verharrt dort in ewigem Yoga Nidra – tatenlos, unbeteiligt, namenlos und formlos. Er hat nichts zu tun mit der Zerstörung oder der Erschaffung.
Sein Bewusstsein ist grenzenlos und vollkommen. Es gibt keine Bewegung, keine Schwingung in Sahasrara. Durch Yogaübungen erweckt man die Shakti-Kraft in Muladhara, und irgendwann wird sie aufsteigen und sich durch Sushumna(den Rückenmarkskanal) zum Ajna Chakra bewegen. Und wenn Shakti dieses Chakra erreicht, dann vollzieht sich die Vereinigung.
Shivas Tanz
Diese Vereinigung kann sich vollziehen, wenn die beiden Energiepole zusammentreffen. Wenn man Licht einschaltet, leuchtet das Licht, weil die beiden Leitungen sich vereinigen können. Ebenso ist es im Ajna Chakra – die Vereinigung vollzieht sich, und gleichzeitig gibt es eine Explosion. Die Energie, die im Ajna Chakra erzeugt wird, bewegt sich zum Sahasrara Chakra. Shiva und Shakti verbinden sich miteinander. Während sie sich vereinigen, beginnt Shiva seinen Tanz, der Ausdruck von Nataraj. Shiva, der aus seinem tiefen Yoga Nidra erwacht, beginnt zu tanzen.
Hier ist nicht die Rede von einem Mann, sondern von einer Kraft. Shivas Tanz, wie er in Nataraj ausgedrückt wird, symbolisiert das Erwachen dieser menschlichen Kraft. Shiva und Shakti bewegen sich nun zusammen auf dem gleichen Weg zurück zum Muladhara Chakra.
Sie steigen gemeinsam herunter auf die weltliche Ebene, in die grobstoffliche Erscheinungswelt. Auf diesem Weg kommen Heilige von Zeit zu Zeit zu uns. In Sri Aurobindos Philosophie kann man Zeuge von dem Erwachen dieser Energie werden, von der Vereinigung mit Shiva, von dem gemeinsamen Tanz und dem Abstieg auf unsere Existenzebene. Deshalb gibt es in Kriya Yoga aufsteigende und absteigende Wege – Arohan und Awarohan.
Dies ist eine Beschreibung der Frauenrolle in der tantrischen Tradition, aber in den modernen Kulturen ist das Bewusstsein weit davon entfernt. Überall auf der Welt kämpfen Menschen mit ihrer eigenen Schuld und Sünde. Wer die ursprüngliche Rolle der Frau jetzt und hier wieder aufleben lassen möchte, der muss sein eigenes inneres Verhalten verändern.
Es ist notwendig, dass unsere soziale Struktur auf einem neuen Unterbau religiöser Tatsachen gegründet ist, in dem die Frauenrolle in der menschlichen Evolution in seinem ganzen Ausmaß verstanden und akzeptiert wird. Das ist Voraussetzung für das Entstehen einer neuen Gesellschaft, und jeder einzelne muss das für sich erkennen und daran arbeiten. Dann wird das, was gelebt und gelehrt wird, nicht mehr das Resultat der eigenen inneren religiösen Konflikte sein.
Swami Satyananda über Tantra Yoga (Video):
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/mantra2022-02-16T09:00:00+01:002022-03-10T13:40:35+01:00MantraAnanda Verlag AdminIn der Tantrischen Philosophie ist Mantra eine Kraft, die zum Erwecken des spirituellen Bewusstseins nutzbar gemacht werden kann. Die Basis von Mantra ist Klang, der sich vom Groben zum Feinen bewegt. Im ganzen Kosmos gibt es langsame, mittlere und schnelle Klangwellen. Die mittleren sind für uns wahrnehmbar, die langsamen und schnellen dagegen nicht. Wenn der Klang eines Mantras hörbar ist, ist die Frequenz im mittleren Raum und für uns wahrnehmbar. Aber wenn das Mantra still intoniert wird, ist die Frequenz höher und für uns nicht mehr wahrnehmbar.
Normalerweise wird das Wort Mantra mit der Bedeutung „Klangschwingung“ übersetzt. Die wörtliche Bedeutung im Sanskrit ist jedoch: „Die Kraft, die den Geist aus der Fessel befreit.“ Im Sanskrit hat das Wort Mantra verschiedene Wurzeln: Mananat – „Fessel des Geistes“, Trayate – „freisetzen“ oder „befreien“, Iti – „durch“ oder „so“, Mantraha – „die Kraft der Schwingung“. Was ist das für eine Kraft, die den Geist durch das Wort von seiner Fessel befreit?
Laut Yoga hat der grobstoffliche Geist oder die mentale Natur zwei Attribute, die ihn in Gefangenschaft halten. Das eine ist Mala und bedeutet „Unreinheiten“. Das andere ist Vikshepa und bedeutet „Zerstreuung“. Der in Erscheinung tretende Geist enthält Unreinheiten und ist zerstreut.
Was sind diese Unreinheiten? Sie sind die Ursache, weshalb wir uns von den tamasischen und rajasischen Lebensqualitäten anziehen lassen und in einer bestimmten Weise erfahren, handeln, und uns verhalten. Der Geist drückt ein tamasisches oder rajasisches Wesen in einer bestimmten Weise aus. Mala ist die Bereitschaft, von tamasischen und rajasischen Lebensaspekten angezogen zu werden. Die Definition von Vikshepa ist das Gefühl der Unzufriedenheit mit unserem augenblicklichen Leben:
Wir wollen mehr, etwas anderes, eine andere Art des Vergnügens. Ablenkung des Geistes ist Vikshepa. Der Geist springt nur von einem zum anderen, weil er sich selbst vergnüglich stimmen will. Wenn es kein Verlangen nach Amüsement gäbe, wäre der Geist absolut ruhig, still und friedlich. Wenn du darüber nachdenkst, wirst du verstehen, wie wichtig eine innere Ruhe für dein Leben ist. Das Verlangen nach Vergnügen ist Vikshepa.
Der Sinn von Mantra ist es, den Geist von dem Muster zu befreien, das ihn ununterbrochen nach Vergnügen suchen lässt. Mantra will den Geist davor schützen, dass er sich von den tamasischen und rajasischen Lebensqualitäten anziehen lässt, die selbstsüchtige Ambitionen und Verlangen befriedigen und die Ego-Identität im Vordergrund halten.
Mantra ist Schwingung. Das größte Mantra ist Anahata Nada, der unangeschlagene Ton. Der Klang des schwingenden Kerns im Atom – das ist Anahata Nada. Im Grunde genommen bedeutet es „Nichts“, denn es ist der tonlose Klang. Hier kommt die yogische Physik ins Spiel. Wo Bewegung ist, ist unweigerlich auch Schwingung, und sie erschafft wiederum einen subtilen Ton.
Die Atome sind ununterbrochen in Bewegung und erzeugen eine Gruppe von Schwingungen. Wie werden wir uns dieser Schwingungsgruppen bewusst? Es geschieht, indem die Achtsamkeit angeregt wird und wir tief in unseren psychischen Körper eindringen. Vergiss bitte nicht, dass der Geist der eine Aspekt von Mantra Yoga ist, der psychische Körper ein anderer und die Klangschwingung der dritte Aspekt.
Mantra Meditation – Der mentale Aspekt
Zuerst möchten wir uns dem Geist zuwenden, der laut yogischer Deutung keine physische, sondern eine feinstoffliche Kraft ist. Um die Funktion des Geistes als nicht-physische Kraft zu beleuchten, gibt Yoga das Beispiel einer einzelligen Amöbe. Die Amöbe hat kein Gehirn und keine Nerven, trotzdem reagiert sie auf Stimuli. Legt man der Amöbe ein Reiskorn hin, wird es konsumiert, ein Tropfen Säure wird jedoch nicht berührt. Was befähigt die Zelle, den Reis zu nehmen und die Säure zu meiden?
Yoga sieht das als eine Kraft, die jede Art Lebenskraft, Energie und Ausdruck lenkt. Es wurde als Mahat, der größere Geist, bezeichnet. Mahat ist in vier Bereiche unterteilt: Manas, Buddhi, Chitta und Ahamkara. Mahat wird als die Energie betrachtet, die die gesamte Struktur des Menschen durchzieht, sich jedoch in besonders dynamischer Form in Manas, dem denkenden, rationalen Aspekt zeigt und zum Ausdruck bringt.
Ebenso zeigt er sich in Buddhi, dem unterscheidenden, analysierenden und verstehenden Aspekt, in Chitta – dem Aspekt des Bewusstseins, durch den registriert und gespeichert wird, und in Ahamkara – dem Ich-Bewusstsein oder der individuellen Identität. Diese vier verschiedenen Bereiche stehen im Austausch mit der Welt der Sinne: Name, Form und Idee, Zeit, Raum und Objekt. Dieses ist kurz zusammengefasst die yogische Vorstellung von Geist.
Mantra Meditation – Der psychische Aspekt
Der psychische Körper ist ein tieferer Aspekt des feinstofflichen und des Kausalkörpers, oder des Unterbewussten und des Unbewussten. Der unterbewusste Bereich wird als feinstofflicher Körper bezeichnet und das Unbewusste als der Kausalkörper. Die ungefähre Grenzzone zwischen Unterbewusstem und Unbewusstem wird als der psychische Körper bezeichnet, der sich folgendermaßen beschreiben lässt:
Durch die vier Bewusstseinsstufen – grobstofflich, feinstofflich, kausal und transzendent – werden im Yoga zweierlei Erfahrungen gemacht. Das Grob- und das Feinstoffliche stellt die äußeren Erfahrungen dar. Das Kausale und das Transzendente stellt die inneren Erfahrungen von Geist oder Bewusstsein dar. Der psychische Körper ist die Zone, in der sowohl innere als auch äußere Erfahrungen visualisiert und erfahren werden.
Der psychische Körper wird zum Verbindungsglied zwischen den äußeren, physischen und mentalen Erfahrungen und den tiefen, innerlichen Schwingungsebenen unserer gesamten Persönlichkeit. Die ganze Theorie von Kundalini Yoga, einschließlich der Chakras, der Nadis und dem Erwachen von Kundalini, basiert auf den Erfahrungen des psychischen Körpers. Deshalb bezeichnet man die Chakras als psychische Zentren. Muladhara, Swadhisthana, Manipura und Anahata sind die vier psychischen Zentren, die in den äußeren Erfahrungsbereich von grobstofflich und feinstofflich gehören. Vishuddhi, Ajna, Bindu und Sahasrara gehören zur inneren Dimension.
Muladhara repräsentiert die Selbstidentität und Sicherheit, Swadhisthana die tiefen Samskaras, Manipura die äußere, in Erscheinung tretende Dynamik und Anahata die Emotionen und Gefühle. Diese vier zählen zu den äußeren Erfahrungen. Dann folgen die vier Chakras der inneren Erfahrungen: Transzendenz, Reinheit, Ausdehnung und Offenheit sind Erfahrungen von Vishuddhi; die intuitive Fähigkeit, etwas aus dem Unbekannten herauszuziehen und es in Bekanntes zu übersetzen, wird durch Ajna dargestellt; in Bindu herrscht Gewahrsein der Quelle, der Punkt, an dem makrokosmische und mikrokosmische Erfahrungen in eine einzige zusammenfließen; und Sahasrara steht für Erleuchtung.
Alle diese Erfahrungen ereignen sich im psychischen Feld, das aus verschiedenen Schwingungsformen besteht. Diesen Schwingungen wurden Klänge zugeordnet, die vom niederen Geist – Manas, Buddhi, Chitta und Ahamkara – verstanden werden können. Es sind fünfzig Klänge, und jeder Klang oder jede Schwingungsform zeigt sich in Symbolform auf den Blütenblättern der verschiedenen Chakras.
Durch Wiederholung dieser bestimmten Klangschwingungen in der Meditation werden die jeweiligen Chakras aktiviert. Allerdings müssen dabei die Konzentration und die Bewusstheit sehr intensiv sein, sonst erreicht man nichts. Ob es sich um ein einsilbiges Mantra handelt oder um eines, das seitenlang ist, die Wirkung der Meditation ist ohne geistige Intensität, Konzentration und Achtsamkeit gleich null.
Kräfte, die sich hierdurch entwickeln, sind: Konzentration, Bewusstheit, Intensität und Visualisierung des psychischen Körpers im physischen Rahmen. Die Chakras existieren zwar nicht im physischen Körper, aber hier werden sie visualisiert. In den verschiedenen Körperbereichen haben sie ihren ganz bestimmten Platz. Muladhara befindet sich in der Dammregion, Swadhisthana in der Kreuzbeinregion, Manipura im Lendenbereich, Anahata in der Brustregion, Vishuddhi im Halsbereich, Ajna im Mittelhirn, Bindu oben im Kopf und Sahasrara in der Kopfkrone.
Dieses sind die Bereiche im physischen Körper, die mit den Chakra Punkten im psychischen Körper korrespondieren. Das Wahrnehmen der Chakras und von Kundalini findet im psychischen Körper statt, und man kann auf diesem Weg viele der tiefen, mentalen Erfahrungen umschiffen. Kundalini Yoga wird deshalb als eine der schnellsten Yoga Methoden betrachtet, durch die man viele Stufen umgehen kann. Dazu ist es jedoch erforderlich, sich der Persönlichkeit anders zu nähern und sie anders verstehen zu können, und dazu ist nicht jeder in der Lage.
Der Aspekt der Klangschwingung
Der dritte Aspekt ist das Mantra, die Klangschwingung, die in fünfzig Klänge unterteilt wurde. Verschiedene Kombinationen dieser Klänge werden zu unterschiedlichen Mantras. Nimm als Beispiel das Mantra Om Namah Shivaya „Ich grüße Shiva“. Das ist ein intellektuelles Begreifen oder Übersetzen dieses Mantras.
Viele Menschen geben dem Mantra eine falsche Interpretation, wenn sie glauben, es gehöre nur zu einem bestimmten Gott oder einer bestimmten Göttin, und dann beginnen Fragen und Zweifel: „Will man mich ummodeln, bekehren? Soll ich an etwas glauben, von dem ich nichts weiß? Wie kann ich an diesen nackten, mit Schlangen geschmückten Shiva glauben?“ Diese Art der intellektuellen Deutung ist jedoch nicht der Sinn von Mantra.
Durch die Wiederholung des Mantras Om Namah Shivaya werden diese Klänge stimuliert und Kräfte aus den Inhalten der verschiedenen Chakras wachgerufen, die mit diesen bestimmten Klängen verbunden sind. „Na“ könnte ein Klang aus jedem der Chakras sein, so wie auch „Ma“, „Shi“, „Va“ oder „Ya“. Sahasrara enthält als das höchste Chakra eintausend Blütenblätter, von denen jedes eine verschiedene Kombination der fünfzig Klänge auf kosmischer Ebene darstellt.
Dieses sind also die drei Aspekte von Mantra Yoga:
der Geist, der psychische Körper und die Klangschwingung. Als Nächstes werden wir folgende Punkte diskutieren: Was bedeuten die verschiedenen Mantra Arten? Auf welche Weise beeinflusst und verändert das Mantra die mentale Persönlichkeit? Auf welche Weise erweckt ein Mantra die psychische Persönlichkeit?
Die Arten von Mantras
Lasst uns zuerst die verschiedenen Mantra-Arten verstehen. Im Allgemeinen sind Mantras bestimmte Silben oder Worte, die Yogis, Sadhus, Forscher und Denker benutzen, um eine bestimmte Veränderung in unserem inneren System hervorzurufen. Traditionellerweise kann man zwei Hauptgruppen von Mantras erkennen. Eines ist das universale Mantra, das andere ist das individuelle.
Die universalen Mantras sind hinreichend bekannt und wurden von verschiedenen Traditionen für meditative und kontemplative Übungen angewandt. Beispiele langer universaler Mantras sind:
Maha Mrityunjaya Mantra
Om Trayambakam Yajamahe Sugandhim Pushti Vardhanam Urvarrukamiva Bandhanat Mrityor Mukshiya Ma Amritat.
Gayatri Mantra
Om Bhur Bhuvah Svah Tat Savitur Vareniyam Bhargo Devasya Dhimahi Dhi Yo Yonah Prachodayat.
Beide Mantras setzen sich aus verschiedenen Klängen zusammen. In jedem Mantra liegt die Betonung auf einem bestimmten Klangtyp. Im Mahamrityunjaya Mantra ist der vorherrschende Klang „Am“, während es im Gayatri Mantra der Klang „Ha“ ist. Um eine bestimmte Veränderung im aktiven, peripheren Bewusstsein herzustellen, wurden diese Kombinationen von verschiedenen yogisch denkenden Menschen zusammengestellt.
Beispiele für weniger lange universale Mantras sind:
Om Namah Shivaya Om Namo Bhagavate Vasudevaya Om Namo Narayana Hare Krishna
Zu den kurzen Mantras zählen Soham und Om. Sie alle gehören zur Kategorie der universalen oder allgemeinen Mantras, die von jedem, der nach innerem Verstehen der mentalen, feinstofflichen und psychischen Persönlichkeit strebt, wiederholt werden können.
Die zweite Gruppe besteht aus individuellen oder persönlichen Mantras. Diese Mantras werden entsprechend dem Bedarf für bestimmte Ziele benutzt. Sie können sowohl einsilbig sein, dann nennt man sie Bija Mantras, als auch aus Klangkombinationen bestehen. Zur Yoga Tradition gehören diese beiden Arten der individuellen Mantras, während andere spirituelle Traditionen ihre eigenen Mantra Gruppen geschaffen haben.
Sie alle erwecken bestimmte Zentren oder lassen eine bestimmte Fähigkeit des Geistes verstehen. Lasst uns die tantrischen Mantras Hrim und Klim betrachten. Es sind Kombinationen verschiedener Konsonanten und Vokale, die eine dynamische Veränderung des der Persönlichkeit innewohnenden Energiemusters erzeugen. Die vedischen oder vedantischen Mantras wie Aham Brahmasmi und Tattwamasi verändern den normalen Bewusstseinszustand und lassen die Sinne durch das „Nachinnenziehen“ der mentalen Fähigkeiten zurücktreten.
Die universalen Mantras kann jeder auch ohne direkte Führung üben. Die individuellen Mantras werden jedoch im Allgemeinen vom Lehrer an den Schüler weitergegeben. Das geschieht mit Blick auf den Persönlichkeitstyp und hängt davon ab, welche Art der Veränderung oder Stimuli gebraucht wird, um die verschiedenen Persönlichkeitsbereiche zu erwecken. Das ist die grundlegende Beschreibung universaler und individueller Mantras.
Was bewirkt ein Mantra?
Es ist wichtig zu erkennen, wie Mantras die mentalen Muster verändern und Heilung erzeugen, unabhängig davon, zu welcher Tradition sie gehören. Yoga sieht hier die mentale Struktur als das vorherrschende, aktive Bewusstsein und als schlafende Energie. Das psychische Muster oder die psychische Persönlichkeit ist hingegen aktive Energie und schlafendes Bewusstsein.
Obwohl die Quantität von Energie und Bewusstsein gleich sein mag, ist in einem Aspekt das Bewusstsein aktiver, und in einem anderen die Energie. Die Fähigkeiten von Buddhi, Manas, Chitta und Ahamkara sind die verschiedenen Ausdruckskräfte unseres aktiven Bewusstseins. Prana, die Chakras und Kundalini sind die verschiedenen Erscheinungsformen von aktiver Energie. Das ist der Hauptunterschied zwischen dem mentalen und dem psychischen Körper.
Gleichgültig wie das Mantra lautet, wenn wir damit beginnen, es in der Meditation so zu wiederholen, dass der Geist darauf fixiert ist, beginnt die Konzentration. Das ist der erste Schritt, wenn wir meditieren. Zu anderen Zeiten, wenn wir nicht konzentriert sind, springt der Geist von einem Punkt zum nächsten, immer auf der Suche nach Stimuli und Abwechslung.
Hier sind die Geisteskräfte und die Energien zerstreut. Buddhi, Manas, Chitta und Ahamkara sind zerstreut. Die Wiederholung eines Mantras hilft uns, die Zerstreuung dieser vier mentalen Bereiche zu beenden. In dem Moment, wenn die Zerstreuungen aufhören, zieht Stille in diese Bereiche ein. Sie werden ruhig, die Aktivität ist beendet.
Zerstreuung ist wie das Öffnen eines Fensters und den Wind durch Kleidung und Papiere streichen zu spüren. So geht es in unserer Persönlichkeit ununterbrochen zu. Alles wird in den Zimmern von Buddhi, Manas, Chitta und Ahamkara durcheinander gewirbelt. Sind die Fenster geschlossen, breitet sich sofort Stille aus. Die gleiche Wirkung tritt am Anfang durch das Mantra ein. Gedankenstille ist der erste Hinweis auf Mantra-Konzentration.
Zum anderen werden die mentalen Vorgänge durch ein Mantra ausbalanciert, denn die Fähigkeiten und Energien, die in jedem Bereich existieren, werden gleichmäßig verteilt. Was bedeutet das? Wir nehmen als Beispiel wieder den Wind, der durch die offenen Fenster bläst. Wenn du dich direkt vom Wind berühren lässt, wirst du die Kraft spüren. Wenn du irgendwo außerhalb der Windrichtung im Hintergrund sitzt, wirst du ihn nicht spüren, obwohl er genauso stark ist. Der einzige Unterschied ist der: weil du außerhalb der Windrichtung sitzt, wirst du nicht von ihm berührt.
Wenn das Fenster jedoch geschlossen ist, findet sich die Stille im ganzen Raum. Egal, in welche Richtung du dich bewegst, ob Norden, Osten, Süden oder Westen, überall fühlst du die Stille. Nirgends im Raum wird der Wind blasen. Das ist mit der gleichmäßigen Verteilung von Energien und Fähigkeiten in jedem Bereich des Geistes gemeint. Die zweite Stufe von Mantra ist das gleichmäßige Verteilen der mentalen Aktivitäten, sodass der Geist homogener wird.
Auf der dritten Stufe der Mantra Meditation werden mentale Verspannungen beseitigt. Wenn wir mit einem bestimmten Erlebnis, einer Idee oder objektiver Bewusstheit konfrontiert sind, dann gibt es in einem Bereich Anspannung und in einem anderen Entspannung, wie der Effekt einer stehenden Welle. Das ist es, was normalerweise passiert, wenn wir den Aufprall von Ideen, Eindrücken oder Situationen in einem der vier geistigen Bereiche erleben. Manchmal verursacht ein besonders ausgeprägtes Gefühl oder Verlangen Spannung und Störung. Bei solchen Störungen bauen sich Spannungen in einem Bereich des Bewusstseins auf. Das kann durch einen einzigen Gedanken passieren.
Menschen fallen wegen eines einzigen Gedankens oder einem einzigen Gefühl in eine Depression. Sie geraten in Panik wegen irgendeiner sich verändernden Umweltsituation. Aus dieser Spannung heraus entsteht das Gefühl: „Ich schaffe das nicht.“ Die Beseitigung von Spannung oder der hochgradigen Aktivität des Bewusstseins findet also in der dritten Stufe von Mantra Yoga statt. Der Effekt einer stehenden Welle verwandelt sich in eine fließende, horizontale Welle.
In diesem Verlauf wird es möglich, die in bestimmten Teilen des Bewusstseins vorhandenen Schwächen durch das Üben von Mantras auszubalancieren. Es sind Schwächen, die uns unfähig machen, mit Situationen umzugehen, oder sie berauben uns eines gewissen Selbstbewusstseins und Selbstvertrauens. Wenn die Aktivitäten des Bewusstseins sanfter oder gradliniger werden, gewinnen wir Selbstvertrauen, wir verbessern unsere Lebenseinstellung und fühlen eine innere Stärke aus der Tiefe aufsteigen.
Wenn du nicht schlafen kannst, kann sich das durch ein Mantra normalisieren, dann nämlich, wenn die Ebbe des Bewusstseins aufsteigt und die Flut zurückweicht. Weiterhin verbessern sich das Gedächtnis, die Konzentration, die Ausdruckskraft und die Interaktion. Der dritte Aspekt von Mantra ist die Verbesserung der bewussten Fähigkeiten, die wir nutzen, um unsere Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen.
Auf der vierten Stufe der Mantra Meditation geht es darum, den Geist so feinfühlig zu machen, dass er wie ein Seismograf wird, der in der Lage ist, die feineren Schwingungen bei Menschen, von Orten und Alltagssituationen zu erkennen. Diese durch innere Harmonie, Ausgewogenheit und Balance geschaffene mentale Sensibilität wird jede Welle in der Umgebung aufgreifen, die mit deinen Gefühlen nicht harmoniert. Wenn jemand ärgerlich ist und in den Raum hereinkommt, wirst du diesen Energiestoß spüren.
Wenn du auch ärgerlich bist, wirst du es nicht fühlen, weil du dich mit einem Schild schützt. Wenn jemand in einer anderen Stimmung oder Geisteshaltung ist, wird dir das auffallen, weil du deine Aufnahmekräfte nach außen ausgedehnt hast. Die Sensibilisierung des Bewusstseins ist der vierte Aspekt von Mantra Yoga. Mit dieser sensiblen geistigen Achtsamkeit ziehen wir die Bewusstseinskräfte nach innen, um den psychischen Körper, in dem die Energie durch die Mantra Übung erwacht ist, betreten zu können.
Dieses ist der Ablauf, wie Mantra Yoga die mentale Persönlichkeit verändert und auslotet. Als Nächstes werden wir uns der Auswirkung der Übung widmen, die die psychische Ebene beeinflusst.
Wie das Mantra die psychische Persönlichkeit erweckt
Nachdem die bewussten Fähigkeiten harmonisiert worden sind, kann der psychische Körper betreten werden. Dies geschieht mithilfe von Konzentration, Achtsamkeit, Intensität und Sensibilität, die sich in den anfänglichen, durch den Mentalkörper bewegenden Übungen entwickeln konnten. Die erste Wahrnehmung des psychischen Körpers geschieht in Form von Prana, und die Anwendung eines Mantras vertieft diese Wahrnehmung. Wir alle bringen unser Prana in der einen oder anderen Weise – dynamisch oder passiv, äußerlich oder innerlich – zum Ausdruck, sind uns jedoch dessen nicht bewusst.
Dieser unbewusste pranische Ausdruck kann ein Ungleichgewicht verursachen, das sich bis zur Ebene des Mentalkörpers hinunterbewegen und zu pranischen Blockaden führen kann. Diese werden als Energiemangel im Körper erlebt, als geistige Müdigkeit oder Lethargie und Unlust, irgendetwas zu tun oder zu denken. Diese Unlust ist kein Vorgang des Bewusstseins, sondern Teil der pranischen Aktivität, die sich in den Mentalkörper hinein filtert und zu Symptomen führt wie Lethargie, etc. Pranische Blockaden sind also der erste Aspekt psychischen Ungleichgewichts, die mithilfe eines Mantras korrigiert werden können.
Die anfängliche Erfahrung mit einem Mantra wird mentale Entspannung sein, die nicht lethargisch sein wird, sondern dynamisch. Im Zustand der dynamischen Entspannung wird die pranische Struktur ins Gleichgewicht gebracht. Danach werden mithilfe von Konzentration visuelle, mentale Einprägungen des psychischen Körpers in Form der Chakras, Yantras und Symbole erzeugt. Wir erwecken unsere Chakras nicht, sie erwecken sich selbst, und zwar durch die Kombination visueller Eindrücke, dem Einfluss der Schwingung eines Mantras und der Intensität der Konzentration auf mentale, visualisierte Bilder.
Als Beispiel nehmen wir Ajna Chakra. Die Meditation beginnt mit einem Mantra, und wenn das Bewusstsein sensibilisiert ist, lässt sich das Ajna Chakra visualisieren. In dem Moment, wenn wir das Yantra des Ajna Chakras visualisieren, wird die gesamte Achtsamkeit zur Ebene des psychischen Körpers gelenkt. Die visuelle Einprägung ist nur eine Hilfe, so wie wir ein Fernglas benutzen, um Gegenstände in der Ferne besser sehen zu können. In genau dieser Weise nutzen wir visuelle Eindrücke, um die psychische Erfahrung als solche zu erkennen.
Indem wir nur etwas sehen, geschieht noch gar nichts. Erst durch die ununterbrochene Schwingung des Mantras fühlen wir die Anregung innerhalb des Chakras. Vielleicht spürst du Hitze dort aufsteigen, vielleicht fühlst du die kreisende Bewegung oder andere seltsame Empfindungen. Der Kopf wird in andere Dimensionen schweben. Das Mantra und die Intensität der Konzentration arbeiten also im psychischen Körper zusammen.
Wenn Prana sich entspannt hat, folgt das Stimulieren oder das Erwecken der Nadis, das Erwecken der Chakras oder das Erwachen einer bestimmten psychischen Fähigkeit in Verbindung mit einem Chakra. Die Fähigkeiten der einzelnen Chakras werden sich sogar noch mehr zum Ausdruck bringen, wenn die jeweiligen Bija Mantras benutzt werden. Wenn du z. B. das Bija Mantra Yam benutzt, während du dich auf das Anahata Chakra konzentrierst, wirst du mit Sicherheit dort etwas empfinden.
Wenn du das Bija Mantra Om mit Konzentration im Ajna Chakra benutzt, wirst du dort etwas empfinden. Wenn du jedoch das zum Muladhara Chakra gehörende Bija Mantra Lam benutzt und versuchst, damit das Vishuddhi Chakra zu erwecken, wird nichts passieren. Du kannst es versuchen, aber es wird sicher keine Empfindung auslösen. Selbst Konzentration wird nicht möglich sein, weil diese beiden keine Verbindung zueinander haben. Es ist, als würdest du dein Fernglas auf einen bestimmten Punkt richten und versuchen, in einer anderen Richtung etwas zu erkennen.
Im psychischen Körper spielen die Klangvibrationen eine besondere Rolle. Das hängt davon ab, wie die Klangschwingungen wiederholt, rezitiert und benutzt werden. Es gibt z. B. eine meditative Übung¸ in der das Mantra Om in unterschiedlicher Weise hintereinander rezitiert wird. Zuerst ist das Om kurz und scharf, dann kurz und weich, dann ist es von mittlerer Länge und wird geflüstert, das vierte Mal ist es länger und lauter. Jedes Mal wird ein anderes Ergebnis oder eine andere Erfahrung hervorgerufen. Das ist ein essenzieller Aspekt bei der Anwendung eines Mantras.
In der yogischen Tradition heißt es, dass es möglich ist, die Chakras und Kundalini allein durch die Anwendung eines Mantras zu erwecken, ohne vorheriges Training in Hatha Yoga oder Raja Yoga. Es heißt weiter, dass es sogar möglich ist, Samadhi auf direktem Wege zu erlangen, allein durch die Anwendung eines Mantras. Natürlich braucht es seine Zeit, bis ein bestimmter Grad an Intensität erreicht ist, und nur wenige Menschen haben diese Intensität von Anfang an.
Um die Intensität und Konzentration allmählich aufzubauen, muss man verschiedene Vorbereitungen durchlaufen. Deshalb können wir uns auch nicht gleich dem Mantra widmen. Wer das ohne entsprechende Vorbereitung versucht hat, ist verrückt geworden. Wenn nämlich die Mantra Übung überhandnimmt, brennt der Geist durch.
Mantras stimulieren die Energien, die schwer zu lenken sind. Manchmal wird Muladhara derart aktiv, dass es unmöglich ist, die Gefühle der Unsicherheit unter Kontrolle zu halten. Man fällt in tiefe Depression. Es ist schwer, den sexuellen Trieb zu kontrollieren. Und es gibt absolut keine Kontrolle über solche Energieausdrucksformen, ohne dass ein Meister, der nicht allein an Liebe und Mitgefühl glaubt, sondern, auch wenn nötig einen Stock benutzt, nahe beim Schüler ist. Deshalb versuche keine Ergebnisse durch sofortige Mantra Übung zu erzielen.
Der Tradition entsprechend ist das höchste universelle Mantra, das benutzt werden kann, um den psychischen Körper zu erwecken und zu betreten, das Ajapa Mantra Soham mit dem Atem. Drei der großen Upanishaden sprechen von der Ajapa Japa Technik als dem letzten Schritt vor der Erleuchtung. Die Erfahrung des psychischen Körpers variiert von einem Menschen zum anderen, entsprechend seiner psychischen und mentalen Evolutionsebene, und entsprechend dem Chakra, das innerhalb der jeweiligen Persönlichkeit besonders aktiv ist. Das ist die Vorstellung, wie ein Mantra das psychische Gebilde verändert.
Wie das Mantra in der Meditation geübt wird (Definition)
Wenn Mantras in einer bestimmten Weise angewendet werden, nennt man das Japa Yoga oder den Yoga der Mantra Wiederholung. Japa Yoga ist Teil der Mantra Yoga Wissenschaft. Es gibt vier verschiedene Stufen der Mantra Wiederholung, die sich folgendermaßen klassifizieren lassen:
Baikhari
Upanshu oder Madhyama
Manasi oder Pashyanti
Para
Baikhari ist die verbale Wiederholung. Dies ist die Anfangsstufe von Japa Yoga. Wenn das Mantra laut gesprochen wird, sollten Sprache und Intonierung, Konzentration und Achtsamkeit von Klarheit geprägt sein. Die richtige Aussprache wird als wichtig erachtet. Wenn Intensität, Konzentration und Klarheit während der Übung vorherrschen, wird die Wirkung des Mantras intensiver. Es wird den geistigen Rahmen, die innere Einstellung und das Verhalten verändern. Das Gleiche gilt auch für Kirtan. Manchmal verändern wir die Aussprache eines Kirtans entsprechend unserer Gewohnheit, und hier müssen wir sehr achtsam sein.
Baikhari besteht aus fünf Möglichkeiten, die nachfolgend aufgeführt werden:
Verbale Wiederholung kombiniert mit körperlichen Aktivitäten.
Kirtan, Rezitieren und Singen von Mantras in verschiedenen Melodien oder Ragas.
Die erste Methode besteht darin, das Mantra kontinuierlich in gleichbleibender Tonhöhe ohne jede Fluktuation verbal zu wiederholen (Chanting). Wenn das gleiche Mantra mit verschiedenen Höhen und Tiefen gesungen wird, wird es ein Kirtan. Die zweite Methode besteht in verbaler Wiederholung synchron mit dem Atem. Natürlich ist es nicht möglich, während des Einatmens das Mantra zu wiederholen, jedoch während des Ausatmens.
Die Einatmung ist also normal, und das Mantra wird während des Ausatmens rezitiert. Die dritte Methode ist die verbale Wiederholung mit einer Mala. Diese Form ist ähnlich der fortwährenden verbalen Wiederholung. Mit der Mala wird die Achtsamkeit jedoch auf die Bewegung jeder einzelnen Perle gelenkt, wodurch der Geist bei dem Mantra bleibt. Die vierte Methode ist die verbale Wiederholung in Verbindung mit körperlichen Aktivitäten, z. B. gehen, still sitzen, im Garten oder in der Küche arbeiten, reisen. Das geht natürlich nicht, wenn man selbst fährt oder ein Flugzeug lenkt.
Upanshu oder Madhyama ist die nächste Stufe von Japa Yoga. Upanshu bedeutet „geflüsterter Klang“. In Baikhari Japa kann das Mantra entweder allein oder in einer Gruppe geübt werden. In beiden Fällen kann das Mantra laut gesprochen werden. Wenn jedoch Menschen anwesend sind, die die Übung nicht verstehen oder keinen Bezug dazu haben, kann das Mantra auch geflüstert werden. Das Flüstern trägt dazu bei, die Achtsamkeit auf das Mantra gerichtet zu halten, auch dann, wenn man trotz starker mentaler Aktivität introvertiert wird. Upanshu Japa kennt vier Methoden, die folgend aufgeführt sind:
Kontinuierliche geflüsterte Wiederholung.
Geflüsterte Wiederholung mit dem Atem.
Geflüsterte Wiederholung mit der Mala.
Geflüsterte Wiederholung im Einklang mit körperlicher Aktivität.
Auf dieser Stufe gibt es kein Chanten oder Kirtan.
Manasi oder Pashyanti ist die Stufe des mentalen Japas. Manasi bedeutet „mental“ und Pashyanti bedeutet „mit dem inneren Auge gesehen“. In Manasi Japa gibt es die folgenden Methoden:
Fortwährende mentale Wiederholung aus sich selbst heraus.
Gedankliche Wiederholung mit dem Atem.
Gedankliche Wiederholung mit der Mala.
Gedankliche Wiederholung mit Konzentration auf ein Symbol.
Gedankliche Wiederholung mit Schreiben in Chidakasha.
Gedankliche Wiederholung mit körperlicher Aktivität.
Dieses sind die unterschiedlichen Methoden von Manasi Japa. Die gedankliche Wiederholung mit Konzentration auf ein Symbol, ein Yantra oder ein Bild einer Gottheit oder des Gurus – ist verständlich. Die Methode, zu sehen, wie das Mantra in Chidakasha geschrieben wird, wird selten benutzt. Hier sieht man das Yantra oder das Symbol nicht, sondern nur die geschriebenen Buchstaben oder Silben des Mantras werden in Deutsch, Sanskrit oder jeder anderen Sprache visualisiert.
Ein solcher Verlauf könnte so aussehen – Du schreibst in Chidakasha: „Om Namah Shivaya“, und während das Mantra gedanklich rezitiert wird, bewegt sich der Blick durch die Buchstaben, die gerade wiederholt werden. Der Geist folgt der Aussprache durch Beobachten der Buchstaben, die geschrieben werden.
Para oder transzendente Wiederholung ist die letzte Stufe von Japa Yoga. Para hat nur eine Form und das ist Ajapa, die fortwährende Mantra-Wiederholung ohne jede Anstrengung. Oft passiert es, dass wir ein Mantra chanten, und wenn wir aufhören, geht die Wiederholung unbewusst weiter und verlässt uns nicht.
Das passiert oft mit Kirtan oder einem Musikstück. Im Geist hört die Melodie nicht auf, und das geschieht ohne jedes Bemühen oder willentliche Kontrolle seitens des Übenden. Mental ergreift es Besitz von uns. Das ist der Para Aspekt, den wir entsprechend der Sensibilität und des Engagements unseres eigenen Geistes mit dem Mantra erfahren. Dieses sind die vier Stufen von Japa Yoga.
Regeln für das Mantra Sadhana
In Japa Yoga heißt es, dass im Allgemeinen die Mantra-Wiederholung zu einem meditativen Vorgang werden sollte. Deshalb muss das richtige Asana gewählt werden. Die richtige Zeit wird festgelegt, entweder am Morgen, am Nachmittag oder am Abend. Versuche, dich an eine feste Zeit für die Mantra Übung zu halten. Wenn du dich für 6 Uhr entschlossen hast, dann solltest du in jedem Fall versuchen, diese Zeit täglich einzuhalten. Wenn einige Tage ausfallen, ist das nicht so schlimm, trotzdem sollte man um Regelmäßigkeit bemüht sein.
Wenn du die festgesetzte Zeit für die Mantra Übung einmal nicht einhalten kannst, holst du sie zu einer anderen Zeit nach. Der Grund, eine regelmäßige Zeit festzusetzen ist folgender:
Während 24 Stunden unbewusster Aktivitäten, ob nun schlafend oder wachend, sollte es eine feste Zeit geben, in der der Geist auf das innere Selbst eingestimmt ist. Diese feste Zeit ist deine ganz persönliche Zeit, und nichts sollte dich während dieser Zeit stören oder ablenken. Im Laufe von 24 Stunden Aktivität sollte es 10 - 15 Minuten, eine halbe oder eine Stunde am Tag geben, die du der Selbstwahrnehmung widmest. Durch Festsetzen der Zeit entwickelt sich die mentale Schulung.
Wenn du normalerweise um 10:00 Uhr frühstückst, wirst du zu dieser Zeit automatisch hungrig sein. Wenn du es gewohnt bist, um 20:00 Uhr schlafen zu gehen, wirst du dich um diese Zeit entspannen, müde werden und zu Bett gehen. Du brauchst gar nicht darüber nachzudenken, denn es ist ein Bedürfnis.
In dieser Weise solltest du auch dein Mantra Sadhana betrachten. Nimm es nicht auf die leichte Schulter, denn der dahinterliegende Sinn ist der, ein Bedürfnis zu schaffen, sodass die Übung spontan zur festgesetzten Zeit ohne große Anstrengung erfolgt.
Du wählst dir ein geeignetes Asana, das du während der ganzen Übung beibehältst, sodass keine Bewegung die Konzentration stört. Beginne nicht sofort mit Japa. Erlaube Körper und Geist, ruhig und stabil zu werden. Wenn du dich gut fühlst, Körper und Geist im Zustand der Ruhe und Stabilität sind, dann beginnst du mit der Übung von Manasi Japa.
Wenn du ein Symbol benutzt, konzentriere dich darauf und visualisiere es zuerst. Wenn du das Symbol siehst, beginnst du mit dem Mantra. Versuche nicht, das Symbol erst später in die Mantra Übung einzufügen. Wenn du eine Mala benutzt, beginne das Mantra mit der Mala.
Es ist auch wichtig, eine festgesetzte Rundenzahl für die Mala einzuhalten, bis das Verlangen entsteht, die Rundenzahl zu erhöhen. Du solltest jedoch nicht mit zehn Malas beginnen und nach einer Woche die Rundenzahl reduzieren. Beginne lieber mit einer Mala, und wenn du dich sicher fühlst, erhöhst du auf zwei Malas, dann drei Malas, und im Laufe der Zeit gehst du bis zu zehn Malas.
Anfangs haben wir keine Kontrolle über die Achtsamkeit des Geistes. Wir können zwar still werden, aber die Achtsamkeit lässt sich nicht während der ganzen Übung aufrechterhalten. Wenn sich die Konzentration intensiviert und sich dabei ein Gefühl von Schläfrigkeit oder Dösen bemerkbar macht, dann verändere die Mantra Übung von Manasi zu Upanshu, dem Flüstern des Mantras.
Da Flüstern eine körperliche Aktivität ist, werden wir uns des körperlichen Vorgangs bewusst und die Aufmerksamkeit kehrt zurück. Wenn durch Gewohnheit doch noch ein unkontrolliertes „Nach-Innen-Rutschen“ mit Schläfrigkeit und Dösen eintritt, dann wechsle zu Baikhari, dem lauten Mantra-Sagen.
Ablenkung ist anders als Schläfrigkeit. Wenn der Geist abgelenkt wird, weißt du genau, dass er nicht mehr unter deiner Kontrolle ist. Du bist zu dieser Zeit nicht unbewusst, trotzdem solltest du in der Lage sein, zur mentalen Stufe zurückzukehren und die Übung fortzusetzen. Hier brauchst du nicht zu Upanshu oder Baikhari zu wechseln. Das machst du nur, wenn du unbewusst wirst und die Achtsamkeit für das Mantra verlierst, weil du zu tief nach innen gegangen bist und keine Kontrolle mehr hast.
Du kannst mentale Zerstreuung nach einigen Momenten kontrollieren, aber über das Unbewusstsein hast du selbst nach ein paar Minuten keinerlei Kontrolle, im Gegenteil, es verstärkt sich immer mehr. In dem meditativen Verlauf von Mantra beginnen wir deshalb mit Manasi Japa und bewegen uns entsprechend dem gedanklichen Zustand zu Upanshu und dann zu Baikhari Japa.
Die mentale Reinigung ist ein zentraler Aspekt von Japa Yoga. Zu Beginn der Mantra Übung kann eine ganze Gedankenflut aufbrechen. Es ist ein Reinigungsprozess, der durch das Mantra ausgelöst wird, ehe sich Harmonie einstellen kann. Oberflächliche Aspekte von Gedanken, Gefühlen oder Wünschen, die im Geist unnötig sind, sich jedoch zum Ausdruck bringen müssen, weil sie so intensiv geworden sind, werden vom Mantra weggefegt.
Vielleicht sind es auch Samskaras, die aus der Tiefe des Bewusstseins in Form eines Wunsches oder eines Gefühls nach oben drängen. Während sie verschwinden, wird eine Wolke des Verlangens oder der Furcht erscheinen. Vielleicht ist es eine intensive Gier nach einem Nahrungsmittel oder nach Schlaf. Das Mantra trägt uns also durch einen Prozess der Reinigung, bevor das Ausbalancieren beginnen kann.
Diese Reinigung und der Vorgang des Ausbalancierens kann durch mehr Runden oder intensiveres Üben nicht beschleunigt werden. Du solltest bei deinem normalen Sadhana bleiben, egal ob du nur eine Stunde, drei Stunden oder fünf Minuten übst. Nicht die Wiederholung ist wichtig, sondern die Achtsamkeit für den Rhythmus, die Schwingung und den Verlauf. Es ist nicht möglich, über eine lange Zeit auf das Mantra konzentriert zu bleiben. Die Gedanken werden abschweifen, hierhin und dorthin laufen. Der Geist folgt einfach seiner natürlichen Gewohnheit.
Psychischer Klang, psychischer Atem, psychisches Symbol
Die Mantra Meditation kennt drei wichtige Aspekte:
Kontinuierliches Gewahrsein des psychischen Klanges oder Mantras.
Das Verbinden des psychischen Klanges mit dem psychischen Atem.
Den psychischen Klang und den psychischen Atem mit der Visualisierung des psychischen Symbols zu synchronisieren.
Das Gewahrsein des psychischen Klanges oder Mantras ist eindeutig. Wir müssen uns jedoch einig sein, was die Synchronisierung des psychischen Klanges mit dem psychischen Atem bedeutet. Sich des psychischen Atems bewusst zu sein, beginnt mit der Wahrnehmung des physischen Atems. Wir atmen durch unsere Nasenlöcher ein und aus, können jedoch den Atem in verschiedenen Körperteilen und auf verschiedene Weise erfahren.
Während der Ajapa Japa Meditation wird der Atem z. B. auf dem Weg zwischen Nabel und Hals gesehen und später dann zwischen Nabel und Ajna. Das verlagert sich dann in fortgeschrittenen Stufen in die Wirbelsäule. Es ist also die Bewegung des Atems, die während des psychischen Atems in verschiedenen Körperteilen erfahren, gesehen oder vorgestellt wird.
Der dritte Aspekt beinhaltet die Verbindung des psychischen Klanges mit dem psychischen Atem und der Visualisierung des psychischen Symbols. Das ist natürlich eine fortgeschrittene Stufe. Am Anfang ist es den meisten Menschen nicht möglich, das Symbol zu visualisieren. Deshalb solltest du es dir vorstellen. Wenn sich die Konzentration allmählich intensiviert, wird sich die Form des Symbols zeigen.
Zuerst ist es ein verschwommenes Bild, dann werden die Linien deutlich, dann wird es ein einfarbiges Bild, dann zweifarbig und schließlich wird es ein Bild in vielen Farben. Wenn das vielfarbige Bild spontan auftaucht, nennt man das: Visualisierung. Beginne mit der Vorstellung und der Wiederholung des Mantras.
Diese drei Aspekte sind notwendig. Wenn das Mantra sich selbst wiederholt, ohne dass es mit dem Atem verbunden wird und ohne Wahrnehmung des psychischen Symbols, dann verliert man oft die Kontrolle über den Körper. Das geschieht durch intensives Nachinnenziehen und Konzentration.
Oft fällt z. B. die Mala aus der Hand, obwohl du nicht schläfst, aber das Bewusstsein hat sich vom Körper in eine andere Dimension bewegt. Wenn die Mala fällt, wirst du dir bewusst, dass deine Finger mit der Bewegung aufgehört haben und die Mala am Boden liegt. Dies liegt an dem Verlust der willentlichen Kontrolle über den Körper oder dem Schwinden des Körperbewusstseins.
Paramahamsaji hat erklärt, dass selbst bei Abwesenheit des Bewusstseins eine Stufe existiert, wo die Fähigkeiten des Geistes durch diese Art der mentalen Zerstreuung ermüden. Er gab das Beispiel eines Vogels, der über das Meer fliegt und auf Suche nach einem Lande- und Ruheplatz ist. Sieht der Vogel ein Stück Holz, das oben auf den Wellen schwimmt, ist er erleichtert und ruht sich dort eine Weile aus.
Nach der Ruhepause fliegt der Vogel weiter, erinnert sich jedoch stets an den Platz des Holzes, sodass er dorthin zurückkommen kann, wenn er müde wird. So wie sich der Vogel, der über das Meer fliegt, den Ruheplatz merkt, so ist es in tiefer Meditation, im Verlauf des Nachinnenziehens. Auch hier brauchen wir eine Basis, zu der wir zurückkehren, uns ausruhen und unsere Achtsamkeit und Vitalität erneuern können, bevor wir uns wieder in die feinstoffliche mentale Dimension zurückbewegen.
Das Symbol und der Atem wirken wie das Holz. Sie bilden das Basislager, zu dem der Geist immer wieder zurückgebracht wird, um sich auszuruhen, um achtsam zu werden und jede Art der subtilen Zerstreuung, die in tieferen Schichten unseres Bewusstseins auftauchen kann, zu vermeiden. Nach der Ruhepause und dem Zurückgewinnen unserer Achtsamkeit nehmen wir unsere Mantra Reise frisch und geistesklar wieder auf.
Aus diesem Grund sind die drei Aspekte des psychischen Atems, des psychischen Symbols und des psychischen Klanges bedeutungsvoll. Die Wahrnehmung vom Klang des Mantras ist der psychische Klang.
Auszug aus dem Buch Yoga Darshan von Swami Niranjanananda
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/mudras2022-02-10T14:30:00+01:002022-03-08T11:00:09+01:00MudrasAnanda Verlag AdminUns allen ist die Grazie und Schönheit bekannt, die in den Statuen von Heiligen des Altertums zum Ausdruck kommen. Ihre Erleuchtung drückt sich in ihren Gesichtern, ihre Haltung und den Mudras, den Gesten ihrer Hände aus. Ja, ihr ganzes Wesen ist ein Mudra, eine Geste, ein Symbol ihres Bewusstseinszustandes.
Uns allen ist die Grazie und Schönheit bekannt, die in den Statuen von Heiligen des Altertums zum Ausdruck kommen. Ihre Erleuchtung drückt sich in ihren Gesichtern, ihre Haltung und den Mudras, den Gesten ihrer Hände aus. Ja, ihr ganzes Wesen ist ein Mudra, eine Geste, ein Symbol ihres Bewusstseinszustandes. Für den Yogaschüler sind Mudras Techniken, die das Nerven- und Drüsensystem aktivieren, sodass in uns schlummernde psychische Kraftzentren sich öffnen können und Kundalini, die latente potenzielle Energie des Menschen aufsteigen kann. Auf diese Weise verwandelt sich unser Bewusstsein in kosmisches Bewusstsein.
Das Wort Mudra bedeutet im Sanskrit einerseits verschließen, und andrerseits bedeutet es Geste, Symbol, Ausdruck von... Mudras werden in drei verschiedenen Formen benutzt:
Im klassischen indischen Tanz als Tiersymbole, als Bewusstseinszustand, Gefühle usw.
In rituellen Hindu Zeremonien
In Tantra, um die Evolution durch das Öffnen von Energieleitungen in den Geweben, Nervenleitungen und Organen des Körpers voranzutreiben.
Mudras sind Gesten, die wir von innen her akzeptieren und sich selbst zum Ausdruck bringen. So kann der Geist verschiedene Figuren oder Yantras annehmen, die durch tiefe und archetypische Energie hinter den Mudras in den Tiefen des Geistes erzeugt werden. Dieser letzte Aspekt beschäftigt uns meistens.
In den alten Shastras gibt es viele Referenzen hinsichtlich Mudras. So heißt es z. B. in der Shiva Samhita (IV 12-15):
Nun werde ich dir erklären, wie man in Yoga am meisten Erfolg hat. Du solltest dies als ein Geheimnis betrachten. Es ist der Yoga, der unzugänglich ist. Wenn die schlafende Göttin Kundalini durch die Gnade des Gurus erwacht, werden alle Lotusblüten und Bänder durchdrungen. Es ist deshalb wichtig, wenn man die Göttin erwecken will, die in der innersten Höhle von Sushumna, dem Mund von Brahmarandhra schläft, dass man sehr vorsichtig vorgeht. Von den vielen Mudras sind die besten: Mahamudra, Mahabandha, Mahabheda, Khechari, Jalandhara, Mula Bandha, Vipareeta Karani, Uddiyana, Vajroli und Shakti Chalini.
In den tantrischen Schriften heißt es, dass Lord Shiva wahrscheinlich der Erste war, der Mudras angewendet hat. Diese Schriften beschreiben hunderte von verschiedenen Mudras. Von diesen hat Yoga annähernd fünfundzwanzig herausragende Mudras verwendet, auf die auch in den Hatha Yoga Schriften, wie in der Gherand Samhita und der Hatha Yoga Pradipika, Bezug genommen wird.
Mudras im heutigen Leben
Die oben genannten Techniken sind in Kriya Yoga integriert, so wie sie von unserem Guru Swami Satyananda Saraswati in der Bihar School of Yoga gelehrt werden. Kriya Yoga ist ein praktischer, systematischer und wirkungsvoller Weg, um unsere schlummernden Potenziale durch Erwecken des neuronalen Kreislaufs im Hirn zu erwecken; wir laden sie mit pranischer Energie und weiten dadurch das Bewusstsein.
In körperlicher Hinsicht lernen wir durch die Mudras die Steuerung der nicht unter unserem Willen stehenden Organe, indem Nervenverbindungen und endokrine Drüsen stimuliert werden; auf diese Weise erlangen wir Meisterschaft über unsere Körperabläufe. Auf mentaler Ebene nähern wir uns unserem inneren Bewusstsein, innere Energien nehmen wir besser wahr und können unser Leben besser steuern.
Mudras reichen bedeutend weiter als die morgendliche Yogastunde. Wir formen Mudras mit jeder Handlung, jeden Augenblick in unserem Leben. Jede Handlung ist Symbol unseres tieferliegenden mentalen und physischen Zustands und zeigt die verschiedenen Energiemuster, die sich in unserem Innersten formen. Diese Muster bestimmen unsere Persönlichkeit, unseren Charakter, unsere Eigenheiten und unseren Ausdruck. So ist jeder Moment ein Ausdruck unserer inneren Natur.
Wenn wir Mudras nun bewusst formen, werden wir uns der inneren Energie mehr und mehr gewahr, lernen sie zu steuern, sodass wir jeden Augenblick voll leben. Auf diese Weise erlangen wir die Kraft, mit der Wahrnehmung umzugehen. Wir benutzen diese Wahrnehmung in allem, was wir tun.
Wenn wir uns z. B. unseres ganzen Körpers bewusst werden, können wir bewusst Mudras mit den Händen, Augen und dem ganzen Körper formen – während wir essen, gehen, reden, denken, spielen, Sport treiben usw. Die bewusste Wahrnehmung ist der Weg, jeden Moment im Leben auszuweiten und jede Handlung mit Energie aufzuladen.
Es gibt viele unterschiedliche Mudraarten – Hand-Mudras, Augen-Mudras, Körper-Mudras, Mentale-Mudras u. a. Immer ist es eine Geste, ein Signal für den Geist, sodass Körper und Geist in Harmonie gebracht werden und Energie freisetzen. Der Mensch ist wie eine Wasserzapfstelle, hinter dem ein ganzes Meer von Energien ruht. Wenn du sie öffnest, kommt ein klarer Wasserstrahl heraus.
Wenn diese Zapfstelle niemals benutzt wurde, wird das Wasser abgestanden und stagniert – im Menschen zeigt sich Krankheit. Man kann auch einen starken oder schwachen Fluss herstellen, je nach Bedarf und Fähigkeit. Wie nun können wir die Energie am besten anzapfen und wenn sie einmal geöffnet ist, wie können wir sie steuern?
Jede Zapfstelle hat einen Hahn, mit dem man den Ausfluss je nach Bedarf kontrollieren kann. Durch die verschiedenen Mudras können wir die Intensität und Richtung des Flusses korrigieren und dadurch die unterschiedlichen Körpersysteme regulieren. Wir können z. B. sowohl Ida wie auch Pingala stimulieren und sie in Balance bringen, sodass Sushumna aktiviert wird. Auf diese Weise erhalten wir eine gute Gesundheit.
Es ist nicht ratsam, die fortgeschrittenen Übungen ohne gute Anleitung zu versuchen. Sie sollten je nach individueller Fähigkeit und Notwendigkeit erlernt werden. Mudras sind Körperhaltungen, die die mentale Einstellung widerspiegeln, und das beeinflusst tiefgreifend unsere ganze Psyche. Es ist nicht ratsam, die Psyche zu beeinflussen oder eine Änderung zu versuchen, solange du nicht die für dich geeignete Richtung kennst. Wenn Mudras vom Guru oder einem kompetenten Lehrer vermittelt werden, haben sie folgende Wirkungen:
Einige der Mudras steuern die nicht willentlichen physiologischen Körperabläufe, die normalerweise nicht in unserem Wachbewusstsein integriert sind.
Durch sie entwickelt sich die Wahrnehmung der Pranaströme (Vitalenergie) im feinstofflichen Körper, und schließlich können wir diese Kräfte selber steuern. Das befähigt uns, willentlich Energie in jeden Teil des Körpers zu leiten – um uns selbst oder andere zu heilen.
Mudras bereiten den Geist auf die Meditation vor, indem der Zustand von Pratyahara, das Zurückziehen der Sinne hergestellt wird und lässt einen sehr zielgerichtet werden.
Viele der Mudras sind mit Asanas und Pranayama kombiniert, sodass die Wirkungen dieser Übungen hinzukommen.
Spirituelle Wirkungen erwachsen.
Forschung über Mudras
Mudras wirken direkt auf Gehirn und Geist. Es ist bekannt, dass das Hirn aus zwei Hälften besteht, zwei Hemisphären, von denen jede für sich funktioniert. Die rechte Seite wird in Verbindung gebracht mit Intuition, ganzheitlichem Begreifen, Raumvorstellung, künstlerischem Ausdruck, handwerklicher Fähigkeit, Körpervorstellung u. a. Die linke Seite wird in Verbindung gebracht mit analytischem und logischem Denken, Zeit, Sprache und mathematischem Verständnis.
Sie sind mit einem Bündel von Nervenfasern, die den Namen Corpus Callosum haben, verbunden. Bei den meisten Menschen ist der Ablauf dieser beiden Hemisphären nicht harmonisch, nicht kohärent und synchron; das zeigen elektroenzephalographische Aufzeichnungen. Der Grund dafür liegt in mentalen und emotionalen Abläufen.
Wenn die Funktion der Hemisphären nicht harmonisch ist, führt das zu sinkender Intelligenz, Verstehen, Wahrnehmung, intuitiver Fähigkeiten usw. Durch Mudras können wir die beiden Seiten unseres Hirns in Synthese bringen, indem wir direkt auf das Nervensystem einwirken. Durch Mudras lernen wir, Schalter zu benutzen, die eine bewusste Steuerung aller Körperfunktionen möglich machen. Und dies ist ihre Arbeitsweise:
1. Physische Wirkung von Mudras
Jede Mudra stimuliert bestimmte Nerven, die ihre Botschaft zum Hirn senden. Diese Botschaften gelangen zu den Hirnzentren, die zum Reizpunkt zugeordnet sind. So ist z. B. jeder Finger mit einem bestimmten Teil des Hirns verbunden. Im Hirn belegt die Hand außerordentlich große Proportionen vom Hirnkortex. Kreisläufe, die zwischen dem Daumen und jedem der Finger hergestellt werden, haben also eine große Wirkung auf das Hirn. Jeder muss das selber bei sich erfahren.
Wenn die Hände in bestimmter Weise ineinander gelegt sind, werden die neuronalen Kreisläufe über einen längeren Zeitraum angeregt, was den speziellen Effekt des Mudras auf das Hirn verstärkt. Dies ist eine bewusste Handlung. Wenn beide Hände, die rechte und die linke, das Hirn stimulieren, so ist die Wirkung die, dass die beiden Hemisphären unter unsere bewusste Kontrolle gelangen.
Die stimulierten Kreisläufe gelangen in unsere bewusste Wahrnehmung. Wenn das lange genug wiederholt wird, sagen wir über Wochen oder Monate, dann wird diese feine Handlung immer bewusster, sodass wir auch mehr und mehr der Wirkung gewahr werden. Eine Mudra macht uns also stark und fördert ein inneres Wissen. Die beiden Hemisphären werden so koordiniert, dass die beiden Seiten harmonisch miteinander arbeiten.
2. Energetische Wirkung von Mudras
Durch Kirlian Fotografie konnte gezeigt werden, dass aus den Fingern Energie in Form von Leuchtsignalen auflodert. Diese Energie hängt ab von Gesundheit, Laune, Wetter u.a. Wenn die Finger sich berühren, wird ein Kreislauf hergestellt, der es möglich macht, dass Energie, die sich sonst verflüchtigt hätte, nun in den Körper zurückfließt auf dem Wege der Nadis, der Energieleitungen.
Die Wirkungen auf den Pranakörper richten sich nach den Kreisläufen, die stimuliert wurden. Es kann jetzt Energie in erhöhter Menge nach innen reisen, die Wahrnehmung in der Meditation erhöht sich. Außerdem stimulieren einige Mudras die Chakras; z.B. Maha Mudra. Dadurch gelangt Energie direkt zum Hirn und zum Geist.
Durch Mudras erlangen wir die Fähigkeit, unseren Körper zu manipulieren, und wir können Energie auf bestimmten Wegen, von denen einige wichtiger sind als andere, entlang senden. So stimulieren wir mit Prana Mudra fünf verschiedene Pranaunterteilungen im Körper. Wenn der Daumen den Zeige- und Mittelfinger berührt, wird 'Apana' stimuliert, die Energie, die unterhalb des Nabels regiert.
Wenn der Daumen den Ring- und Mittelfinger berührt, wird 'Udana' stimuliert; diese Energie regiert von der Krone des Kopfes bis zum Hals. Wenn der Daumen den kleinen und den Ringfinger stimuliert, wird Prana stimuliert, die Energie, die oberhalb des Zwerchfells und unterhalb des Halses regiert. Wenn wir die Energien auf diese Weise steuern können, hat das Rückwirkungen auf das pranische Heilen.
3. Mentale Wirkungen von Mudras
Die Augen sind mit dem Okzipitalteil des Kortex verbunden, dem Teil des Hirns, der im Hinterkopf liegt. Durch Shambhavi oder Nasikagra Mudra wird der Alphawellenzustand verstärkt; dieser Zustand erlaubt subjektive Erfahrungen von entspannter Wahrnehmung und spontaner Kreativität. Wenn man lange genug in diesem Mudra verharrt, dann wird es zu einer Konzentrations- bzw. Meditationstechnik.
Aber dies sollte mit Anleitung geübt werden. Versuche haben gezeigt, dass durch Meditation die intellektuellen Abläufe im vorderen Hirn sich entspannen und kann angewandt werden, um psychologische Störungen wie Manie (Zwangsvorstellungen), Hysterie, Depression, Angstneurose und Angst u. a. zu kurieren. Wir erlangen durch die Übung Kontrolle über unsere Gedanken und höhere mentale Abläufe.
Durch Konzentration und Integration des Geistes können viele latente und unbenutzte Hirnkreise in unsere bewusste Wahrnehmung geholt werden. Psychologische Probleme und unbewusste Neurosen verlieren ihre Kraft, mit der sie unser ganzes Leben beeinflusst haben. Wir setzen also negative Energie frei, die vorher in Form von emotionalen Problemen im Hirn und Geist festgesetzt waren und ersetzen sie durch positive, kreative und lebenserhaltende Gewohnheiten und Fähigkeiten.
Wenn wir Mudras formen, passieren diese Abläufe alle gleichzeitig, denn physische, pranische und mentale Aspekte hängen miteinander zusammen. Die Wirkung ist vollkommen, sehr subtil, und äußerst stark. Sie haben eine wundervolle Wirkung auf das Bewusstsein, die man jedoch selbst erleben muss, um es zu verstehen. Aber es soll noch mal betont werden, dass man die Mudras nur dann verstehen kann, wenn man langsam an die Übungen herangeht und sich einführen lässt.
Auf diese Art wirst du lernen, deine herumschwirrenden Gedanken und Handlungen zu integrieren, sodass das Leben ein anmutiges Fließen und Verstehen wird. Dein ganzes Wesen kann zu einem Mudra werden, einer inneren Lebensgeste, die in dein äußeres Leben reflektiert. So sind Mudras sehr praktisch und gleichzeitig ein Weg, dein Leben zu verändern.
(Aus: Yogaheft 11) - von Dr. Swami Shankhadevananda Saraswati, Yoga Magazine, März 1979
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/swara-yoga2022-02-09T13:00:00+01:002022-03-08T10:59:36+01:00Swara YogaAnanda Verlag AdminSwara ist der Atem und Swara Yoga ist die Wissenschaft des Atems. Swara Yoga ist für den fortgeschrittenen Yoga Schüler gedacht, aber die Einführung in diese beiden großen und wichtigen Themen wirft auch für den Anfänger Licht auf einen grundlegenden Aspekt von Yoga.
Swara ist der Atem und Swara Yoga ist die Wissenschaft des Atems. Swara Yoga ist für den fortgeschrittenen Yoga Schüler gedacht, aber die Einführung in diese beiden großen und wichtigen Themen wirft auch für den Anfänger Licht auf einen grundlegenden Aspekt von Yoga.
Wer Swara Yoga in seiner ganzen Fülle lernen möchte, sollte einige Zeit in die Bihar School of Yoga nach Indien gehen. Viele Einzelteile fließen jedoch auch in unsere ganz alltägliche Yogaübung und natürlich auch in unser Alltagsleben hinein.
Nadis
Die Anwesenheit von positiv und negativ (Plus und Minus) geladenen Teilchen in Körper und Bewusstsein ermöglicht uns, in dieser Welt zu leben. Aber die Wunder der Natur sind damit nicht beendet. Der Mensch hat eine Methode entdeckt, ein Atom zu teilen und die Kernenergie freizulegen. Ebenso kann er ein größeres Energiequantum in seinem eigenen inneren Wesen zur Wirkung bringen.
Vor endlos langer Zeit schon benutzten die Rishis ihr prinzipielles Wissen vom Verstärken der pranischen Energie, um die Evolution des menschlichen Bewusstseins auszudehnen. Der einzige Unterschied zwischen den modernen und den historischen Methoden, Energie zu erzeugen, liegt darin, dass die einen äußere Quellen benutzen, und die anderen innere.
Das pranische Netzwerk im Körper arbeitet auf genau der gleichen Basis, wie das Energiesystem von Atom-, Hydraulik oder Thermalkraftwerken. Der Druck von schnell fließendem Wasser oder aufsteigendem Dampf bringt Turbinen zum Drehen, die dann Elektrizität erzeugen.
Dieser Vorgang erzeugt ein magnetisches Kraftfeld, das man in Akkumulatoren sammeln und speichern kann. Die Yogis erklären, wie genau auf der gleichen Basis das pranische Feld im Körper durch die Atmung geladen ist, das bedeutet, dass der Atemvorgang Energie erzeugt. Diese Energie kann dann in die verschiedenen pranischen Akkumulatoren gelenkt werden, in die Chakras, um sie dort zu speichern.
Die Akkumulation von Energie ist nur ein Teil des Vorgangs; sie muss auch richtig genutzt werden. Von einem Kraftwerk wird die Energie durch Hochspannungskabel zu Umspannungs- oder Trafostationen geleitet. Wenn sie einmal auf dieser Arbeitsstufe angelangt ist, hat sie Transformatoren durchlaufen, die die elektrische Spannung (z.B. von 100.000 Volt auf 220 Volt) oder die Spannung reduziert haben, sodass sie nun für einen bestimmten Zweck genutzt werden kann. Das gleiche Prinzip gilt für unseren physischen Körper, nur sind hier die Voltkanäle, die die elektrische Energie leiten, keine elektrischen Kabel, sondern "Nadis".
Das Netzwerk der Nadis
Der physische Körper wird von einem ganzen Nadi-System getragen. Immer wieder wird das Nadi-System mit dem Nervensystem in Verbindung gebracht. Aber in den Chandogya und den Brihadaranyaka Upanishaden wird eindeutig darauf hingewiesen, dass die Nadis ganz und gar feinstofflicher Natur sind. Das Wort Nadi stammt von der Sanskritwurzel nad, was Fluss bedeutet. Nada ist eine klingende und subtile Schwingung. Somit können wir sagen, dass Nadis subtile Schwingungsströme sind.
Die Upanishaden erklären, wie die Nadis den Körper von den Sohlen der Füße bis zur Krone des Kopfes durchdringen und Prana, den Lebensatem, überall hintragen. Das gesamte Netzwerk der Nadis ist so unendlich groß, dass selbst yogische Texte in der Angabe der exakten Zahlen schwanken.
In der Goraksha Satarka und der Hatha Yoga Pradipika wird von 72.000 gesprochen; die Prapanchasara Tantra sprechen von 300.000; und die Shiva Samhita spricht von 350.000 Nadis, die im Nabelzentrum entspringen. Wenn man von der Zahlenschwankung absieht, ist die Beschreibung ihrer Struktur überall die gleiche. Sie werden immer als dünne Strähnen ähnliche Fäden beschrieben, ähnlich wie der Stengel eines Lotos, und sie entspringen in der Wirbelsäule.
Durch wissenschaftliche Experimente hat man versucht herauszufinden, was die Nadis sind und wo sie sich befinden. Dr. Hiroshi Motoyama hat durch seine Forschungsarbeit eine stabile Spannung elektromagnetischer Ströme in unmittelbarer Nähe des Nervensystems gefunden. (*1) Er nimmt dies als Beweis für die Existenz von Nadis und Akupunktur-Meridianen.
Die zehn Haupt Nadis
In jedem elektrischen Kreislauf gibt es drei verschiedene Kabel, die für die Leitung erforderlich sind - eines ist plus oder positiv, eines minus oder negativ, und ein Drittes ist neutral, auch Erdung. Ebenso gibt es im Körper drei spezielle Nadis, um Energie zu leiten.
In Yoga ist die negative Linie Ida, der Weg für Manas Shakti, die mentale Kraft. Die positive Linie ist Pingala, welche die dynamische Energie, Prana Shakti leitet. Um einen Kurzschluss dieser Linien zu vermeiden, gibt es einen dritten Kanal, Sushumna, der auch als Erdkabel wirken kann; solange er im latenten Zustand ist, hat er seine Wurzel im Muladhara Chakra.
Aber die wahre Bestimmung von Sushumna ist es, Kanal für die spirituelle Energie im Menschen zu sein; dies ist eine größere Kraft als Manas oder Prana Shakti. Deswegen haben die Yogis bestimmte Techniken entwickelt, um Sushumna zu aktivieren.
Es heißt, dass von all den Tausenden von Nadis Sushumna das Wichtigste ist. In der Shiva Swarodaya wird von 10 Haupt Nadis gesprochen, die eine Verbindung zu den Öffnungen in den Körper hinein und aus dem Körper heraus haben. Von diesen zehn sind Ida, Pingala und Sushumna am wichtigsten. Dies sind die Hochspannungskabel, die die Energie zu den Umspannungsstationen, den Chakras, leiten, die in der Wirbelsäule liegen.
Es gibt natürlich noch weniger wichtige Nadis, bei all den Übungen braucht man sich jedoch nur auf Ida, Pingala und Sushumna zu konzentrieren, denn sie regieren über das gesamte Nadi-System und die Körperabläufe.
Ida und Pingala – Positiver und negativer Aspekt
Es ist notwendig, sich klarzumachen, dass Ida und Pingala entgegen gesetzte Aspekte von einem Prana oder der einen Shakti sind. Diese Bezeichnungen sind nur erklärend und sollten nicht mit positiven und negativen Ionen oder mit positiver und negativer Gemütsverfassung durcheinander gebracht werden.
Zum Beispiel ist die allgemeine Wirkung der negativen Ionen im Körper "positiv". Wohingegen das positive Symbol von Pingala auf die physische Aktivität, und das negative Symbol von Ida auf die mentale, gedanklich-seelische Ebene verweist. Deshalb müssen wir mit den Begriffen der positiven und negativen Energie vorsichtig umgehen, wenn wir über die Nadis sprechen.
Der Ida-Kanal
Ida-Nadi, der negative Kanal, trägt Bewusstsein in jeden Teil des Körpers. Die Shiva Swarodaya vergleicht ihre Natur mit der Energie, die vom Mond erzeugt wird, daher sagt man auch Chandra Nadi oder das lunare Nadi. Man kann Ida mit dem parasympathischen Nervensystem in Verbindung bringen, von wo aus Impulse in die Organe der Eingeweide gesendet werden, um die inneren Abläufe zu stimulieren.
Dadurch entsteht ein allgemeiner Zustand der Entspannung in den äußeren Muskeln, und geht einher mit dem Absinken der Körpertemperatur. Daher sagt man, dass Ida kühlend, entspannend und nach innen ziehend wirkt.
Der Weg von Ida unterscheidet sich allerdings zu dem des parasympathischen Nervensystems. Ida entspringt an einem Punkt unterhalb der Wirbelsäule, wo das erste Energiezentrum liegt, Muladhara Chakra. Dieses Nadi entspringt an der linken Seite von Muladhara und bewegt sich spiralförmig nach oben, indem es alle anderen vier Energiezentren und Nervengeflechte in der Wirbelsäule durchkreuzt und zum Endpunkt an der Wurzel des linken Nasenlochs kommt, das zu Ajna Chakra, dem sechsten Energiezentrum, gehört.
Manche Texte beschreiben Ida auch als gerade nach oben aufsteigend, ausgehend von Muladhara zu Ajna, ohne noch ein anderes Zentrum zu durchkreuzen. Dies kann auch symbolisch dafür genommen werden, dass Ida die linke Seite der Wirbelsäule und die ganze linke Hälfte des Körpers regiert. Hier kann man sich einen Magnet vorstellen, um die Pole Plus und Minus zu beschreiben.
Wenn wir einen Magneten teilen, nehmen beide Enden des Magneten die entgegen gesetzten Polaritäten an. Genauso ist es im Körper: Die Organe auf der rechten Körperseite sind polarisiert, sodass Pingala die rechte Seite eines Organs regiert und Ida die linke.
Laut Swara Yoga beeinflusst das Atmen durch das linke Nasenloch die Aktivitäten von Manas Shakti; es zeigt an, dass das Sich-Nach-Innenwenden und die mentale Kreativität vorherrscht, sodass jede extrem dynamische oder extrovertierte Aktivität vermieden werden sollte. Daher manipuliert der Swara Yogi den Atemfluss im linken Nasenloch, um Ida direkt zu kontrollieren, um seinen Einfluss willentlich hervorzuheben, oder, wenn nötig, zu unterdrücken.
Der Pingala-Weg
Pingala ist Vermittler von Prana Shakti. Es ist der positive Aspekt, das Sonnen-Nadi, weil seine Energie so belebend ist wie die Sonnenstrahlen. Pingala aktiviert den physischen Körper und richtet die Wahrnehmung nach außen. Es wird in Zusammenhang gebracht mit dem sympathischen Nervensystem, welches Adrenalin freisetzt, um die äußeren Muskeln zu stimulieren. Der Sympathikus bereitet den Körper auf Stress und äußere Aktivität vor; z.B. lässt er das Herz schneller schlagen und erwärmt den Körper. Darum sagt man, dass Pingala energetisiert, erwärmt und nach außen richtet.
Pingala entspringt an der rechten Seite von Muladhara, entgegengesetzt von Ida. Es windet sich an der Wirbelsäule nach oben, indem es Ida und die vier Hauptenergiezentren kreuzt und endet an der Wurzel des rechten Nasenlochs. Die ganze rechte Körperseite sieht man daher von Pingala regiert. Um Pingala zu aktivieren oder zu unterdrücken, wird der Luftfluss im rechten Nasenloch manipuliert.
Swara: Gleichgewicht von rechter und linker Hemisphäre des Gehirns
Bestimmte Funktionen der Zerebralregion im Gehirn stehen ebenfalls mit den Aktivitäten von Ida und Pingala in Verbindung. Das Großhirn ist symmetrisch und besteht aus der rechten und der linken Hemisphäre. Die rechte Hemisphäre regiert die linke, und die linke Hemisphäre regiert die rechte Körperseite. Ida gehört zur rechten und Pingala zur linken Hemisphäre.
In der rechten Hemisphäre verlaufen Informationen in einer diffusen und holistischen Art. Von hier wird die Orientierung im Raum kontrolliert, und diese Hemisphäre ist besonders sensibel gegenüber dem Schwingungsbereich unserer Existenz und solcher Erfahrungen, die für den äußeren Sinnesempfang nicht greifbar sind. Es ist somit verantwortlich für die psychischen und außersinnlichen Wahrnehmungen und stimuliert kreative, künstlerische und musische Fähigkeiten.
Entgegengesetzt steht die linke Hemisphäre in Verbindung mit Pingala und ist verantwortlich für rationale, analytische und mathematische Fähigkeiten. In der linken Hemisphäre verläuft die Information der Reihe nach, linear und logisch. (*2) Auf diese Art kontrollieren und motivieren die Hemisphären in Assoziation mit den Nadis unsere Reaktionen im täglichen Leben.
Jede Hemisphäre steht ebenfalls in Verbindung mit dem Entstehen von unterschiedlichen Gefühlen. Neurologen haben die rechte Hemisphäre als "traurig" und die linke als "fröhlich" beschrieben (*3). Man hat sogar herausgefunden, dass ein positiver Gefühlsstimulus die linke Hemisphäre und ein negativer Gefühlsstimulus die rechte Hemisphäre aktiviert.
Ferner verursachen linke/rechte Aktivitäten jemanden, unter gewissen Umständen in einer ganz bestimmten Art zu reagieren. (*4) Man entdeckte, dass die linke Hemisphäre eine aggressive Reaktion, eine "Kampfeshaltung" hervorruft, während die rechte Hemisphäre eher zum Rückzug auffordert, jemanden zum passiven Teilnehmer werden lässt, oder zum 'Flüchten' veranlasst.
Ebenso entdeckten Neurologen eine Verbindung zwischen männlichen-weiblichen Reaktionen und linken/rechten Hirnfunktionen. Es sieht so aus, als wenn Frauen eher dem Einfluss der rechten Hemisphäre unterliegen als Männer, also eher von der Ida-Kraft dominiert werden. Soweit die Wissenschaft erklären kann, liegt der Unterschied in mentalen Fähigkeiten wahrscheinlich in einem abweichendem Verhältnis der Geschlechtshormone, die die Struktur des Gehirns beeinflussen.(*5) Was immer der physiologische Grund sein mag, ganz sicher stimmt es überein mit der Tatsache, dass Ida als das weibliche Prinzip gilt und Pingala als das männliche.
Das tantrische Konzept von Shiva und Shakti, den Zwillingskräften, die in jedem Individuum existieren, kann man sowohl in der Struktur von Gehirn und Pranakörper, wie auch in der Beschreibung von Ida und Pingala wieder erkennen. Ganz sicher untermauert es die Vorstellung von dem Menschen, der zwei Seelen hat, eine positive und eine negative; und ebenfalls die Theorie, dass es eine männliche und eine weibliche Seite in jedem von uns gibt.
Swami Satyananda spricht in diesem Video über Swara Yoga
Dreiheitliches Energiesystem in Swara Yoga
Wir haben nun gesehen, wie der Körper in zwei klar umrissene Bereiche oder Zonen entsprechend dem Energiefluss und der Magnetkraft entweder der positiven oder negativen Kräfte geteilt ist. Aber es gibt noch einen dritten Aspekt. In der Mittelachse, wo die beiden aneinandergrenzenden Seiten sich treffen, vereinigen sich die Energien von Plus und Minus und erzeugen ein neutrales Energiefeld, das sich in der Mitte gerade nach oben und nach unten bewegt. In Yoga heißt dieser wichtige Gang Sushumna Nadi.
Sushumna entspringt an der Basis der Wirbelsäule, genau wie Ida und Pingala, bewegt sich aber nicht nach rechts oder links, sondern geht gerade und direkt durch jedes auf dem Wege liegende Chakra und Nervengeflecht nach oben. Sushumna vereinigt sich mit Ida und Pingala im Ajna Chakra im Bereich der Medulla Oblongata. Daher steht es in Verbindung mit dem zentralen oder zerebrospinalen Nervensystem. Dieses trägt Impulse in das ganze System und verläuft analog zu Sushumna von der Basis der Wirbelsäule bis zu Ajna Chakra.
Auf der augenblicklichen Evolutionsstufe des Menschen liegt Sushumna im Schlummer. Wir wissen, dass dort ungeheure Kräfte ruhen, aber wenn wir nicht bestimmte Methoden anwenden, um sie zu aktivieren, wird der natürliche Entwicklungsprozess noch tausende von Jahren dauern. Das ist der Grund, weshalb Yogis uns durch Manipulation des Atems den Weg zeigen, wie wir Sushumna erwecken können. Normalerweise läuft die Energie entweder durch Ida oder durch Pingala.
Wenn nun aber beide Energieströme zusammengebracht werden können, erwacht eine weitaus mächtigere Kraft, die "Kundalini Shakti". Kundalini ist die spirituelle Kraft, die eine bedeutend höhere Frequenz hat. Im Vergleich zu den Energien von Ida und Pingala ist diese Kraft wie ein Laserstrahl. Aber bevor die Kundalinikraft erzeugt werden kann, muss der Sushumna Gang geöffnet werden.
Wenn Sushumna aktiv ist, fließt der Atem durch beide Nasenlöcher gleichzeitig. Nach Sonnenaufgang ist das etwa alle neunzig Minuten für einen ganz kurzen Augenblick der Fall. Auch nach Pranayama-Übungen oder dann, wenn man sehr konzentriert ist, oder aber, wenn man bereit ist, eine kriminelle Handlung zu begehen, fließt Sushumna. Deshalb gibt es in Swara Yoga strikte Regeln. Wenn Sushumna Nadi fließt, können spirituelle, aber ebenso kriminelle Tendenzen aufsteigen.
Sowohl beim Selbstmörder wie bei dem Yogi in tiefer Meditation fließt Sushumna. Wenn du irgendeine kriminelle Tat oder einen Angriff vorhast, fließt Sushumna. Sie fließt auch während einer Hochstimmung, z. B. nach einer Bergbesteigung oder Vollendung einer wichtigen Aufgabe. In diesem Moment sind beide Hirnhemisphären, also das ganze Gehirn, aktiv. Durch Ida und Pingala wird nur jeweils eine der beiden Hälften aktiviert.
Durch das Öffnen von Sushumna jedoch funktionieren sowohl die Karmendriyas (physische Organe) wie auch die Jnanendriyas (mentale Organe) gleichzeitig, in diesem Moment ist man sehr erfolgreich, ob nun im spirituellen oder im weltlichen Leben.
Die Nadis in Sushumna
Die innere Struktur von Sushumna ist äußerst komplex. Es ist nicht nur eine hohle Röhre, die still und leblos daliegt. Gelegentlich gibt es hier einen leichten Energiefluss, den man in dem Moment wahrnehmen kann, wenn die Luft durch beide Nasenlöcher gleichzeitig fließt. Das bedeutet natürlich nicht, dass Kundalini aufsteigt, es zeigt nur an, dass Sushumna aktiviert wurde.
Aber normalerweise sind diese erzeugten Impulse sehr schwach verglichen zu dem voll erwachten Zustand. Konzentration auf Sushumna in Verbindung mit speziellen Yogaübungen laden langsam aber sicher immer weiter auf und bereiten den Weg für Kundalini.
Während man sich auf Sushumna konzentriert, werden drei andere Nadis, die in den inneren Wänden von Sushumna liegen, ebenfalls aktiv. Je tiefer du kommst, umso feiner werden die Nadis. Direkt hinter der äußeren Oberfläche liegt "Vajra Nadi", innen liegt "Chitra" oder "Chitrini Nadi", und noch tiefer das äußerst feine "Brahma Nadi". Brahma Nadi heißt so, weil auf diesem Weg die höheren Zentren des Bewusstseins direkt stimuliert werden. Wenn Kundalini Shakti in diesen Gang eintritt, tauchen transzendente Erlebnisse auf.
So lange Sushumna ruht und entweder Ida oder Pingala funktionieren, unterliegen all die anderen Nadis den positiven oder negativen Einflüssen von Manas und Prana Shakti. Um Sushumna zu aktivieren, manipuliert der Swara Yogi seinen Atem, sodass er über längere Perioden gleichmäßig durch beide Nasenlöcher fließt.
Die Hatha Yoga Pradipika erklärt, dass "Sushumna Nadi verschlossen bleibt wegen der Unreinheiten der Nadis". Deshalb sollten wir zuerst einmal versuchen, das ganze System zu reinigen, dann wird Sushumna sich automatisch öffnen. Danach müssen wir lernen, Ida und Pingala zu kontrollieren, sodass die positiven und negativen Energieströme harmonisiert werden können, dadurch schaffen wir die ideale Voraussetzung für eine Aktivierung von Sushumna.
Ida, Pingala und Sushumna: Symbole für die dreiteilige Energie
Die negativen Kräfte von Ida, die positiven Kräfte von Pingala und die neutralen Kräfte von Sushumna sind in jeder Schöpfungsform vorhanden. Diese drei in verschiedenen Proportionen vorhandenen Energieaspekte ermöglichen der Natur, die diversen Erscheinungen zu erschaffen, und das Energiequantum bestimmt die besondere Eigenschaft der jeweiligen Form. Durch Swara Yoga lernen wir die positiven, die negativen und die neutralen Aspekte der drei Nadis in allen Manifestationen von grob bis äußerst subtil und feinstofflich erkennen.
In der unten aufgestellten Liste wird Ida von Sattwa repräsentiert, während Sushumna Tamas zugeordnet wird. Das bedeutet, dass Sushumna in einem Zustand der Unbeweglichkeit ist, in Tamoguna. Das ist so, weil an dem Punkt der Evolution vor dem Erwecken keinerlei Bewegung in Sushumna ist. Aber dieses Nadi enthält, damit es voll erwachen kann, in sich drei andere Nadis, die die dafür notwendigen Eigenschaften und Kraftquellen in sich tragen.
So ist Sushumna Tamas, Vajra Nadi ist Rajas und Chitrini ist Sattwa. Die Transzendenz der drei Gunas (Eigenschaften der Natur) bedeutet, sich über Zeit und Raum zu erheben, über Bewusstsein und Körper, über Ida und Pingala. An diesem Punkt der Evolution bewegt sich Shakti durch Brahma Nadi, transformiert die bewegungslose, träge Natur von Sushumna und transzendiert die Wahrnehmung der individuellen Existenz und der individuellen Erfahrungen.
Swara in Sushumna
In Swara Yoga heißt es, dass in dem Moment, wenn Sushumna für längere Zeit fließt, dein Bewusstsein die Grenzen von Subjekt und Objekt, von Ida und Pingala überschreitet. Für den, der in weltliche Angelegenheiten verwickelt ist, mag dieser Zustand nicht wünschenswert sein, aber für den Yogi ist es das Ziel. In Indien gibt es Menschen, die den Zeitpunkt ihres Todes einige Tage vorher genau voraussagen können, weil sie einen fortlaufenden Strom in Sushumna beobachten. Und ihre Zusagen sind korrekt.
Wenn Sushumna über lange Zeit hinweg fließt, bedeutet das für den Yogi, dass er kurz davor ist, Körper, Bewusstsein und Objekt zu transzendieren und Samadhi bevorsteht. Für den Durchschnittsmenschen bringt es ein kurzes Erlebnis, den Körper zu verlassen und Bereiche außerhalb der empirischen Wahrnehmung zu genießen, bedeutet aber nicht, dass Kundalini schon erwacht ist. Durch Erwachen der Kundalini wird Sushumna mit dieser Energie geradezu explosiv geladen. Die ganze Wirbelsäule wird erhitzt, aktiviert und bringt eine Vielzahl von Erlebnissen mit sich.
*1 Motoyama H., An electrophysiological study of prana (Ki) *2 Ornstein R., The Nature of Human Consciousness *3 Kinsbourne M., Psychology Today, May 1981 *4 u. *5 Brain / Mind Bulletin
(Aus: Yoga Heft Nr. 29) - Swami Muktibhodhananda, inspiriert von Swami Satyananda
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/die-erleuchtung-eines-tigers2022-01-26T17:48:18+01:002022-01-28T16:11:31+01:00Die Erleuchtung eines TigersChristian KnipsEine Tigermutter starb, nachdem sie ein Tigerbaby zur Welt gebracht hat. Das Tigerbaby wurde von Ziegen großgezogen. Natürlich glaubte der Tiger, dass er ebenfalls eine Ziege war, das war einfach, natürlich. Von Ziegen großgezogen, mit Ziegen lebend, betrachtete er sich selbst auch als Ziege. Er blieb Vegetarier, aß und kaute Gras, er konnte sich nichts anderes vorstellen. Nicht einmal in seinen Träumen konnte er davon träumen, dass er ein Tiger ist. Und er war ein Tiger!
Eine Tigermutter starb, nachdem sie ein Tigerbaby zur Welt gebracht hat. Das Tigerbaby wurde von Ziegen großgezogen. Natürlich glaubte der Tiger, dass er ebenfalls eine Ziege war, das war einfach, natürlich. Von Ziegen großgezogen, mit Ziegen lebend, betrachtete er sich selbst auch als Ziege. Er blieb Vegetarier, aß und kaute Gras, er konnte sich nichts anderes vorstellen. Nicht einmal in seinen Träumen konnte er davon träumen, dass er ein Tiger ist. Und er war ein Tiger!
Eines Tages kam ein alter Tiger an dieser Ziegenherde vorbei. Und dieser alter Tiger wollte seinen Augen nicht trauen: Ein junger Tiger spazierte mitten unter den Ziegen, weder hatten die Ziegen vor dem Tiger Angst, noch wunderten sie sich, dass er mitten unter ihnen war. Der Tiger ging sogar wie eine Ziege. Irgendwie schnappte sich der alte Tiger den jungen, es war nicht einfach, ihn zu erwischen. Er flüchtete, er heulte, er schrie, er zitterte vor Angst. Alle Ziegen rannten fort und er versuchte, mit ihnen zu flüchten. Aber der alte Tiger schnappte ihn und zerrte ihn zum See. Er wollte nicht, er weigerte sich - gerade so, wie ihr es bei mir getan habt. Er wehrte sich, hatte Todesangst, heulte und weinte, aber der alte Tiger ließ ihn nicht los. Er zerrte ihn noch immer, bis zum See. Der See war still wie ein Spiegel. Er zwang den jungen Tiger, in das Wasser zu blicken.
Mit Tränen in den Augen sah er ein Bild, wenn auch nicht sehr klar, aber er konnte sehen, dass er genauso aussah wie der alte Tiger. Die Tränen verschwanden und ein neues Seinsgefühl stieg in ihm hoch. Die Ziege verschwand in seinem Bewusstsein, er war keine Ziege mehr, konnte aber seiner eigenen Erleuchtung noch nicht trauen. Noch immer zitterte der Körper, er fürchtete sich noch immer und dachte: Spinne ich? Wie kann eine Ziege sich so plötzlich in einen Tiger verwandeln? Es ist unmöglich, noch niemals ist so etwas geschehen.
Es ist unmöglich. Er konnte seinen eigenen Augen nicht trauen. Aber jetzt ist der erste Funke, der erste Lichtstrahl in sein Herz gefallen, er war nicht mehr derselbe und könnte niemals wieder der alte werden. Der alte Tiger nahm ihn zu seiner Höhle, er sträubte sich nun nicht mehr so sehr, hatte keine so große Angst mehr. Er wurde langsam verwegen, sammelte Mut. Er ging bereits wie ein Tiger, als sie zur Höhle gingen. Der alte Tiger gab ihm etwas Fleisch zu essen.
Das ist für einen Vegetarier sehr schwer, fast unmöglich! Aber der alte Tiger ließ nicht locker. Als die Nase des jungen Tigers sich dem Fleisch näherte, geschah etwas durch den Geruch, etwas rührte sich tief im Innern, was dort geschlafen hat. Der erste Biss und ein ungeheures Brüllen brach aus ihm heraus. Die Ziege löste sich in diesem Brüllen auf und nun war der Tiger in seiner ganzen Schönheit und Pracht geboren. Dies ist der ganze Ablauf. Aber – du brauchst einen alten Tiger!
Ramakrishna Paramahamsa
Das ist das Problem. Der alte Tiger ist hier, und du versuchst, nach links und nach rechts auszuweichen – es ist nicht möglich. Du bist widerspenstig, es ist schwierig, dich zum See zu bringen. Du bist wie ein Tiger, der sein ganzes Leben lang Gras gefressen hat, und der den Fleischgeschmack vollständig vergessen hat. Wenn der Geschmack einmal kommt, dann wirst du aus vollem Herzen brüllen, und in dieser Explosion wird die Ziege verschwinden und Buddha wird geboren.
(Aus: Yogaheft 17) - Ramakrishna Paramahamsa
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/reise-zu-dir-selbst2022-01-26T17:38:29+01:002022-01-27T10:18:40+01:00Reise zu Dir selbstChristian KnipsDu magst manchmal stolpern, deine Stärke mag nachlassen, aber sei sicher, dass du das Ziel, nach dem du suchst, erreichen wirst. Sei voller Mut, und wenn du sehr müde bist, dann gib dir Zeit für eine Pause und reflektiere über die Glorie der höchsten Höhen vor dir. Denn wenn du zu sehr erschöpft bist, dann mögen dich Zweifel und Gedanken an Rückkehr überfallen. Aber was hast du zurückgelassen, was dich ruft?
In deinen jungen Jahren hast du dich auf die Reise gemacht, um danach zu suchen und dich zu wundern, wer du bist, was der Sinn von alldem hier ist.
Reise nur mutig weiter, habe keine Angst, denn du bist nun nicht länger allein. Du wirst beschützt von einem Mantel aus Liebe, und unsichtbare Hände führen und lenken dich.
Du magst manchmal stolpern, deine Stärke mag nachlassen, aber sei sicher, dass du das Ziel, nach dem du suchst, erreichen wirst. Sei voller Mut, und wenn du sehr müde bist, dann gib dir Zeit für eine Pause und reflektiere über die Glorie der höchsten Höhen vor dir. Denn wenn du zu sehr erschöpft bist, dann mögen dich Zweifel und Gedanken an Rückkehr überfallen. Aber was hast du zurückgelassen, was dich ruft?
Die Tage deines weltlichen Ehrgeizes sind vorbei, obwohl du dir selbst noch nicht sicher bist. Du hast das Gefühl, dass du weder hierhin noch dorthin gehörst, aber in Wahrheit bist du bereits bei mir.
Du hast die Leere des weltlichen Lebens erkannt, hast aber eine andere Existenzebene noch nicht erreicht. Deshalb weißt du nicht, wohin du gehörst. Aber ich weiß, wer du bist, und wo dein Zuhause ist, wo du alles findest, nachdem du suchst.
Vergangenes ist vorbei und kann nicht zurückgeholt werden. Alles war Teil deiner Seelenreise nach deinem wahren Selbst. Die Erkenntnis dämmert, wer du wirklich bist und was der Sinn deines Lebens ist. Wenn du jetzt zurückkehrst zur Welt, wirst du verloren sein und dein Leben ist vergeudet.
Oh Kind, richte deine Augen immer auf das Ziel! Du bist mein Kind, was zu mir zurückgekehrt ist. Ich möchte den sehen, der dich nochmals von mir entfernen kann. Du bist umhüllt und umgeben mit Liebe und Licht.
(Aus: Yogaheft 13) - von Paramahamsa Satyananda Saraswati
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/auf-dem-wellenkamm-vorsatz2022-01-26T17:32:11+01:002022-01-28T16:08:32+01:00Auf dem Wellenkamm – VorsatzChristian KnipsAn Guru Poornima berührt der Guru die Herzen all seiner Jünger. Sei bereit; öffne dein Herz und dein Gemüt, um den Segen zu empfangen. Es gibt zwei Lebensumstände, die günstigen und die ungünstigen. Der Tamoguni, der faule, bequeme Mensch wird sich immer die bequemen und angenehmen Situationen suchen. Der Rajoguni, der aktive Mensch wird immer versuchen, ungünstige Situationen in günstige umzuwandeln. Aber der Sattvoguni, der reine Mensch wird in beiden Situationen den heiligen Gleichmut bewahren.
An Guru Poornima berührt der Guru die Herzen all seiner Jünger. Sei bereit; öffne dein Herz und dein Gemüt, um den Segen zu empfangen. Es gibt zwei Lebensumstände, die günstigen und die ungünstigen. Der Tamoguni, der faule, bequeme Mensch wird sich immer die bequemen und angenehmen Situationen suchen. Der Rajoguni, der aktive Mensch, wird immer versuchen, ungünstige Situationen in günstige umzuwandeln. Aber der Sattvoguni, der reine Mensch wird in beiden Situationen den heiligen Gleichmut bewahren.
Wir alle wünschen uns Glücklichsein und günstige Bedingungen. Aber die Umstände verändern sich, und zwar nicht so, wie wir das gerne haben wollen, sondern nach Gesetzen, die wir nicht unter Kontrolle haben. Der Wunsch, die Situationen nach unseren individuellen Vorstellungen zu verändern, ist Zeichen für die Unfähigkeit, ungünstige Umstände zu tolerieren.
Wenn die Familie mit uns zufrieden ist, sind wir glücklich. Wenn sie nicht einverstanden sind, sich gegen uns stellen, sind wir traurig. So können wir nur unter günstigen Bedingungen Fortschritte machen. In dem Moment, wenn Schwierigkeiten auftauchen, ist unser Weg blockiert. Aber in Wahrheit machen uns die günstigen Umstände sehr schwach; während schwierige Situationen den Geist schärfen und uns stärken. Unglück und Widrigkeiten geben der mentalen Stärke, dem Gleichgewicht und der Stabilität Nahrung. Indem man auf einen Punkt gerichtet ist, haben Veränderungen keine Wirkung. Nur der Fortschritt ist von Dauer, den man dadurch macht, dass man im Widerspruch mit der allgemeinen Meinung steht.
Wenn jemand uns beleidigt, dann ist der erste Impuls, zurückzuschlagen oder das Unangenehme abzuwehren; jeder macht das so. Aber dann gibt es ja keinen Unterschied zwischen mir und der Beleidigung, dem der mich beleidigt?
Wenn Menschen uns anklagen und beschuldigen – was soll's, warum muss uns das irritieren, warum versuchen wir, sie vom Gegenteil zu überzeugen? Wir brauchen nicht einmal darüber zu diskutieren. Was macht es für einen Unterschied, ob Menschen hoch von uns denken oder nicht?
Wenn wir Beleidigung, Beschuldigung und Ablehnung nicht ertragen können, dann mangelt es uns an Toleranz, an Ausdauer und mentalem Gleichgewicht. Wenn wir nicht mal diese kleinen Dinge im Leben aushalten können, wie können wir dann die wirklich großen Hindernisse und Schwierigkeiten überwinden?
Wie wird es uns dann möglich sein, die großen Mauern des Ego, der Lust, des Zorns und Ärgers, der Gier, der Verhaftung und der Wünsche zu übersteigen?
Sei aufmerksam und lausche genau auf die diesjährige Guru-Poornima-Botschaft. Bei jedem Schritt deines Lebens lerne, inneren Frieden zu behalten. Und wenn die ganze Welt dich ablehnt, bleibe innen gleichmütig und ausgeglichen.
Mag sein, dass du dir wünschst, immer an angenehmen und anregenden Plätzen zu sein und immer nur günstige Bedingungen vorzufinden. Aber denke daran, die Zeit und die Situationen verändern sich ohne dein Zutun so, dass du von einem auf den anderen Tag dich in ungünstigen Umständen befinden magst. In dem Moment wirst du erkennen, dass all deine Versuche, dich in bequemer und angenehmer Umgebung aufzuhalten, vergeblich waren; ja da gehört sogar dein spirituelles Sadhana dazu. Setz dir jetzt und hier einen ernsten Vorsatz:
Oh Gott, bring mich in unangenehme Umstände. Gib mir das Geschenk der Beleidigungen und Beschimpfungen. Zwick mein Ego mit Spott, Beleidigung und Scham, sodass ich stark genug werde, um trotz jeder Widrigkeit meine Balance nicht zu verlieren. Ich will so stark sein, dass ich Gleichgewicht und Stabilität und inneren Frieden in jeder nur erdenklichen Lage bewahren kann.
Und wenn du noch immer nach Liebe, Anerkennung und Lob verlangst, dann – von heute ab – verlasse dein Sadhana. Sei ernsthaft in deinem Entschluss, in jeder Beziehung.
Die Last des Wissens ruhte schwer auf ihm. Wie eine Mutter, die sich danach sehnt, ihren Kindern alles zu geben, so fühlte er, dass es seine Bestimmung war, hier anzuhalten und auf seine Jünger zu warten. Aus dieser Vision und dem Erkennen des inneren Ganga entstand der Ashram – Ganga Darshan – wo er in den kommenden Jahren Männer und Frauen darin einweihen würde, das Leben voll und total zu leben. Er wusste, dass sie kommen würden; müde ihrer sozialen Identität, mit dem Wunsch nach Macht und Reichtum und doch von allem übersättigt, innerlich leer – sie würden ihn suchen.
(Aus: Yogaheft 12) - von Swami Satyananda Saraswati
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/der-yoga-des-lachens2022-01-26T17:27:24+01:002022-01-28T16:13:22+01:00Der Yoga des Lachens!Christian KnipsEs lebten einmal drei Swamis, man nannte sie die lachenden Swamis. Tag und Nacht, wohin sie auch gingen, immer lachten sie, überall und unentwegt. Sie lachten durch die Dörfer, sie lachten mit den Kindern; wohin sie auch kamen, man freute sich auf die lachenden Swamis. Es kam der Tag, als einer von ihnen starb, und die Menschen wollten sehen, wie sich die anderen zwei verhalten würden. Schließlich muss man doch weinen, wenn jemand stirbt. Die beiden jedoch konnten nur lachen.
Es gibt Menschen, die lachen ihr ganzes Leben lang. Sie wissen, wie man lacht und andere zum Lachen bringt. Andere Menschen verbringen ihr ganzes Leben mit Jammern. Sag’, zu welcher Sorte Mensch gehörst du? Lachen ist eine Kunst. Manchmal lacht man spontan, aber das ist etwas ganz anderes; kurz nach dem Lachen kommt vielleicht Weinen. Wenn du jedoch die Kunst des Lachens beherrschst, und wie du andere zum Lachen bringst, dann wirst du niemals wieder weinen. Wenn du einen solchen Menschen lachen siehst, kannst du nicht anders, als mitzulachen. Durch diese Kunst bist du im Einklang mit dir selbst und mit ihnen. Wie aber erlernt man diese Kunst, diese höchste Yogaform? Wenn dein Wunsch danach wirklich ernsthaft ist, dann musst du dein Leben als Witz betrachten, denn Leben beginnt in einer Sekunde und es endet in einer Sekunde. Auch wenn du weinst, dann betrachte dein Weinen als den größten Witz. Es ist ein vorübergehender Zustand, denn es wird nicht lange dauern, dann wirst du des Weinens müde. Lachen aber kannst du unentwegt, Tag und Nacht, denn du kannst auf verschiedene Weise lachen. Du kannst laut lachen und leise lachen, und du kannst ganz einfach lächeln. Oder du kannst still in dich hinein lachen. Niemals jedoch wirst du des Lachens müde. Du wirst überrascht sein, wie gut es dir tut. Und nun will ich dir ein Geheimnis verraten: Wenn du nicht weinen und jammern willst, dann erlerne das Lachen. Wie? Du wirst sicher einen Weg finden.
Es lebten einmal drei Swamis, man nannte sie die lachenden Swamis. Tag und Nacht, wohin sie auch gingen, immer lachten sie, überall und unentwegt. Sie lachten durch die Dörfer, sie lachten mit den Kindern; wohin sie auch kamen, man freute sich auf die lachenden Swamis. Es kam der Tag, als einer von ihnen starb, und die Menschen wollten sehen, wie sich die anderen zwei verhalten würden. Schließlich muss man doch weinen, wenn jemand stirbt. Die beiden jedoch konnten nur lachen.
Lachend bereiteten sie einen Holzstoß, um ihn nach Hindu Tradition zu verbrennen, und alle lachten mit. Es gab keine dramatischen Trommeln, keine Beerdigungswagen. Sie lachten und lachten; sie brachten Blumen und Gelächter und Gelächter und Blumen. Schließlich legten sie ihn in das Feuer. Das Holz lag bereit. Der letzte Wunsch dieses Swami war es, in seiner Swami-Robe verbrannt zu werden und nicht nackt und nach dem Gangesbad einbalsamiert. Sie respektierten seinen letzten Willen und legten ihn in seiner ockerfarbenen Robe ins Feuer.
Es herrschte Totenstille. Doch plötzlich begann ein wahres Feuerwerk mit Blitzen und Krachen und sprühendem Feuer. Er hatte eine Menge Knallfrösche und andere Feuerwerkskörper in seinem Gewand versteckt. Auf keinen Fall sollten die Menschen nach seinem Tod traurig sein, auch dann nicht, wenn sein Körper im Feuer verbrennt; sie sollten nicht sagen: "Oh, der arme Mann ist tot, wir werden ihn vermissen." Sie sollten lachen und ihn lachend in Erinnerung behalten. Und das ist ihm gelungen, denn jeder lachte aus vollem Herzen.
(aus Yogaheft Nr. 10) - Swami Satyananda Saraswati
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/auf-dem-wellenkamm-vairagya-shatkam2022-01-26T17:19:35+01:002022-01-28T16:06:03+01:00Auf dem Wellenkamm – Vairagya ShatkamChristian KnipsHoffnung ist wie ein fließender Strom, dessen Wasser sich aus endlosen Wünschen bildet. Er tobt mit den Wellen heftiger Sehnsüchte, seine Beutetiere sind die Bindungen an die verschiedensten Dinge. Er wimmelt nur so von Wasservögeln in Form raffinierter Gedanken der Gier, die auf ihrem Weg die großen Blumen Geduld und Kraft zerstören.
Hoffnung ist wie ein fließender Strom, dessen Wasser sich aus endlosen Wünschen bildet. Er tobt mit den Wellen heftiger Sehnsüchte, seine Beutetiere sind die Bindungen an die verschiedensten Dinge. Er wimmelt nur so von Wasservögeln in Form raffinierter Gedanken der Gier, die auf ihrem Weg die großen Blumen Geduld und Kraft zerstören. Die Strudel der Ignoranz machen ihn undurchdringbar. Und tief wie das Flussbett ist auch das Ufer in beängstigender Absicht wahrhaft steil. Ein Yogi überquert einen derartigen Strom mit reinem Bewusstsein, um sich höchster Glückseligkeit zu erfreuen.
Aus: Vairagya Shatkam von Bhartrihari Vers 10 - YOGA 43
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/deine-kraft2022-01-26T17:17:50+01:002022-01-27T10:31:45+01:00Deine KraftChristian KnipsDieses Leben ist Deins. Nimm Dir die Kraft und mache das, was Du gern machen möchtest, Und mache es gut. Nimm Dir die Kraft, Das im Leben zu lieben, was Du gern möchtest, Und liebe es aufrichtig. Nimm Dir die Kraft Und geh' in den Wald und sei eins mit der Natur.
Dieses Leben ist Deins. Nimm Dir die Kraft und mache das, was Du gern machen möchtest, Und mache es gut. Nimm Dir die Kraft, Das im Leben zu lieben, was Du gern möchtest, Und liebe es aufrichtig. Nimm Dir die Kraft Und geh' in den Wald und sei eins mit der Natur. Nimm Dir Kraft Und werd Meister Deines Lebens, Niemand anders kann das für Dich sein. Nimm Dir die Kraft Und mache Dein Leben glücklich. Es ist Dein Recht, Dein einziges Recht, Es ist Dein Geburtsrecht.
(Aus: Yogaheft 7) - Swami Nirvikarananda
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/auf-dem-wellenkamm-eine-parabel2022-01-26T16:40:21+01:002022-01-28T16:04:46+01:00Auf dem Wellenkamm – Eine ParabelChristian KnipsEs war mitten in der Nacht im Monsun. Der Himmel war dunkel und bewölkt. Die Stimmung war sehr düster. Ein einsamer Sannyasin ging die Straße entlang und suchte nach einem Schlafplatz. Da sein Besitz nur aus einer kleinen Tasche, einer Decke und einer Taschenlampe bestand, war er glücklich und sorgenfrei.
Es war mitten in der Nacht im Monsun. Der Himmel war dunkel und bewölkt. Die Stimmung war sehr düster. Ein einsamer Sannyasin ging die Straße entlang und suchte nach einem Schlafplatz. Da sein Besitz nur aus einer kleinen Tasche, einer Decke und einer Taschenlampe bestand, war er glücklich und sorgenfrei.
Plötzlich hörte er ein Motorrad hinter sich. Es kam auf der dunklen Straße angebraust, hatte jedoch kein Licht. Der Sannyasin wusste, dass der Fahrer in Gefahr war und entschloss sich sofort, ihm seine Laterne zu geben. Er schwenkte die Laterne, um dem Motorradfahrer das Signal zu geben, zu stoppen. Aber es geschah nichts, der Fahrer raste an ihm vorbei. Der Sannyasin rief ihm mit lauter Stimme nach: „Halt an, ich will dir meine Laterne geben, sonst wirst du dich umbringen“. Der Fahrer schrie zurück: „Ich kann nicht halten, ich habe auch keine Bremsen!“
Diese Geschichte ist eine Analogie für das Leben des modernen Menschen. Die dunkle Straße ist der Lebensweg, der normalerweise ohne Freude und Weisheit gelebt wird. Das Motorrad ist Körper und Geist des Menschen. Die meisten Menschen leben ein Leben, das so verantwortungslos und gedankenlos ist, wie das des Motorradfahrers, der auf der dunklen Straße fuhr, ohne Bremsen und ohne Licht. Alle Gedanken und Bemühungen sind einzig dahin gerichtet, Name, Ansehen, Wohlstand, Luxus und andere Dinge zu erlangen, die das Ego befriedigen, ohne wenig darüber nachzudenken, welche Konsequenzen und ungünstigen Auswirkungen das haben wird. Die Menschen gehen den Lebensweg, ohne zu wissen, wo sie gehen.
Die Laterne des Sannyasins symbolisiert Weisheit; die Bremsen symbolisieren Selbstdisziplin. Der Motorradfahrer hatte weder Bremsen (Selbstdisziplin) noch Licht (Weisheit). Es war vorhersehbar, dass ein schwerer Unfall die Folge sein würde. So ist es für jeden, der den Weg des Lebens ohne Weisheit und Selbstdisziplin geht - er muss in Form von Frustration, Krankheit und Verzweiflung dafür zahlen.
Der Sannyasin versucht, dem Fahrer die Laterne zu geben, aber dieser konnte sie nicht annehmen, weil er seine Bremsen nicht bedienen konnte. Es ist das Dharma (die Pflicht) eines Sannyasins, andere Menschen auf dem Lebensweg zu führen, sodass Unfälle in Form von Krankheit vermieden werden und sie allmählich den richtigen Weg der Selbsterkenntnis finden können. Wer bereit ist, Selbstdisziplin zu üben, also eine Bremse anzubringen, der wird auch bereit sein, das führende Licht zu akzeptieren.
Das Licht, das ein Sannyasin anderen geben kann, ist Yoga. So wie es unterschiedliche Arten von Licht gibt, gibt es auch verschiedene Yogaformen. Das aus uralter Vergangenheit stammende Kriya Yoga System gehört zu den mächtigsten dieser Formen. Wir bieten dieses helle Licht den Menschen an, die jetzt noch in Dunkelheit leben, aber gerne bereit sind, eine Laterne anzunehmen und die Bremsen der Selbstdisziplin anzubringen.
Aus: YOGA 44
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/die-5-yoga-kapseln2022-01-26T16:22:22+01:002022-01-28T16:03:27+01:00Die 5 Yoga KapselnChristian Knips
Satyananda Yoga ist ein Yoga System, in dem die Integration von Yoga in das Alltagsleben entscheidend ist. Nur so wird sich die Wahrnehmung ausdehnen und verfeinern, und das ist das Wesentliche auf dem spirituellen Weg. Die verschiedenen Aspekte von Yoga lassen sich als kurze Sequenzen von wenigen Minuten in den Tagesablauf einbinden.
Satyananda Yoga ist ein Yoga System, in dem die Integration von Yoga in das Alltagsleben entscheidend ist. Nur so wird sich die Wahrnehmung ausdehnen und verfeinern, und das ist das Wesentliche auf dem spirituellen Weg. Die verschiedenen Aspekte von Yoga lassen sich als kurze Sequenzen von wenigen Minuten in den Tagesablauf einbinden.
Der Inhalt dieser Kapseln bestehend aus Mantra Rezitation, Asana, Pranayama, Entspannung und Meditation sollte in einer guten Yogaschule gelernt werden.
Swami Niranjan Saraswati als Nachfolger von Swami Satyananda hat diesen prägenden Gedanken wieder aufgegriffen. Während seiner Europareise im Jahr 2006 stellte er die inzwischen von vielen angewendeten fünf Kapseln vor, die das normale Leben zu Living Yoga – einem gelebten Yoga - machen. Diese Kapseln werden hier vorgestellt.
Um eine Bergtour mit Freuden genießen zu können, würden Sie eine Flasche Wasser mitnehmen, um während der Tour immer mal wieder etwas davon zu trinken. Würden Sie die ganze Flasche schon in den ersten Minuten leer trinken, würde Ihr Körper später austrocknen. Trinken Sie jedoch immer wieder ein wenig, kann das nicht passieren, vielmehr werden Sie sich an jedem Tropfen erfreuen. In der gleichen Weise lässt sich die Zeit für Yoga in kurze Sequenzen von jeweils zehn Minuten aufteilen.
1. KAPSEL – Mantra Rezitation
10 Minuten gleich nach dem Aufwachen mit zwei Mantras
11 Mal das Maha Mrityunjaya Mantra (Text siehe 〉 zur 1. Kapsel)
11 Mal das Gayatri Mantra (Text siehe 〉 zur 1. Kapsel)
2. KAPSEL – Asana
10 Minuten Asanas vor dem Frühstück, um den Körper und die Energien auf das Alltagsleben mit Hektik und Stress vorzubereiten.
3 Runden Tadasana
3 Runden Tiryaka Tadasana
3 Runden Kati Chakrasana langsam, 5 Runden dynamisch
3 Runden Surya Namaskara
5 Atemzüge in einer Umkehrhaltung wie Viparita Karani (oder Sarvangasana)
3. KAPSEL – Pranayama
10 Minuten Pranayama, wenn Sie sich im Laufe des Tages müde, erschöpft und energielos fühlen.
3 Runden Nadi Shodhana – zählen auf 3 beim Einatmen, 3 beim Anhalten des Atems, 3 beim Ausatmen, evtl. mit Bandhas
7 Runden Bhramari Pranayama
4. KAPSEL – Yoga Nidra
10 Minuten für eine Kurzform von Yoga Nidra nach der Arbeit
5. KAPSEL – Tagesabschluss
10 Minuten für die Meditation vor dem Schlafengehen.
Japa bzw. Ajapa Japa
Tagesrückblick
〉 zur 1. Kapsel
Das Erste ist ein Mantra zum Heilen, für Sie, Ihre Mitmenschen und alle Wesen der Erde. Das zweite Mantra verhilft zu geistiger Aktivität, Gedanken und Gefühle werden geordnet, die mentalen Energien können sich zentrieren.
Beide Mantras werden dazu beitragen, dem Leben in besserer geistiger Verfassung zu begegnen. Sie aktivieren die Chakras, sorgen für einen freien Fluss der pranischen Energie und lassen Körper und Geist harmonisch miteinander arbeiten. Der Tag wird voller Optimismus, Positivität und Fröhlichkeit verlaufen.
Die Mantras werden unmittelbar nach dem Aufwachen (im Bett) jeweils 11 Mal mental oder besser laut rezitiert.
MAHAMRTYUNJAYA MANTRA
Om trayambakam yajamahe
Sugandhim pushtivardhanam
Urvarukamiva bandhanan
Mrtyor mukshiyamamritat
GAYATRI MANTRA
Om bhur bhuvah svaha
tat savitur varenyam
bhargo devasya dhimahi
dhiyo yo nah prachodayat
〉 zur 2. Kapsel
Der ganze Körper wird gedehnt, gestreckt, gedreht. Die Wirbelsäule darf sich vor und zurück beugen. Die Energiewege können sich öffnen und die Achtsamkeit wird zentriert, sodass der Tag mit Vitalität und Freude begrüßt werden kann.
〉 zur 3. Kapsel
Die Pranayama Übungen tragen dazu bei, die aus der Balance gefallenen Energieströme zu harmonisieren und zu Gelassenheit, Vitalität und Tatendrang zurückzufinden. Bemerkt man, dass man verärgert, lustlos oder müde wird, zieht man sich für ein paar Minuten zurück, dorthin, wo man allein ist, und führt eine oder beide Übungen aus.
〉 zur 4. Kapsel
Wird Yoga Nidra direkt nach der Arbeit ausgeführt, können sich Anspannungen in Körper und Geist lösen. Jeder darf sich hier angesprochen fühlen, denn auch ohne unser Wissen setzen sich Verspannungen in verschiedenen Ebenen unseres Daseins fest. Um sie aufzulösen, brauchen wir den bewussten Schlaf, nicht nur den normalen Schlaf. Während Yoga Nidra wird die Achtsamkeit durch die einzelnen Teile des Körpers gelenkt und so lassen sich die mit Stress und Anspannung gefüllten Taschen erkennen und auflösen. Körper und Geist werden von der ganzen Last befreit, der Geist mit Gedanken und Gefühlen kann zur Ruhe kommen. Auf diese Weise erhält der Feierabend eine völlig neue Qualität.
〉 zur 5. Kapsel
Es gibt eine meditative Übung mit dem Namen ‚Ajapa Japa’, die Wahrnehmung des psychischen Atems mit einem Mantra. Sie kann in einer meditativen Haltung, auf einem Stuhl oder sogar im Bett ausgeführt werden. Zuerst wird der natürliche Atem beobachtet. Nach kurzer Zeit wird die Einatmung vom Nabel zum Augenbrauenzentrum nach oben begleitet. Mit dem Ausatmen wird der Atem vom Augenbrauenzentrum zum Nabel nach unten begleitet. Man kann sich eine Glasröhre vorstellen und beobachten, wie in dieser Röhre Wasser nach oben steigt und wie es nach unten sinkt. Der Atem verbindet sich mit dieser Bewegung. Wenn das Wasser steigt, bewegen sich Wahrnehmung und Atem nach oben zum Augenbrauenzentrum. Wenn das Wasser sinkt, bewegen sich Wahrnehmung und Atem nach unten zum Nabel. Nach einigen Minuten wird der Klang des Atems als Mantra wahrgenommen. Es ist das Mantra SO HAM. SO erklingt während der aufsteigenden Einatmung, HAM erklingt während der absteigenden Ausatmung. SO HAM, aufsteigend und absteigend. Fünf Minuten für diese Übung sind gut.
Danach kann eine weitere Übung hinzukommen: ein Rückblick des Tages. Wann und wie bin ich aufgewacht, was habe ich nach dem Aufwachen gemacht, welche Kleidung habe ich nach dem Duschen angezogen? Was gab es zum Frühstück, was habe ich gehört oder gelesen, wie ging der Tag weiter, wie war der Umgang mit anderen Menschen, war die Kommunikation harmonisch oder voller Konflikte? Erkennen Sie solche Momente des Tages, in denen Sie die Ruhe und Gelassenheit verloren haben. Halten Sie hier inne und sagen Sie sich mental: Wenn ich noch einmal in eine ähnliche Situation komme, werde ich in einer besseren, positiven harmonischen Weise damit umgehen! Dann vergessen Sie diesen Gedanken und gehen Sie schlafen.
Machen Sie das an jedem Abend, für jeweils fünf bis zehn Minuten. Sie werden bemerken, dass sich der Geist schon nach wenigen Tagen seiner Erwiderungen und Reaktionen bewusst wird. Zunächst schulen Sie den Geist, damit er erkennen kann, was geschieht und geschehen ist.
Mit diesem Training wird der Geist in kurzer Zeit rechtzeitig erkennen, wenn Krisen auftauchen. Der geübte Gedanke wird aus den Tiefen aufsteigen: „Oh, hier kann ich versuchen, die Situation besser zu meistern!“ Das wird alle Anspannung auflösen. Nun erst lässt sich eine Verbesserung im mentalen Ausdruck und Verhalten erfahren.
Zusammenfassung
Viele Menschen versuchen, Vitalität und Ausdauer mit allen möglichen Vitamin- oder Mineralienkapseln aufrechtzuerhalten. Diese Sadhana mit den fünf Kapseln über einen Tag verteilt hat jedoch eine ganz andere Qualität und ist etwas sehr Kraftvolles. Dies sind die fünf Yoga Kapseln, die allerdings täglich genommen werden müssen. Jeder kann entscheiden, ob er die erste bis zur dritten Kapsel zusammennehmen will oder lieber zu unterschiedlichen Zeiten. Die vierte und die fünfte Kapsel müssen auf jeden Fall im späteren Verlauf des Tages genommen werden, die vierte Kapsel nach der Arbeit, die fünfte Kapsel vor dem Schlafengehen.
Die wichtigsten Kapseln am Tag sind die erste und die fünfte, die Mantras am Morgen und die Meditation am Abend. Die Mantras werden dazu beitragen, dem Leben mit einem besseren Geisteszustand zu begegnen. Die Meditation wird dazu beitragen, mit einem entspannten und zielgerichteten Geisteszustand einzuschlafen, frei von den während des Tages angesammelten Anspannungen, frei von Stress, der unseren Schlaf beeinträchtigen könnte. Schon nach kurzer Zeit wird sich die Qualität des Schlafs positiv verändern. Die Anwendung dieser fünf Kapseln wird allen, die ihren wachsenden täglichen Pflichten und Verantwortungen nachkommen müssen, eine große Kraft geben. Natürlich können je nach Zeit und Lust auch andere Yoga-Übungen gemacht werden, Streckübungen, geistige Übungen, aber auch Joggen, Schwimmen, Radfahren und mehr.
Es ist empfehlenswert an diesen fünf Übungen, den fünf Kapseln, festzuhalten, jeden Tag im Leben. Damit lässt sich der Kampf gegen den eigenen Stress und die Anspannungen gewinnen. Und die Qualität des Lebens wird sich verbessern.
Presse-Artikel: yoga aktuell - Februar '08 | März '08
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/satyananda-yoga-system2022-01-26T16:18:33+01:002022-01-28T16:00:42+01:00Satyananda Yoga SystemChristian Knips"Dessen Wonne die Wahrheit ist", so wird Satyananda aus dem Sanskrit übersetzt. Satyananda Yoga ist ein Yoga System, das sowohl tantrischen Kriya Yoga als auch die Aspekte Jnana Yoga, Bhakti Yoga sowie Karma Yoga und weitere Bereiche des Yoga umfasst - Kriya Yoga zur Hebung der Energie und zur Befreiung von Begrenzungen, Karma Yoga, um die Energien sinnvoll und fruchtbar einzusetzen, Jnana Yoga als vor allem in der Praxis erlangte Einsicht und Bhakti Yoga als Hingabe in allem, was man tut.
Vorgestellt: Satyananda-Yoga, ein zeitgenössisches, wissenschaftlich orientiertes Yoga System
Von Nina Haisken
"Dessen Wonne die Wahrheit ist", so wird Satyananda aus dem Sanskrit übersetzt. Satyananda Yoga ist ein Yoga System, das sowohl tantrischen Kriya Yoga als auch die Aspekte Jnana Yoga, Bhakti Yoga sowie Karma Yoga und weitere Bereiche des Yoga umfasst - Kriya Yoga zur Hebung der Energie und zur Befreiung von Begrenzungen, Karma Yoga, um die Energien sinnvoll und fruchtbar einzusetzen, Jnana Yoga als vor allem in der Praxis erlangte Einsicht und Bhakti Yoga als Hingabe in allem, was man tut. Daraus wird bereits klar, dass es sich um ein ganzheitliches System handelt, in dem es alle Ebenen des Seins zu entdecken und zu entwickeln gilt.
Körper und Psyche, Energiekörper und Geist werden mittels Asanas, Pranayama, Meditation und anderen Praktiken erforscht, harmonisiert und verfeinert. Die erhöhte Energie wird in das tägliche Leben hineingetragen und darin genutzt. Fundamentale Aspekte sind Achtsamkeit und ein fortwährender Prozess der Selbstwahrnehmung, nicht zu verwechseln mit einer Selbstanalyse, die von der vollen Präsenz im aktuellen Geschehen oder Zustand wegführt. Satyananda Yoga speist sich aus alten Texten und Traditionen des Yoga und Tantra und ist insbesondere vom Wirken des großen Philosophen Adi Shankaracharya inspiriert.
Die Erkenntnisse dieses berühmten Lehrers des monistischen Advaita Vedanta, dessen Lebzeit vermutlich im 8. Jhd. anzusiedeln ist und dessen Lehren – komplexe philosophische Werke, die darlegen, dass das gesamte Universum eins mit dem göttlichen Urgrund ist - bis heute von großem Einfluss sind, bilden sozusagen das Herz des Satyananda Yoga. Entwickelt wurde dieses System, das wissenschaftliche Erkenntnisse einbezieht und auf deren Grundlage komponiert wurde, von dem zeitgenössischen Yogameister Swami Satyananda Saraswati.
Swami Satyananda Saraswati
Swami Satyananda Saraswati (auch Paramahamsa Satyananda Saraswati – ein Titel, der die höchste Verwirklichung zum Ausdruck bringt) erhielt seine spirituellen Einweihungen von Swami Sivananda und ist Sannyasin des von Shankara gegründeten Dashanami-Ordens, wie auch der Beiname Saraswati zeigt. In seinem Leben scheinen Zyklen von 20 Jahren eine Rolle zu spielen: 1923 geboren, kam er 1943 zu seinem Lehrer Swami Sivananda, bei dem er bis 1963 blieb, dann gründete er die Bihar School of Yoga, deren Leitung er bis 1983 übernahm. Nachfolgend reiste er einige Jahre lang in verschiedene Länder, um Vorträge zu halten, und führte anschließend über Jahre eine Panch Agni Sadhana aus (Meditation zwischen vier Feuern; die Sonne stellt das fünfte Feuer dar). Seit 1991 lebt Swami Satyananda Saraswati in Jarkhand in Indien und setzt sich für das Wohl der lokalen Gemeinschaft ein. Neben der Bihar School of Yoga rief der Begründer des Satyananda Yoga und Autor von über 80 Büchern das International Yoga Fellowship Movement, das Sivananda Math in Munger und die Yoga Research Foundation ins Leben. Über Yoga sagte er einmal Folgendes: „... Es ist schwer, in so kurzer Zeit zum Ausdruck zu bringen, was Yoga für jeden von uns bedeutet, denn für drei Millionen Menschen hat Yoga drei Millionen Definitionen. So ist die eigentliche Definition von Yoga die folgende: Yoga ist die Lehre vom Bewusstsein! Es ist eine Wissenschaft der Persönlichkeit und Kreativität. Versuche es selbst und begib dich auf den Yoga Weg, dann wirst du ganz sicher erkennen, dass du neue Fähigkeiten entwickelst, dass du mehr geben und viel lernen kannst und innerlich reicher und glücklicher wirst.“
Swami Niranjanananda Saraswati
Zu seinem Nachfolger hat Swami Satyananda Saraswati den 1960 in Madhya Pradesh geborenen Swami Niranjanananda ernannt, der bereits ab dem 4. Lebensjahr in seiner Obhut war. Da er schon mit elf Jahren begann, oft den Westen zu bereisen, sind ihm hiesige Lebensumstände und Mentalität gut vertraut und er versteht es, Yoga auch den Menschen der westlichen Gesellschaften lebensnah zu vermitteln. Seine Schüler schätzen an ihm u.a. ganz besonders seinen Humor.
Grundlegende Praktiken des Satyananda Yoga
Vielleicht fällt vielen im Zusammenhang mit Satyananda Yoga zuerst Yoga Nidra ein, was in der Tat eine für diese Yogarichtung charakteristische Praxis ist. Yoga Nidra lässt sich erklären als ein spezifischer Bewusstseinszustand auf der Grenzlinie zwischen äußerer und innerer Welt – man ist nicht ganz wach, aber auch nicht im tiefen Schlaf. Es ist ein kraftvoller Zustand, in dem körperliche, emotionale und mentale Ruhe und Klarheit und die Kreativität des Geistes erfahren werden. Herbeigeführt werden kann dieser Zustand durch gesprochene Anleitungen, die die Wahrnehmung in bestimmter Reihenfolge durch den Körper führen und schließlich auch auf bestimmte mentale Visualisierungen und auf feinstoffliche Energien lenken. Im Handel gibt es einige gute CDs mit solchen Anleitungen. Fortgeschrittene können sich auch selbst in den Yoga Nidra-Zustand versetzen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Yoga Nidra einen deutlich tiefgreifenderen Entspannungseffekt bewirkt als einschlägige Entspannungstechniken, die auf Suggestion oder Hypnose basieren. Näheres zu den Studien kann man in der Zeitschrift Bindu nachlesen, die von der Skandinavischen Yoga- und Meditationsschule herausgegeben wird.
Was die Körperübungen im Satyananda Yoga betrifft, sind die Pawan Mukta Asanas (windbefreiende Asanas) als grundlegend zu betrachten. Es handelt sich um 34 Übungen, die in drei Gruppen unterteilt werden: anti-rheumatische Asanas, Asanas gegen Gase im Magen- und Darmtrakt und die neuro-muskuläre Blockaden lösenden Shakti Bandhas.
Die Pawan Mukta Asanans sind einfach auszuführen und haben bei richtiger und regelmäßiger Anwendung eine tiefgreifende, ganzheitliche Wirkung auf alle Körpersysteme und auch auf den Geist. Die herausragende Wirkung kann durch ihre offensichtliche Verbindung zur chinesischen Medizin erklärt werden - die 34 Übungen werden auch als Akupunktur ohne Nadeln bezeichnet.
Tantrische Meditationsübungen wie Antar Mouna oder Antar Trataka sind weitere sehr wichtige Elemente im Satyananda Yoga. Antar Mouna (Innere Stille) beschreibt Swami Janakananda, ein bekannter Schüler Paramahamsa Satyananda Saraswatis, als eine Meditation, die das Vermögen zu erleben trainiert. In der Ganzheit der jeweiligen Situation beginnend führt sie schrittweise von den Sinnen durch die Zustände, Gewohnheiten, Gedanken und Gefühle, welche die Persönlichkeit normalerweise beinhaltet, um schließlich durch tiefere Dimensionen des inneren Universums bis hin zum innersten Wesen zu führen. Charakteristisch ist hier wieder der tantrische Ansatz, das, was sich einstellt, voll zu erleben und ihm zu erlauben, dass es geschieht. Dadurch ergibt sich wie von selbst, dass man sich nicht an bestimmte Emotionen etc. klammert, und man kann sich leichter davon lösen als durch Vermeidungsstrategien. Bei der Konzentrationstechnik Antar Trataka wird mit geschlossenen Augen ein inneres Objekt fixiert. Darüber hinaus ist auch Ajapa Japa zu erwähnen, eine siebenstufige Meditation, bei der das Mantra Soham und der psychische Atem eingesetzt werden.
Diese Übungen bilden den Einstieg in den tantrischen Kriya Yoga, der ein in mehrwöchigen Einweihungen vermitteltes Set von Kriyas umfasst. Ein anderes Werkzeug des Satyananda Yoga stellt die SWAN Theorie dar. Hierbei geht es darum, die wichtigen Kräfte Kopf, Herz und Hände harmonisch miteinander wirken zu lassen. SWAN ist eine Abkürzung für strengths, weaknesses, ambitions, needs - Stärken, Schwächen, Ambitionen, Bedürfnisse. Diese gilt es zu erkennen und in Balance zu bringen. Die SWAN Theorie zählt zu dem Bereich der yogischen Psychotherapie und ist in abgewandelter Form heute Teil fast jedes Manager-Trainings. Des Weiteren sind Nada Yoga und Kirtan ein im Satyananda Yoga sehr geschätzter Zweig und last but not least wird Wert auf die yogischen Reinigungsübungen (Shatkarma) gelegt. Diese Übungen, zu denen z.B. die Nasenreinigung Neti sowie auch die Magenspülung Kunjal Kriya und die Darmspülung Shankaprakshalana gehören, dienen zur Reinigung der inneren Räume, damit der Körper zum Tempel der Seele werden kann.
Satyananda Yoga in Europa
Die Bihar School of Yoga ist seit 1984 offiziell in Deutschland vertreten. Das Satyananda Yoga Zentrum (SYZ) wurde als eingetragener Verein in Lindau am Bodensee mit dem Ziel gegründet, die Satyananda Yoga-Lehre in Deutschland bekannt zu machen. Der Vereinssitz wechselte später zunächst nach Volklings und dann in den Odenwald; seit 2000 wurde mit dem City Ashram in Köln ein neuer Sitz aufgebaut (siehe www.satyananda-yoga.de). Dort können auch die Kontaktdaten weiterer Ansprechpartner und Schulen aus der Satyananda Yoga Tradition erfragt werden. Als Zweig des SYZ entstand 1985 der Ananda Verlag, dem eine Vielzahl von Publikationen zu verdanken sind, welche einen guten Einblick in die klassische Satyananda Lehre geben. Geleitet wird das SYZ von Swami Prakashananda Saraswati, die von ihrem Meister Paramahamsa Satyananda Saraswati zur Yoga-Acharya ernannt wurde.
Ein bekannter europäischer Schüler Swami Satyanandas ist auch der Däne Swami Janakananda, der die renommierte Skandinavische Yoga- und Meditations- schule gründete. Zur Schule gehört ein Kurszentrum in Südschweden, in dem regelmäßig international besuchte Retreats stattfinden, bei denen Yoga in der Tradition Swami Satyananda Saraswatis auf profunde Weise vermittelt wird. Ferner hat die Skandinavische Yoga- und Meditationsschule u.a. auch eine Niederlassung in Hannover. Auf deren Website www.yogaimzentrum.de finden sich umfangreiche weiterführende Informationen zu Yoga in dieser Tradition.
Die Bihar School of Yoga und Bihar Yoga Bharati
Mit der Gründung der Bihar School of Yoga in Munger im Jahr 1963 folgte Swami Satyananda der Vision, die Swami Sivananda schon mit der Vedanta Forest Academy in Rishikesh ein Stück weit umgesetzt hatte. Mit dieser Schule schuf er eine Institution, die gleichermaßen als Ausbildungsschule, Ashram und Forschungsinstitut anerkannt ist. 1994 kam durch Initiative von Swami Niranjanananda die Bihar Yoga Bharati hinzu: die weltweit erste Yoga-Universität. Hier wird die yogische Wissenschaft mit akademischen Methoden verbunden. Das Institut bietet Kurse zu verschiedensten Zweigen und Aspekten des Yoga an.
Schlafes Schwester: Schlafyoga verspricht alles Gute dieser Welt, ganz ohne Anstrengung. Eine prima Idee - wenn man dabei nicht so lachen müsste.
Von Ruth Schneeberger
Mit dem Yoga ist das so eine Sache: Entweder, man glaubt daran - oder man lässt es bleiben. Es wird sich wohl niemand ein zweites Mal in einem Yoga-Kurs einfinden, wenn er bei seinem ersten Besuch in Lachen über kopfbetuchte Mitstreiter, atmosphärische Verwehungen, Duftkerzen und das berühmte "Ohm" ausgebrochen ist. Auch, wenn von Madonna über Ralf Bauer bis zu Ursula Karven die Promis sich in Anpreisungen des unlängst entdeckten Yoga-Lifestyles überbieten.
Insofern ist es niemandem ernsthaft übelzunehmen, wenn er sich von der Yoga-Welt erst mal fernhält - trotz nachweislich positiver Auswirkungen auf Körper und Geist. Es gibt allerdings eine Form des Yoga, die genauere Betrachtung verdient, vor allem für die, sagen wir, Stressanfälligeren unter uns: das Schlafyoga.
Schlafyoga, in Fachkreisen "Yoga Nidra" genannt, ist die weitgehend unbekannte und weitgehend unbewegliche Variante des Yoga, bei dem es ja ansonsten mitunter schon mal zu schwindelerregenden Verrenkungen kommen kann. Hier muss niemand seine Zehen zu den Ohren führen, hier geht es allein um: Entspannung.
Im Jobbing-Anzug
Prima, denke ich mir, als ich mich zwischen zwei TV-Kritiken, zwei Seminararbeiten über Caravaggio und die mittelalterliche Spätgotik, zwischen zwei Jobs und dem steten Pendeln zwischen zwei Wohnorten mit Anfang 20 doch ein wenig ausgelaugt fühle. Es kommt aber zunächst, wie es kommen musste: Ich muss lachen.
Die Sporthalle an der Uni Köln ist alles andere als meditationsgeeignet: Neonlicht, PVC-Boden und Schweißgeruch. Die Satyananda-Jünger, die uns in den "bewussten Schlaf" tragen wollen, scheinen weit hergereist aus einer anderen Welt: in orangefarbenen wallenden Gewändern und mit wahrhaft erhaben-seligem Lächeln. Um die Umgebung ihrer Stimmung anzupassen, haben sie Räucherstäbchen und Musik mitgebracht.
Wir legen uns in "gemütlicher Kleidung" auf unsere Matten. Bei mir besteht die gemütliche Kleidung aus meinem Jobbing-Anzug, weil ich zum Umziehen nun wahrlich keine Zeit hatte. Den Gürtel solle ich aber wenigstens ausziehen, bittet die Lehrerin. Ich öffne ihn. Zu mehr bleibt keine Zeit, denn dann kommt schon die "Totenhaltung".
Der große Zeh
"Lege dich in die Totenhaltung und werde bereit für Yoga Nidra", spricht die Lehrerin, die uns fortan nur noch als Stimme durch die Übung führen wird. Denn wir liegen alle dort, auf dem Boden, mit geschlossenen Augen, die Beine 30 Zentimeter auseinander, die Arme liegen ausgestreckt neben dem Körper. Und sollen versuchen, uns an der Stimme festzuhalten, denn es folgt eine meditative Reise durch den Körper, bei der der eine oder andere gerne mal einschläft.
Das ist also das Ziel: wach zu bleiben, während der Körper schläft. Es geht los. "Berühre mit deiner Wahrnehmung die großen Teile des Körpers", sagt die Stimme, und ich folge. Die Beine, den Po, den Rücken. Dann geht es ins Detail. Wir sollen an nichts anderes denken als an die Körperteile, die gerade aufgerufen werden: kleiner Zeh, mittlerer Zeh, großer Zeh. Die Fußsohle, die Verse, der Knöchel. Weiter oben sind dann Schultern, Nacken, Hals, Hinterkopf, Augen und "Bhrumadhya", die Stelle zwischen den Augen, dran. Ich fange an zu glucksen.
Hier liegen eine Menge erwachsener Menschen in Totenhaltung und denken an ihren großen Zeh. Sie versuchen angestrengt, sich an einer Stimme festzuhalten, die bestimmte Worte sehr merkwürdig ausspricht. Enthält das Wort ein "i", klingt es ganz furchtbar niedlich. Die Musik ist ein Auf- und Abschwellen von schrägen Lauten und ziemlich nervig. Die Räucherstäbchen vernebeln uns die letzten Sinne. Und keinen wundert's. Nehmen wir uns gleich an den Händen und tanzen nackt im Kreis? Ein Mann fängt an, laut zu schnarchen. Es platzt aus mir heraus. Ich bin böse. Störe diese selige Runde mit meinem stressüberfrachteten kindlichen Gemüt, dabei schlafen sich die anderen gerade zur Erleuchtung. Denn Yoga Nidra, so sagt es zumindest die Lehre von Satyananda Yoga mit Sitz in Köln, führt auf direktem Wege und ohne größere Anstrengung zu immensen Wirkungen: Heilung auf körperlicher, mentaler und emotionaler Ebene, Freilegung des verborgenen kreativen Potenzials, Stärkung von Konzentration und Gedächtnis und als Ergebnis davon neu erweckte Freude am Leben und an der Arbeit. Wer bin ich, dass ich das infrage stellen wollte? Ich muss kichern.
Ich wage es, ein Auge zu öffnen und den Kopf leicht zu heben, um zu kontrollieren, ob die Lehrerin mich gleich des Raumes verweisen wird. Doch sie macht keine Anstalten. Offenbar werden in der Yoga-Welt Querulanten einfach weg gelächelt.
Ich bemühe mich. Dabei wird eins schnell klar: Zu den Einschlaf-Gefährdeten gehöre ich nicht. Im Gegenteil. Eher zu den Konzentrations-Gestörten. "Nimm einen tiefen Atemzug und lasse beim Ausatmen alle Probleme des Tages gehen." Jetzt wird's praktisch. "Du musst dich nicht bemühen. Durch die Konzentration auf den Körper beruhigt sich der Geist von ganz allein." Die Stimme fängt an, mir zu gefallen.
Schläfst du noch oder schnarchst du schon?
Ich begebe mich also auf eine Reise durch meinen Körper. Von innen. Nehme den Rücken wahr, und alle anderen Stellen des hinteren Körpers, wie sie den Boden berühren, versuche sie mir als miteinander verbunden vorzustellen. Als der nächste Schnarcher von meinem Nebenmann kommt, bin ich schon gefasster.
Nach der nächsten Runde durch den Körper merke ich, dass er schläft. Schnarche ich? Nein, das war der Vordermann. Ich dagegen bin auf dem besten Wege, auf den schmalen Grat zwischen Schlaf- und Wachbewusstsein zu gelangen. "Es ist der Moment, den man kurz vor dem Einschlafen hat", erklärt die Stimme gerade. Ich erinnere mich schläfrig: In solchen Momenten ist man so selig wie kreativ, mir kamen dabei schon die tollsten Einfälle. Ganze Modekollektionen habe ich in solchen Momenten schon im Kopf entworfen. Leider bin ich keine Modedesignerin.
Die Stimme verlangt nun bestimmte Dinge von uns. Wir sollen uns ein Kreuz vorstellen, dann einen Yogi, dann eine Wolke. Eine Rose. Einen Teich. Unser Körper ist ganz kalt. Dann ganz heiß. Und schließlich, auf dem Höhepunkt der körperlichen Schläfrigkeit, dürfen wir uns was wünschen. Es soll aber ein Wunsch sein, den unser Innerstes hervorbringt. Wir sollen uns nicht mit materiellen Dingen aufhalten.
Vom Lachen zum Grinsen
Danach ist es vorbei. Wir bereiten uns auf das Aufwachen vor. Sollen langsam die äußere Welt wieder wahrnehmen. Die Glieder ausstrecken, die Hände reiben, die Augen damit wärmen und uns sachte aufsetzen. Wir schließen die Übung, indem wir uns verbeugen und der Stimme ein unverständliches Wort nach murmeln.
Ich muss jetzt nicht mehr lachen, ich muss grinsen. Nur 40 Minuten hat die Übung gedauert, und ich fühle mich wie nach 14 Stunden Schlaf. Friedlich, entspannt, gelassen. Körperlich wie mental. Eine unglaubliche Entspannung ist eingetreten, sie wird mehrere Stunden anhalten und sich auch auf die nächsten Tage positiv auswirken. Als ich am Abend in den Spiegel schaue, entdecke ich: ein erhabenes Grinsen.
Ich bin danach jede Woche zum Schlafyoga gegangen. Inzwischen ist das Studium beendet, die Stadt gewechselt und der Stress nur noch größer geworden. Da ist es fein, dass ich die Kurse nicht mehr brauche - ich habe die Stimme nun auf CD.
Ob sie mir im Halbschlaf mit der Imagination von Kreuzen und Rosen irgendwelche fernöstlichen Glaubenslehren unterschieben will, ist mir ziemlich egal. Und falls doch, hat es mir noch nicht geschadet. Im Gegenteil: Der Wunsch, den ich inzwischen oft genug im "dynamischen" Schlaf wiederholt habe, hat sich tatsächlich erfüllt. Mein Fazit: Yoga Nidra ist Yoga ohne Anstrengung, dafür mit doppelter Wirkung - und damit definitiv nicht von dieser Welt.
Nähere Informationen zum Yoga Nidra und die CD gibt es unter www.satyananda-yoga.de.
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/neuer-blickwinkel-auf-yoga2022-01-22T14:09:01+01:002022-01-26T17:35:48+01:00Neuer Blickwinkel auf YogaChristian Knips
Die umfassende Weisheit des Yoga konnte bisher kaum erkannt werden und dazu haben die oft seltsamen Vorstellungen von Yoga geführt. Einige der häufigsten Missverständnisse sollen hier aufgeklärt werden. Um Yoga zu praktizieren, muss niemand sein Zuhause verlassen und in der Einsamkeit leben. Yoga ist nicht in erster Linie für Entsagende oder Sannyasins, denn eine partnerschaftliche oder sexuelle Beziehung ist für die Ausübung von Yoga kein Hindernis, ebenso wenig muss man unbedingt Vegetarier sein. Das wahre Ziel von Yoga ist es, Frieden und Ruhe im Inneren zu finden, und dafür kann die gewohnte Lebensweise beibehalten werden.
Yoga ist äußerst praktisch und hat nichts mit theoretischen Spekulationen zu tun. Aus yogischer Sicht gibt es keinen Unterschied zwischen dem Leben eines Menschen, der seinen Verpflichtungen mitten im Leben nachkommt und dem eines Mönches oder Entsagenden, oder zwischen dem Leben einer Frau und dem eines Mannes. Auch hier gibt es oft vage Vorstellungen, die annehmen lassen, Yoga habe keinen Platz in unserer heutigen modernen Welt.
Das Praktizieren von Yoga allein kann mentale und körperliche Leiden beheben und Freude in unser Leben bringen, besonders dann, wenn um uns herum alles aus den Fugen zu geraten scheint. Das ist der Grund, warum Yoga eine wichtige Rolle in unserem heutigen Leben spielen kann. Selbstdisziplin und ein besonderes Verhalten sind nicht Voraussetzung, um mit Yoga zu beginnen. Man kann sich weiterhin an den schönen Dingen des Lebens erfreuen, weltliche oder materielle Ambitionen und Bestrebungen haben und gleichzeitig ein Yogi sein. Die entscheidende Lehre des Yoga ist es, frei zu sein von jedem Anhaften und sich nicht zum Sklaven seiner Wünsche zu machen.
Wer ernsthaft Yoga übt, bleibt unberührt wie das Meer, das die turbulenten Wasser der hereinströmenden Flüsse aufnimmt. Ein Yogi kann sinnliche Erfüllung genießen, ohne ihr verfallen zu sein. Das Leben mit all seiner Schönheit und seinen Schwierigkeiten zu umarmen, ist der Weg und nicht die Lebensverachtung. Sich in die Einsamkeit zurückzuziehen und entrückt in der einsamen Stille von Samadhi zu verweilen, ist nicht das Ideal. Wahre Größe liegt allein darin, mitten im Tumult des Lebens und trotz aller Widrigkeiten unerschütterlich zu bleiben.
Ein Arzt, der nur gesunde Patienten behandeln will, ist kein Arzt. Wäre Yoga nur für Menschen, die körperlich und mental völlig gesund sind, wäre er nicht die große Wissenschaft des Lebens. Yoga hat einen sehr viel größeren und umfassenderen Wirkungsbereich, als meist vermutet wird. Als durchaus rationale Wissenschaft kann Yoga für alle Menschen in jeder Lebenssituation ein Segen sein. Nach den immer wiederkehrenden mentalen und körperlichen Mühen des Tages lässt sich durch Yoga Spannkraft und Vitalität wiederherstellen. Menschen, die im Berufs- und Familienleben verankert sind, verausgaben sich ständig. Ihr Bemühen, das Herdfeuer in Gang zu halten, ihre Aktivitäten, um den sozialen, nationalen und internationalen Verpflichtungen nachzukommen, sind wahrhaft Opfergaben. Ist man sich dieser Tatsache bewusst, kann der Blick auf die Selbstverwirklichung ungetrübt bestehen bleiben, auch und gerade inmitten der unermüdlichen harten Arbeit.
Niemals endende Aktivität im Strudel des Lebens fordert allerdings auch ihren Preis. Ängste, Frustration, geistige und körperliche Erschöpfung, all das beschleunigt den Alterungsprozess. Yoga ist ein kraftvolles Heilmittel gegen diese Zerstörungskräfte.
Vielleicht fragt sich jemand, ob das lebenslange Zölibat eine unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung von Yoga ist. Doch das kann nicht sein, denn schon die großen Weisen haben deutlich betont, dass jeder mit Yoga beginnen kann, nach der erhabenen Yoga Wissenschaft streben kann, dass es keinerlei Einschränkungen gibt – ob man sich nun an der Schwelle zum Leben befindet, den Frühling der Jugend oder die Ehrwürdigkeit des Alters erreicht hat.
Yoga ist mehr als der achtstufige Weg des Ashtanga Yoga, der in alten indischen Schriften beschrieben wird. Yoga beinhaltet eine Vielfalt von Wegen, und gerade das macht ihn so wirkungsvoll. Diese Vielfalt drückt sich aus in: Asana (yogische Haltungen), Pranayama (yogische Atemübungen), Japa (Wiederholung eines Mantras), Nada Yoga (Yoga der Klangschwingung), Trataka (den Blick auf einen Punkt fixieren), Karma Yoga (Yoga der selbstlosen Handlung), Bhakti Yoga (Yoga der Hingabe), Jnana Yoga (Yoga des Erforschens) und Raja Yoga (Yoga der Meditation). All das sind verschiedene Aspekte von Yoga. Sogar Musik spielt auf dem Yoga Weg eine wichtige Rolle und Bhakti Yoga beruhigt aufgestaute Gefühle und einen erhitzten Geist. Unsere ganz alltägliche Arbeit kann Yoga sein. Das ganze Leben mit seinen Höhen und Tiefen kann mit dem richtigen Wissen Yoga sein. Das Feld ist groß und einladend. Die Schönheit von Yoga kann all unsere Aktivitäten im Leben transformieren.
Das trifft auch auf die Verstrickungen und schwierigen Zeiten des Lebens zu, denn auch sie sind Teil der Realität. Schwierigkeiten gehören zum normalen Leben und lassen sich nicht lösen, indem wir den unangenehmen Situationen des Lebens aus dem Wege gehen. Das Leben ist keine Illusion, es ist und bleibt ein Schlachtfeld. Für einen Philosophen mag es eine Illusion sein, denn seine Welt ist oftmals eine Welt der Imagination, und seine Füße stehen nicht immer auf festem Boden. Patanjalis Yamas (Moralkodex) und Niyamas (Verhaltenskodex), so lautet meist die Übersetzung, waren für eine längst vergangene Zeit, die noch voller Tugenden war. Heute allerdings ist um uns herum alles voller Unwahrheiten, Gewalt und unzähliger anderer Unvollkommenheiten. Wahrhaftigkeit (Satya), Freisein von Gewalt (Ahimsa), usw. sind bewundernswerte Kräfte, sie stehen jedoch nicht an erster Stelle von Yoga, und jeder muss für sich entscheiden, wann er sich ihnen widmen will. Das sich Aneignen unerreichbarer Tugenden ist nicht das Ziel von Yoga. Wir haben es mit einer rationalen Wissenschaft zu tun, die Techniken anbietet, mit denen der unruhige Geist zur Ruhe gebracht werden kann. So können die physischen und mentalen Energien nutzbringend eingesetzt werden, um unsere Ausdauer und Spannkraft aufrechtzuerhalten. Das wahre Ziel von Yoga ist die Entwicklung einer in sich ausgewogenen Persönlichkeit. Der beste Weg, um das zu erreichen, ist eine Synthese von Bhakti, Karma, Jnana und Raja Yoga. Dadurch können sich die sich oft widersprechenden Kräfte Verstand und Emotionen in ein gesundes Gleichgewicht bewegen. Nur ein gutes Zusammenspiel beider Kräfte führt zu innerem Frieden.
Das Wort Yoga hat eine große Bedeutung. Es stammt aus der Sanskrit Wurzel yuj (vereinigen). Yoga bedeutet Einssein. Bewusst an den Freuden und Leiden aller Menschen teilzunehmen, den Horizont zu erweitern und über das kleine, begrenzte Leben hinauszugehen, ist Yoga. Aus dieser Perspektive betrachtet, lässt sich Yoga nicht mehr als individualistisch oder egozentrisch bezeichnen. Emotional mit allen Menschen im Einklang zu sein, so wie eine Mutter mit ihrem Kind, ist der Schlüssel, um Isolation zu überwinden.
Yoga steht daher für körperliches und mentales Wohlbefinden. Für die leidende Menschheit ist Yoga eine Therapie für Körper und Geist. Für jemand, der auf Suche nach der Wahrheit ist, ist er der kürzeste Weg, das höhere, das göttliche Bewusstsein zu erfahren. Yoga ist in der Tat ein Meisterwerk der Vollkommenheit. Nenne ihn ein Programm, eine Methode oder eine Philosophie. Ein Programm ist er mit seinem anzustrebenden Ziel. Eine Methode ist er mit den methodisch klaren und verständlichen Übungen. Wie auch immer die individuelle Orientierung für den spirituellen Weg aussieht, Meditation und andere Übungen sind ein wichtiger Aspekt im sonst mehr nach außen gerichteten Leben. Es gibt nur wenige Methoden, die für jeden geeignet und vielseitig anwendbar sind, und doch zur höchsten Stufe der Selbstverwirklichung führen können. Yoga ist eine davon, und dieser Weg hat weltweite Anerkennung.
Um unsere oft hochgesteckten Ziele im Leben zu erreichen, brauchen wir Willenskraft, die mit einer unausgewogenen Persönlichkeit nicht aufzubringen ist. Nur mit Willenskraft können wir materiellen und auch spirituellen Fortschritt erlangen. Durch die Verschiedenartigkeit der yogischen Übungen lässt sich die innere Willenskraft stärken und angestrebte Ziele lassen sich erreichen.
Erfreust du dich eines glücklichen, harmonischen Lebens? Bist du in deinen ganz alltäglichen Aktivitäten immer im Hier und Jetzt und voller Enthusiasmus? Kannst du dich mit einem kühlen Kopf und Zuversicht darüber erheben, wenn sich widrige Umstände gegen dich richten? Für diese Kunst des Lebens steht Yoga.
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/ayurveda2021-12-29T15:30:00+01:002022-01-26T14:22:59+01:00AyurvedaChristian KnipsYogis haben eine ganz bestimmte Sicht- und Vorgehensweise, wenn sie Störungen im menschlichen Leben entdecken. Sie lassen sich leiten von uralten Gesetzen, die schon in den ältesten Schriften der Menschheit zu finden sind: den Veden. Diese "heilige Lehre" ist viele tausend Jahre alt. Veda bedeutet Weisheit oder Wissen und es gibt vier große Veden: Rig Veda, Sama Veda, Yayurveda und Atharva Veda.
Yogis haben eine ganz bestimmte Sicht- und Vorgehensweise, wenn sie Störungen im menschlichen Leben entdecken. Sie lassen sich leiten von uralten Gesetzen, die schon in den ältesten Schriften der Menschheit zu finden sind: den Veden. Diese "heilige Lehre" ist viele tausend Jahre alt. Veda bedeutet Weisheit oder Wissen und es gibt vier große Veden: Rig Veda, Sama Veda, Yayurveda und Atharva Veda. In diesen Gesetzen finden wir ein Grundmuster, was allen alten Weisheitslehren ähnlich ist, und dieses Muster möchte ich in einem stark vereinfachten Modell herausarbeiten.
Ayurveda und Samkhya
Ayurveda wird als Upaveda, als Zusatz zum Atharva Veda, angesehen und ist eng verwandt mit der Sankhya Philosophie. Sankhya ist eine der sechs großen Philosophien Indiens.
Ayurveda, "das Wissen, die Wissenschaft vom langen Leben, von der Gesundheit", gilt als altes naturheilkundliches System Indiens. Es basiert auf dem System der drei dynamischen Prinzipen, der Doshas, die mit den drei Grundeigenschaften des Materie-Prinzips (Prakriti) in Verbindung gebracht werden, den drei Gunas: Tamas, Rajas und Sattva.
Das Modell, welches ich beschreiben möchte, besteht aus fünf Grundprinzipien:
Prinzip: Was außen ist, ist auch innen. Der Makrokosmos - die Welt, und der Mikrokosmos - der Mensch, sind eins.
Prinzip: Der Kosmos sowie der Mensch bauen sich aus verschiedenen Elementen auf. Laut Sankhya und Ayurveda sind das die folgenden 24 Elemente: Purusha (als höchstes Bewußtsein) - Prakriti (als Urnatur, Energie) - Mahat Tattwa oder Buddhi (als höhere Erkenntnis) - Ahamkara (das Ego oder das Ichbewusstsein) - fünf Janendriyas (Sinnesorgane)- fünf Karmendriyas (Handlungsorgane) - fünf Tanmatras (Geruch, Geschmack, Laut, Tasterlebnis, Farbe/Form) - fünf Tattwas (Äther, Luft, Feuer, Wasser, Erde)
Prinzip: Gleiches wird durch Gleiches verstärkt. (Als Beispiel: Ich verbrenne mir die Hand. Gehe ich mit der verbrannten Hand in die Sonne, verstärkt sich der Brand).
Prinzip: Nahrung ist Medizin und Medizin ist Nahrung.
Prinzip: Alles, was den Körper berührt, berührt auch das Bewußtsein mit Gedanken und Gefühlen und umgekehrt.
Diese fünf Grundprinzipien sollen nun näher erläutert werden:
Zum 1. Prinzip: Was außen ist, ist auch innen. Der Makrokosmos - die Welt, und der Mikrokosmos - der Mensch, sind eins.
Der Kosmos wird als eine Ansammlung von verschiedenen Energieformen betrachtet, beginnend mit so feiner Energie, dass wir sie weder sehen noch mit Instrumenten messen können, bis zu unserem Körper als feste Materie und darüber hinaus zu gröbster Materie wie Steine und Felsen.
Energie und Materie sind auswechselbar, umwandelbar, was auch im Westen seit Einstein und Heisenberg bekannt ist. Alles, was außerhalb von uns ist, wird als der Makrokosmos bezeichnet, was innerhalb von uns ist, als Mikrokosmos. Der Mikrokosmos ist die menschliche Gestalt, - auf grober Ebene der Körper mit Knochen, Organen, Zellen, Muskeln und der Haut als äußerer Abgrenzung -, dann feiner werdend unser Energiekörper, den wir noch gut wahrnehmen können, dann unsere alltäglichen Gefühle und Gedanken.
Darüber hinaus gibt es noch feinere Ebenen, die durch die Yogaübung allmählich freigelegt werden und die letztlich zu unserer wahren Essenz vordringen. In Yoga sind das die verschiedenen Hüllen oder Koshas, sie umhüllen unser tiefstes, eigentliches, wahres Sein. (Annamayakosha - die Nahrungshülle, Pranamayakosha - der Energiekörper, Manomayakosha - die Hülle aus Gedanken und Gefühlen, Vijnanamayakosha - die Hülle der Intuition, der höheren Eingebung, Anandamayakosha - die Hülle der Glückseligkeit).
Eine Störung der Harmonie beginnt nicht am äußeren Ende, im Körper, sondern in der feinsten Energieform, und sie schlängelt sich ganz allmählich, oft über einen sehr langen Zeitraum von Jahren, sogar Jahrzehnten, nach außen bis zur äußeren Körperhülle. Wollen wir eine Störung, die sich nun bereits im Körper als Krankheit zeigt, beheben, müssen wir den Weg zu den feineren Energieebenen zurückverfolgen, wo das Ungleichgewicht begonnen hat. Andernfalls kurieren wir nur die Symptome, nicht aber die Ursache. Dieses Zurückverfolgen ist die eigentliche Yogaübung.
Yoga bedeutet Harmonie. Was wir jedoch in der Yogaübung anstreben, ist zuerst einmal die Trennung, die differenzierte Wahrnehmung der verschiedenen Energieebenen.
Ein Gedanke z.B. ist materieller, also energetischer Natur, gehört in den Bereich von Prakriti und nicht zu Purusha, dem Prinzip des höchsten Bewusstseins. Gedanken, Gefühle und Körper differenziert voneinander wahrzunehmen, ist also ein Trennungsakt, ein Auseinandernehmen der verschiedenen Energieebenen. Wir müssen mehr über uns selbst wissen, über unseren Körper, unsere Angewohnheiten, Neigungen und Abwehrmechanismen, müssen also bewußter werden. Die sich im Körper zeigende Krankheit - vielleicht eine schwere Krankheit - ist womöglich nur eine leichte Unausgewogenheit auf den feineren Energieebenen. Da aber alles miteinander verwoben ist, alle Systeme des Körpers sowie Körper und Bewußtsein, wird sich die nicht gleich erkannte leichte Unausgewogenheit auf alle Ebenen ausbreiten und verstärken.
Zum 2. Prinzip: Der Kosmos sowie der Mensch bauen sich aus verschiedenen Elementen auf.
In Samkhya und Ayurveda wird von 24 Elementen gesprochen, aus denen sich der Mensch und die Welt zusammensetzen. Für mein Modell sind im besonderen die fünf Elemente, Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther von Bedeutung.
Die fünf Elemente bringen sich in all unseren Lebensabläufen zum Ausdruck, im Körperlichen, in unseren Gedanken und Gefühlen, in Verhaltensweisen. Obwohl wir laut Yoga alle aus diesen fünf Elementen zusammengesetzt sind, sind wir doch alle irgendwie unterschiedlich, weil die Gewichtung der Elemente in jedem von uns etwas anders geartet ist. Unser ureigenes Grundmuster bringen wir bei der Geburt mit, und das wird als die individuelle Natur oder Prakriti bezeichnet.
"Zu sich selbst zurückfinden" oder "seiner Natur entsprechend leben" ist das Wieder finden des Grundmusters. Bei dem einen ist das vielleicht eine Dominanz des feurigen Elements, bei anderen Wind/Luft oder Erde oder Wasser oder Äther. Die uns eigene Konstitution müssen wir herausfinden, wenn wir gesund und glücklich leben wollen oder, um eine Störung zu beseitigen. Es erfordert etwas Zeit und Übung, ist aber Voraussetzung, wenn wir aus yogischer Sicht eine Krankheit verstehen und beheben wollen.
Prakriti, die Urnatur, bringt sich sowohl im Makrokosmos wie im Mikrokosmos durch drei unterschiedliche Eigenschaften, den Gunas, zum Ausdruck: Tamas - die Trägheit, Rajas - Bewegung, Aufruhr, Agitation, Sattva - Ausgeglichenheit, Reinheit und Klarheit.
Während die Gunas eher die Eigenschaften des gesamten Entwicklungsverlaufs zum Ausdruck bringen - der kristallenen Klarheit des Sattwischen, über Rajas, dem verzweifelten Versuch, die Einheit herzustellen, bis zu völliger Verdichtung und damit totaler Umhüllung des Selbst des Tamasischen - spielen die Doshas mehr auf der Ebene der dichtesten Hülle eine Rolle. Diese Hülle - Annamayakosha - ist jedoch mit allen anderen wie durch ein (unsichtbares) Netz verbunden.
Eng verbunden mit den oben genannten Gunas wird die menschliche Natur in drei Grundtypen eingeteilt, die in Sanskrit Vata, Pitta und Kapha genannt werden. In Vata bringen sich die Elemente Luft und Raum zum Ausdruck, in Pitta sind es die Elemente Feuer und Wasser und in Kapha die Elemente Wasser und Erde. In jedem von uns sind alle drei Grundtypen vorhanden, meistens ist jedoch einer oder zwei stärker ausgeprägt. Krankheiten treten dann auf, wenn eine Störung in unserem eigenen Grundmuster der drei Doshas auftaucht. Disharmonie entsteht, wenn eine schon vorhandene Dominanz durch die Lebensweise und durch Unwissenheit noch verstärkt wird. Die Elemente Feuer/Wasser steuern als Pitta unseren gesamten Stoffwechsel. Luft und Äther als Vata steuern alle Bewegungsabläufe. Wasser und Erde als Kapha geben Form und Struktur.
Schon im Äußerlichen lassen sich Dominanzen feststellen, am Körperbau, der Haut, den Haaren, den Augen, der Art der Bewegung. Menschen mit einer Vata-Konstitution haben viel vom Luftelement. Luft ist schnell, leicht, sie bewegt sich schnell und ist kühl. Vata-Menschen neigen dazu, kühl und trocken zu sein, trockene Haut, trockene Nägel, trockene Haare, trockene Organe. Sie sind kreativ, spontan und schnelle Denker. Nimmt ihr schon dominantes Vata-Dosha zu, werden sie nervös, machen sich dauernd Sorgen, fühlen sich unsicher, haben Schmerzen aller Art. Die meisten Menschen heutzutage haben einen starken Überschuss im Vata-Dosha.
Kapha-Typen sind genau das Gegenteil, denn die Elemente Wasser und Erde dominieren und ihre Eigenschaften sind schwer, langsam, feucht und kalt. Menschen mit einer Kapha-Konstitution sind in allen Bewegungen und ebenso den inneren Abläufen langsam und ruhig. Steigt Kapha zu stark an (das Wässrige, Schwere nimmt zu), entstehen Krankheiten wie Bronchitis und Asthma, Krankheiten im oberen Brustraum, oder Lethargie und Trägheit.
Pitta-Menschen sind feurige Typen, sie haben viel Hitze in ihrem System - Menschen, die gern mitten im Winter im kalten Wasser schwimmen. Eine Erhöhung von Pitta führt zu Erregung, Zorn, Leberproblemen, Magengeschwüren, allen Arten von Entzündungen, die Ausdruck von Hitze sind.
Vata, Pitta und Kapha haben in jedem von uns bestimmte Funktionen. Sie sind allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt.
Dies ist eine sehr vereinfachte Zeichnung der drei Grund-Konstitutionen, die in Ayurveda eine Rolle spielen. Lernen wir, mit diesem Muster umzugehen, können wir verhindern, dass Krankheiten auftauchen. Wenn sie bereits da sind, können wir mit Feinfühligkeit, Geduld und Ausdauer die verloren gegangene Harmonie wiederherstellen.
Zum 3. Prinzip: Gleiches wird durch Gleiches verstärkt.
Durch dieses Wissen erhalten wir die Möglichkeit, regulierend einzugreifen. Dazu müssen wir aufmerksam werden für Gleiches und Gegensätzliches. Indem wir etwas mit dem Gleichen verstärken oder mit dem Gegensätzlichen abschwächen, können wir gestörte Harmonie wiederherstellen. Um die Doshas im Gleichgewicht zu halten, muss jeder sein Leben so leben, dass es mit seiner Natur im Einklang ist.
Ein Vata-Mensch z.B. sollte sich nicht im Übermaß starkem Wind aussetzen, denn Gleiches wird durch Gleiches verstärkt und die Eigenschaften von Vata sind dem Wind entsprechend, nämlich trocken, kalt, rau, schnell und leicht.
Ein Kapha-Typ mit den Eigenschaften kalt, feucht, schwer und süß, sollte vermeiden, diese Dominanz durch seinen Lebensstil noch zu verstärken, z.B. durch kalte Speisen und Getränke, Milchprodukte, Kuchen und Süßigkeiten. Sie regen dieses Dosha an, vermehren die Schleimbildung, führen zu schneller Gewichtszunahme, Trägheit und Schwere.
Ein heißer Pitta-Typ sollte nicht stundenlang in der Sonne liegen oder regelmäßig scharf gewürzte Nahrung zu sich nehmen.
Wenn wir uns unserer Natur bewusst sind, können wir selber steuern. Sind wir gesund, greifen wir meist nach genau dem Richtigen. Ist jedoch eine Störung da, greifen wir meist genau nach dem Falschen.
Zum 4. Prinzip: Nahrung ist Medizin und Medizin ist Nahrung.
Wir müssen lernen, das, was wir aufnehmen, auch zu verdauen. Verdauung ist hier nicht nur auf Nahrung bezogen. Als Mikrokosmos in Verbindung mit dem Makrokosmos nehmen wir nicht nur Nahrung auf, sondern auch Luft und Wasser, Beziehungen und Gefühle, Intellektuelles und psychische Schwingungen und auch spirituelle Dinge. Wir können viel in uns hineinlassen, können wir es aber auch wirklich aufnehmen und verdauen? Das ist eine Schlüsselfrage. Wie viel geht zwar hinein, aber führt dann zu Verstopfung. Nicht nur Nahrung führt zu Verstopfung, auch Gefühle, auch gedankliche Abläufe.
Ideen bleiben hängen und lassen keinen Raum für neue Ideen. Festkleben an Menschen und Dingen blockiert einen freien Fluss. Verdauung des Lebens ist der Schlüssel. Wenn etwas gut verdaut ist, wurde es vorher vollkommen aufgenommen. Alles Unverdaute ist ein Hindernis und führt zu Krankheit auf körperlicher, mentaler oder psychischer Ebene. Jede Art der Nahrung ist also auch gleichzeitig Medizin, Medizin, die für jeden von uns eine unterschiedliche Wirkung hat.
Zum 5. Prinzip: Alles, was den Körper berührt, berührt auch das Bewußtsein mit Gedanken und Gefühlen und umgekehrt.
Jeder Gedanke, den wir denken, jedes Gefühl, jedes angenehme Erlebnis, jede Enttäuschung, jede Stress-Situation, alles hat im gleichen Maße eine Auswirkung auf den Körper. Und alles, was wir unserem Körper zufügen, hat eine Auswirkung auf unseren Geistesszustand. Da der Körper die dichteste Form der Energieumwandlung ist, die sichtbare Materie, der Anfang einer Störung jedoch auf der feinsten Stufe beginnt, werden die meisten Störungen als psychosomatische Störungen betrachtet. Der Weg, die Störung zu entfernen, geht also weit über das rein Körperliche hinaus.
Das ist das Grundmodell, aus dem heraus wir nun jede x-beliebige Richtung einschlagen können. Jede Krankheit und Störung können wir vor diesem Hintergrund genau betrachten und selbstregulierend eingreifen.
Yogis haben uns eine Vielzahl von Übungen an die Hand gegeben, Vorschläge, Yoga in unser Alltagsleben zu integrieren. Es geht dabei nicht nur um 20, 30 oder 60 Minuten am Morgen, sondern der ganze Lebensrhythmus kann von Yoga durchzogen sein. Dazu gehören:
Asanas
Pranayamas
Luft und Bewegung
die richtige Nahrung mit der richtigen Einstellung zu sich genommen
Reinigungen entsprechend der Konstitution
Ruhe und Erholungspausen
Entspannung
Meditation
Asanas dienen dazu, unsere äußere Hülle wieder durchlässiger zu machen und Staus aufzulösen.Durch Pranayama verbessern wir unsere Atmung und können den Gedankenstrom zur Ruhe bringen. Yoga Nidra verhilft zu einer tiefgreifenden Entspannung auf allen Ebenen.Die Reinigungsübungen sind besonders wichtig, um zu viel Schleim aus dem Körper zu lösen und zu entfernen, und die inneren Räume von allem Ballast frei zu machen. Durch Meditation dringen wir zum feinstofflichen Körper vor, um in Ruhe, Stille und Harmonie zu kommen. Nur in dieser Ruhe können wir auch an Ursachen herankommen, die eine Krankheit ausgelöst haben, z.B. an traumatische Erlebnisse aus der Kindheit.
Die Ernährung sollte möglichst naturnah und frisch sein. Denaturierte Nahrung ist der Natur entfremdet und uns generell nicht zuträglich. Eine große Bedeutung haben Gewürze, die nach yogischer Vorstellung und in der Ayurveda-Küche weniger ein Gaumenreiz sind, als mehr Verdauungshilfen und Medizin.
Auch Düfte, Klänge und Farben haben große Kraft. Sie können Wohlbefinden hervorrufen und Disharmonie ausgleichen, aber auch genauso Dissonanz auslösen.
Um Vata, Pitta und Kapha im Gleichgewicht zu halten, sollten wir über ihre Eigenschaften und Geschmacksrichtungen Bescheid wissen und unsere Konstitution kennen.
Mit dem Wissen über die Doshas können wir die verschiedenen Yogaübungen individuell einsetzen. Die folgenden Beispiele können nur Anregung sein:
Ist Vata zu stark, kann Yoga Nidra beruhigen. Auch die Pawanmuktasanas reduzieren Vata (Pawan = Wind, Mukta = befreien). Warm, schwer, ölig, süß, salzig - das sind die gegensätzlichen Eigenschaften von Vata, die zu einer Reduzierung von Vata führen. Ein warmes Getränk oder Suppe, beruhigende Musik, ein geregelter Tageslauf - das könnte u.a. eine Vata-Übersteigerung ausgleichen.
Überhöhtes Pitta kann durch Laghu Shankhaprakshalana, eine kalte Dusche und entsprechende Ernährung reduziert werden. Scharf gewürzte Speisen und Getränke, hitzige Diskussionen, Sonnenbäder, Sauna – das alles würde das Gegenteil bewirken, also Pitta ansteigen lassen.
Gerät Kapha aus den Fugen, ist Kunjal-Kriya eine große Hilfe, auch Surya Namaskara und anregende Pranayamas wie Bhastrika Pranayama, um aus Trägheit und Lethargie herauszukommen. Hier ist scharf gewürztes Essen genau richtig und ein Gang in die Sauna ebenfalls, weil Kapha durch das Ansteigen von Pitta reduziert wird.
Meditation ist eine der wichtigsten Hilfen, um ein ausgeglichenes und harmonisches Leben zu führen und auch, um eine gesundheitliche Störung zu beheben. Sie sollte jeden Tag abschließen.
Wie Vata, Pitta und Kapha jeweils angeregt oder aber gedämpft werden können, zeigt die folgende Tabelle. Es lässt sich daraus ersehen, wie kleine Dinge eine große Wirkung haben können, immer in positive wie in negative Richtung. Es zeigt uns auch, dass etwas, was für den einen heilende Medizin ist, für den anderen tödliches Gift sein kann.
Agni - das Feuer - ist für unser Wohlbefinden lebensnotwendig. Ein Feuer kann gut brennen, es kann zu schwach sein und schwelen oder durch falsches Brennmaterial und Feuchtigkeit rauchen und qualmen. Je nachdem, wie wir unser Lebensfeuer - Agni - schüren, ist unser Leben durchdrungen von einer klaren Richtung, ist voller Vitalität und frei von Krankheit, oder aber wir leben ein Leben ohne Kraft, ohne Energie, ohne Ausdauer, ohne Ausstrahlung, ohne Feuer.
Wir selbst sind für unser Leben verantwortlich, niemand kann uns das abnehmen. Gesundheit und Freude sind unser Geburtsrecht.
Kapha-vermehrend: süß, sauer, salzig schwer, ölig, kalt
(Aus: YogaHeft Nr. 56)
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https://www.ananda-verlag.de/blogs/yoga-blog/zirbeldruese2021-12-29T15:30:00+01:002022-02-16T17:05:11+01:00Die ZirbeldrüseAnanda Verlag AdminSeit Jahrhunderten ist die Zirbeldrüse für Wissenschaftler ein Rätsel. Das Gehirn, das zentrale Nervensystem und das endokrine Drüsensystem wurden durch Forschungen in Anatomie, Physiologie und Biochemie Stück für Stück entdeckt, aber die Zirbeldrüse gab ihre Geheimnisse nicht preis.
Seit Jahrhunderten ist die Zirbeldrüse für Wissenschaftler ein Rätsel. Das Gehirn, das zentrale Nervensystem und das endokrine Drüsensystem wurden durch Forschungen in Anatomie, Physiologie und Biochemie Stück für Stück entdeckt, aber die Zirbeldrüse gab ihre Geheimnisse nicht preis.
Bis vor kurzem war man davon überzeugt, dass sie im menschlichen Körper ohne Funktion ist – sie galt als ein sinnloses Überbleibsel aus früheren Evolutionsstufen. In den letzten Jahren ist das Interesse an dieser Drüse enorm angestiegen; auf nationalen und internationalen Konferenzen versucht man, den Geheimnissen dieser mysteriösen Drüse auf die Spur zu kommen.
Wo die Zirbeldrüse sich befindet und wie sie beschrieben wird
Im Vergleich zu ihrer Bedeutung ist die physische Größe der erbsengroßen Epiphyse gering. Sie ist ein winziges grauweißes Organ, wiegt etwa 100 Milligramm und hat die Form eines Pinienzapfens. Sie liegt am oberen Ende des Hirnstamms und ist unmittelbar an der Rückseite des dritten Gehirn Ventrikels ins Gehirn eingebettet. Die Zirbeldrüse ist, als Teil des Epitalamus, ein Teil des Zwischenhirns. Sie liegt im Zentrum des Kopfes, im Längsschnitt zwischen den beiden Hälften des Gehirns auf einer Höhe mit dem Augenbrauenzentrum.
Geschichtliches zur Zirbeldrüse
Die Forschungsgeschichte der Epiphyse begann in alter Zeit und reicht bis in die Gegenwart. Im Altertum hat man dieser Drüse große Bedeutung zugemessen. Im 4. Jahrhundert vor Christus nannte sie der griechische Anatom Herophilos aus Alexandria den "Schließmuskel, der die Gedanken kontrolliert". Er wusste also sehr wohl um ihre Funktion als Vermittler zwischen mentalen und physischen Bereichen.
Ein anderer Arzt aus der Antike, der römischer Anatom Galen, der aus Pergamon gebürtige Leibarzt Marc Aurels, nannte die Drüse die "Meisterdrüse", was vermuten lässt, dass er die Kontrolle, die die Epiphyse über das endokrine Drüsensystem einschließlich der Hypophyse hat, kannte. In der modernen Medizin galt jedoch die Hypophyse bis vor kurzem als das entscheidende Kontrollzentrum über die endokrinen Drüsen im Körper.
Die Römer nannten die Epiphyse die "höchste Drüse" und die Hypophyse die "untergeordnete Drüse". Und sie nannten die Epiphyse "Drüse", was für die modernen Wissenschaftler erst 1958 erkennbar wurde, als man das Hormon Melatonin in der Epiphyse fand.
Die Zirbeldrüse als das dritte Auge
1886 haben zwei Mikroanatome, H.W. De Graff und E. Baldwin Spencer unabhängig voneinander entdeckt, dass die Epiphyse ein rudimentäres Auge sei, mit allen wichtigen Zeichen der äußeren Augen; mit pigmentierten Netzhautzellen, die den Innenraum umgeben; dieser ist kugelförmig mit einer Masse gefüllt, ähnlich einer Linse des äußeren Auges.
Man fand heraus, dass die Drüse tatsächlich auch auf Licht reagiert, das entweder durch das Nervensystem oder die äußeren Augen hereinströmt. (*1 + 4) Es ist sicher kein Zufall, dass die yogischen Texte Indiens und die mystischen Traditionen Jahrhunderte hindurch von dem "Auge der Intuition" und dem "Dritten Auge" sprechen und auf die Epiphyse verweisen.
Zwei Hormone, Melatonin und Serotonin, sind inzwischen aus der Epiphyse isoliert worden. Das Schlafhormon Melatonin (aus d. Griech., schwarzblau, dunkel; Hebung der Farbe) ist eine Substanz, die bestimmten Fröschen und Fischen die Fähigkeit verleiht, ihre Farbe den Lichtverhältnissen und emotionalen Zuständen wie Ärger und Angst entsprechend zu verändern.
Später fand man heraus, dass Melatonin beim Einsetzen der Pubertät und der weiteren sexuellen Entwicklung im Menschen eine entscheidende Rolle spielt, und dass Größe und Funktion der Drüse nachlassen, wenn Kinder in die Pubertät kommen. Es scheint, als wenn die Drüse das Einsetzen der sexuellen Entwicklung zurückhält; und mit der nachlassenden Kontrolle dieser Drüse wird die Hypophyse angeregt, Sexualhormone zu produzieren, die das Fortpflanzungssystem im männlichen und weiblichen Körper erwecken, und damit wird das Annehmen der sexuellen Rolle beschleunigt.
Das zweite Hormon, das von Daniel Freeman, einem Psychiater an der Universität von Yale/USA, aus der Epiphyse freigelegt wurde, ist Serotonin. Er fand diese Substanz im Gewebe des Gehirns, besonders in der Epiphyse und in den Verwachsungslinien des Mittelhirnkerns. Die Epiphyse scheint ein Serotonin Reservoir für das Gehirn zu sein. Von hier aus findet auf dem Wege der Axonen durch die Zellen der Verbindungsnaht die Verteilung der Hormone statt. Diese Axone reichen in viele Bereiche des Gehirns und steuern die Zündung anderer Zellen in diesen Bereichen.
Den nächsten Beitrag zum Epiphysen-Puzzle brachten zwei Mitarbeiter des National Institute of Health (USA), Acelrod und Weissbach, die entdeckten, dass Serotonin die Vorstufe von Melatonin ist. Sie fanden heraus, dass Melatonin aus Serotonin in der Zirbeldrüse auf einfachen chemischen Weg produziert wird. (*2)
Die zentrale Rolle aber, die Serotonin spielt, wurde kurz nach der zufälligen Entdeckung von Lysergic Acid Diethylamide (LSD-25) erkannt. Man fand heraus, dass winzige Mengen dieser Substanz LSD 25 das Bewusstsein ernsthaft verändern können, von tief empfundenen religiösen und mystischen Erlebnissen bis zu Paranoia und Schizophrenie.
Die LSD-25 Moleküle sind der Struktur von Serotonin Molekülen sehr ähnlich, so sehr, dass sie in der Lage sind, die Wirkung von Serotonin im Gehirn zu blockieren, indem sie an den Serotoninrezeptoren andocken und den Platz besetzen. An der Universität von Edinburgh/Großbritannien wurde entdeckt, dass die Veränderung des Bewusstseins, die durch LSD-25 eintritt, nicht durch direkte Einwirkung auf die Gehirnsubstanz zustande kommt, sondern dass LSD-25 dem Gehirn Serotonin entzieht, indem es dessen Wirkungsplätze blockiert.
Das bedeutet, dass der Serotonin-Anteil im Gehirn für den rationalen Gedankenablauf verantwortlich ist, und dass eine Veränderung der Serotonin-Konzentration im Gehirn, wie sie durch LSD-25 eintritt, die Wahrnehmung der normalen Realität aus der Bahn wirft.
Das bedeutet wiederum, dass die Epiphyse das physische Medium ist, das die chemische Zusammensetzung bei den verschiedenen Bewusstseinszuständen reguliert. Es scheint so, als wenn unsere sexuelle Identität ganz eng mit dem Bewusstseinszustand in Zusammenhang steht, und dass der Mensch im weltlichen Alltagsbewusstsein gefangen genommen ist. Er ist weit mehr eingesperrt als der Gefangene, der in Ketten gelegt ist oder hinter Gefängnismauern sitzt.
Ein solcher Häftling ist nur mit seinem Körper gefangen, und diesen Zustand nimmt er sehr wohl wahr. Aber das menschliche Wesen ist sehr viel wirksamer gefesselt und gebunden. Sein ganzes Bewusstsein liegt in Gefangenschaft. Die Gefangenschaft ist so effektiv, dass der Mensch nicht einmal die Möglichkeit einer höheren Wahrnehmung und Erfahrung sehen kann. Die Ketten, die verhindern, dass er die Realität erkennen kann, dass er göttlich und unendlich ist, scheinen identisch zu sein mit dem Serotonin Spiegel in seinem eigenen Gehirn!
Werdet wie die Kinder!
Vor der Rückbildung der Epiphyse und der dann einsetzenden Pubertät haben Kinder einen spielerischen Zugang zu den unterschiedlichsten Bewusstseinsebenen. Ja, viele Kinder können mühelos "zaubern", sie besitzen "Siddhis", psychische Kräfte, die mit der Erweckung des Ajna Chakras im Zusammenhang stehen. Kinder sind oft hoch intuitiv, können in die Zukunft und in die Vergangenheit sehen, oder sie wissen, was ihre Eltern denken. Sie haben außergewöhnliche Fähigkeiten, die Wirklichkeit hinter den äußeren Erscheinungen zu sehen, so stark, dass es sehr schwierig ist, ein Kind zu täuschen oder zu belügen.
Als der Israeli Uri Geller durch seine psychokinetischen Fähigkeiten in der ganzen Welt berühmt wurde, Gabeln verbog und die Uhren seiner Fernsehzuschauer durch "Gedankenkraft" zum Stehen brachte, wurden viele Eltern unruhig, weil ihre Kinder ihnen Zuhause dasselbe vormachten. Kinder spielen in einer vielschichtigen Welt, sie haben imaginäre Freunde und sind an wundersamen Orten, meistens sind diese Plätze für ihre Eltern nicht zugänglich. Das ist so, weil ihre gut funktionierende Zirbeldrüse Serotonin in Melatonin umwandelt.
Der Effekt ist zweifach: erstens gibt ihnen der sinkende Serotonin-Spiegel Zugang zu anderen, spirituellen, Bewusstseinsstufen; zweitens hält die hohe Konzentration von Melatonin den mächtigen Einfluss der Hypophyse in Schach, und dadurch wird der Beginn der Pubertät hinausgezögert. Dann, ungefähr im Alter von sieben oder acht Jahren, beginnt die Funktion der Epiphyse nachzulassen, Hormone der Hypophyse werden mehr und mehr freigesetzt und bringen das Fortpflanzungssystem zur Reife.
Gleichzeitig mit dem Erwachen des Fortpflanzungssystems ist das Kind großen gefühlsmäßigen und mentalen Stürmen ausgesetzt, da die Psyche sich der neuen Sexualrolle anpassen muss. Mit der verminderten Produktion von Melatonin geht ein fortschreitender Aufbau von Serotonin Konzentration im Gehirn einher, und die Türen in die ausgedehnte Welt der intuitiven Wahrnehmung, der Imagination und des Spiels schließen sich. Tragischerweise bleiben diese Türen oft bis zum Ende des Lebens verschlossen, und das Kind im Menschen ist nur selten und flüchtig, und oft überhaupt nicht wieder zu erblicken.
Wir brauchen aber nicht Gefangene der eigenen Biochemie des Gehirns zu sein. Wir können unsere Bewusstseinsebene erweitern, indem wir die Epiphyse durch Meditation aktivieren, das Dritte Auge öffnen, das Ajna Chakra erwecken; es ist alles derselbe Vorgang. Auf diese Weise stellen wir wieder den Kontakt her mit dem Kind in uns, während wir gleichzeitig die Pflichten und Verantwortungen des Erwachsenenlebens erfüllen. Dann wird die Arbeit und das Leben ein Spiel, viel mehr, als es das ernste und niederdrückende Geschäft für die meisten Menschen heute ist.
Aktivierung der Zirbeldrüse durch Kundalini Yoga
Kundalini Yoga ist die Wissenschaft, die zur Wiedererweckung des Ajna Chakras führt, die Epiphyse aktiviert und Kontrolle über die mächtigen, launischen und eigenwilligen endokrinen Drüsen im Körper verleiht. Sie führt zu einer grundlegenden Transformation der hormonalen Sekrete der endokrinen Drüsen und einer Senkung des Serotoninspiegels im Gehirngewebe. Den Weg, den wir einst aus der Kindheit herausgegangen sind, können wir zurückverfolgen.
Wenn Jesus Christus zu seinen Jüngern sagte: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht eingehen ins himmlische Reich", meinte er das nicht symbolisch, sondern bezog sich genau auf diesen Prozess. Durch Aktivierung der endokrinen Drüsen können wir die Bewusstseinsstufe des Kindes wiedergewinnen, indem eine Veränderung in der Biochemie des Gehirns erreicht wird.
Das ist die Bedeutung vom Erwecken der Kundalini Energie - das Aufsteigen der Urenergie zurück durch alle Chakras, die Drüsenfunktion verändernd, bis Sahasrara erweckt wird. Das ist das Ziel von Yoga. Es ist die Erfahrung des kosmischen Bewusstseins, die Vereinigung mit dem Göttlichen. Mit Beginn der Pubertät und der Annahme der sexuellen Identität ist der Punkt der Aufmerksamkeit, der Sitz des Bewusstseins, nicht mehr die Epiphyse.
Diese Drüse wird nun ausgeschaltet, und das Fortpflanzungssystem wird zum wichtigsten Objekt der Wahrnehmung. Von jetzt an verschließen sich die Tore zum höheren Bewusstsein, die dem Kind bisher zugänglich waren, aber nun muss sie oder er mit den erwachenden starken Gefühlen und Trieben im Körper fertig werden. Das Bewusstsein steigt von Ajna zu Muladhara herab.
Mithilfe der Wissenschaft von Kundalini Yoga wird die Energie schrittweise zur Quelle zurückgelenkt. Solange das Bewusstsein sich in Muladhara aufhält, ist die Möglichkeit der höheren Wahrnehmung vergessen und die für die Erwachsenenwelt charakteristische Wahrnehmungsebene hat die Oberhand. Auf dieser Ebene ist der Höhepunkt im Orgasmus der einzige Zugang zur Glückseligkeit. Allerdings ist es ein kurzlebiger Augenblick, und er ist mit Identitätsverlust verbunden.
Trotzdem ist es das stärkste Erlebnis für einen Menschen, der im weltlichen Bewusstsein eingefangen ist, und deshalb ist es so begehrt und hat einen so hohen Stellenwert. Es ist tatsächlich dasjenige Erlebnis, welches Mann und Frau einen kleinen Blick erhaschen lässt von dem, was die unendliche, kosmische Glückseligkeit genannt wird. Sie ist dann erlangt, wenn die gleiche Kundalini Shakti Sahasrara berührt. Das ist der Höhepunkt des yogischen Sadhanas.
In Tantra wird dieses Erlebnis sogar mit sexuellen Begriffen beschrieben, sodass wir eine Ahnung von der Intensität bekommen. Dort wird es als die ewige Vereinigung von Shiva und Shakti, Bewusstsein und Energie beschrieben. Das ist das Ziel, nach dem ein Yogi strebt.
Mit der Reorganisierung des endokrinen Drüsensystems und des Nervensystems verliert sich die männliche und die weibliche Geschlechtsrolle immer mehr und der Yogi erkennt beide Elemente in seinem Körper und seiner Psyche. Das ist die symbolische Bedeutung, die hinter der tantrischen Kunst steht, wenn Shiva oder Krishna in kindlicher Art, halb männlich, halb weiblich, dargestellt werden.
Zusammenfassung
Dies sind Hinweise auf die augenblickliche Forschung die Zirbeldrüse betreffend. Es sieht so aus, als ob Wissenschaftler und Yogis sich zumindest auf einer der Seiten des Fensters Ajna Chakra/Zirbeldrüsen-Komplex begegnen und sich gegenseitig verstehen. Es wäre angemessen, wenn diese Drüse, die René Descartes im 16. Jahrhundert den "Sitz der rationalen Seele" bezeichnet hat, auch jetzt wieder der Treffpunkt von Ratio und Mystik sein würde.
Es war Descartes, der im Westen die gedankliche Trennung zwischen Körper und Bewusstsein geschaffen hat, mit der Wissenschaft und Philosophie in den vergangenen 400 Jahren beladen war. Das Ajna Chakra ist die Pforte zu höherem Bewusstsein, und die Wissenschaftler versuchen heute, dieses Tor aufzustoßen.
1* J.Bleibtreu, "Die Parabel vom Tier", Paladin, 1976
2* R.J.Wartmann & J.Axelrod, "Die Epiphyse"
3* B.L.Jacobs "Serotonin: die ausschlaggebende Substanz, die Träume ein- und ausschaltet", in "Psychologie heute", März 1976
4* beim Reptil, bei Saisonbrütern, bedingt bei Säugetieren, da beim Affen modifiziert
Wenn die beiden Drüsen richtig funktionieren, dann ist die Epiphyse der Guru, und die Hypophyse ist der Jünger. Wenn diese Verbindung umgedreht wird, dann ist man allen Arten von Gefühlen, von mentalen, psychischen und physischen Problemen ausgesetzt.
Um die Verkümmerung der Epiphyse zu verhindern, werden Kinder in Indien mit etwa acht Jahren in das Gayatri Mantra eingeweiht und üben von diesem Alter an regelmäßig Nadi Shodhana, die Wechselatmung und Surya Namaskara, den Gruß an die Sonne.
(Aus: Yogaheft Nr. 5) - Dr. Swami Karmananda Saraswati, Yoga Magazine Vol. XVII No. 3, März 1979
Die Zirbeldrüse gesund erhalten
Die Zirbeldrüse wirkt wie eine Bremse auf die Hypophyse. Solange die Zirbeldrüse gesund und aktiv ist, sind alle Funktionen der Hypophyse unter Kontrolle. Bei den meisten von uns begann jedoch die Zirbeldrüse im Alter von acht, neun oder zehn Jahren zu degenerieren.
Um die Zirbeldrüse gesund zu erhalten, ist auf eine gesunde Ernährung zu achten. Im Laufe der Jahre verkalkt die Zirbeldrüse, was zu einer Einschränkung ihrer Funktion führt. Kaffee, Alkohol und Nikotin sollten möglichst vermieden werden.
Besonders zu meiden ist Fluor und Fluoride. Achte darauf, dass du eine Zahncreme ohne Fluorid benutzt. Es gibt fluoridfreie Zahncreme zu kaufen, oder du kannst auch Zahncreme selber herstellen und so sicherstellen, dass auch keine anderen Giftstoffe enthalten sind.
Eine regelmäßige Entgiftung des Körpers ist sehr förderlich zur Gesunderhaltung und Aktivierung der Zirbeldrüse.
Zeiten vor Bildschirmen sollten eingeschränkt werden, insbesondere vor dem Schlafengehen. Die Produktion von Melatonin wird von dem blauen Licht der Monitore stark beeinträchtigt und führt auf Dauer zu einer Schädigung der Zirbeldrüse und deren Funktionen. Förderlich vor dem Schlafengehen ist die Meditation.
Yogische Techniken wie Trataka und Shambhavi Mudra ermöglichen uns, die Zirbeldrüse zu regenerieren, beziehungsweise gesund zu erhalten. Auch Mantra Yoga und Kirtan aktiviert die Zirbeldrüse durch die Schwingungen.