Yoga hat sich auf der ganzen Welt ausgebreitet. Wir haben nahezu überall Ashrams, auf jedem Kontinent, in jedem Land: in Südamerika mit dem Hauptsitz in Kolumbien, in den USA mit Hauptsitz in San Francisco, in England mit Hauptsitz in London. Überall in Europa dehnen sich unsere Ashrams aus, in Frankreich, Holland, Belgien, Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Spanien, Italien, Griechenland, Deutschland, Schweiz. Es gibt eine Yoga-Bewegung in der Tschechoslowakei, in Polen, in Rumänien, in Bulgarien und in Ungarn und etwas mehr im Untergrund auch in Russland. In Jugoslawien nimmt die Yoga-Bewegung rapide zu.
Der Enthusiasmus, das Interesse und der Wissensdrang sind groß, ob es nun von ganz gewöhnlichen Arbeitern ausgeht, oder von Wissenschaftlern oder von den Verantwortlichen in Krankenhäusern und therapeutischen Einrichtungen. In Asien haben wir Satyananda Ashrams in Indien, Nepal, Singapur, Japan, Hong Kong und Australien. Sechsundzwanzig Ashrams sind allein in Australien und Neuseeland, mit Hauptsitz in Mangrove Mountain. Die Ashrams in Indien und Nepal haben ihren Hauptsitz in Munger.
Arbeit, härter als normal
So ist ein Netz von Ashrams über den ganzen Globus gesponnen. Außerdem haben wir viele Yogaschulen, in denen unsere Schüler und Anhänger privaten Yogaunterricht erteilen, aber Ashrams sind etwas anderes als Yogaschulen. Ich benutze das Wort Ashram, um einer ganz besonderen Idee Ausdruck zu verleihen: Wir arbeiten hier gleichermaßen physisch, mental, intellektuell und emotional; nur selten kann man all das gleichzeitig an irgendeinem anderen Ort leben.
Im Ashram herrscht ein Lebensstil, der sich vom normalen Leben zu Hause gänzlich unterscheidet. Das Leben dort muss anders sein und dem Aspiranten Möglichkeiten geben, einfacher zu leben und härter, nicht weniger zu arbeiten, härter, als er jemals vorher gearbeitet hat.
Ashram ist ein Sanskritwort und bedeutet Anstrengung, Arbeit. Harte körperliche Arbeit in der Küche, im Garten, auf dem Bau, beim Putzen, in der Ashram-Leitung. Die praktische Arbeit im Ashram ist nach außen gerichtete, harte Arbeit. Das ist ein Teil des Ashram-Lebens.
Gleichzeitig wird nach innen hin hart gearbeitet, das ist die spirituelle Arbeit. Du versuchst, einen Weg zu finden, und du hast dir selbst eine große Aufgabe gestellt. Es ist kein flacher, gerader, ebener Weg. Du gehst über Berge und Felder, durch Täler und viele undurchdringliche Gebiete. Du musst dich den verschiedensten Aspekten deiner Persönlichkeit stellen, und das erfordert ebenso harte Arbeit. Sich zu konzentrieren, ist eine ungeheuer harte Arbeit. Und das ist ebenso Ashram-Leben.
Meditation ist innere Arbeit, dazu gehört auch Kriya Yoga. Deswegen bevorzuge ich das Wort Ashram und nicht Yoga-Akademie, Yoga-Schule oder irgendetwas anderes, weil ich damit klarstellen möchte, dass man hierherkommt, um hart zu arbeiten. Je härter man arbeitet, umso höher ist der Grad der Entspannung. Wenn du zur Faulheit neigst, dann ist der Entspannungsgrad nicht sehr hoch. Wenn du körperlich, mental und spirituell hart arbeitest, auf der äußeren wie auf der inneren Ebene ein harter Arbeiter bist, dann wird die Qualität der Entspannung sehr hoch sein. Das solltest du nicht vergessen. Daher haben wir ein Ashram-Netzwerk auf der ganzen Welt geschaffen.
Dem Leben einen neuen Aufschwung geben
Jeder sollte einige Zeit im Jahr in einem Ashram verbringen, um körperliche, mentale und intellektuelle Energien zum Ausdruck bringen zu können, Dinge zu erschaffen - Gemüse und Früchte zu ziehen, Häuser, Straßen und Räume zu bauen. Du musst etwas erschaffen, so dass du neue Gedanken bekommst, Entdeckungen machst.
Im Moment glauben noch viele von euch, dass das Leben in der Familie zwangsläufig mit Verhaftungen gekoppelt ist und die sich daraus ergebenden Konsequenzen wie Hass und Liebe, Bindung und Loslassen ein Teil vom Familienleben sind. Du bist dem Auf und Ab der Gefühle in Verbindung mit den Interaktionen deiner Familienangehörigen und Freunde unterworfen, es fällt dir schwer, die Qualität deiner Erfahrungen zu verändern. Du möchtest sie verändern, aber es fällt sehr schwer.
Wenn sich in der Familie oder in der Gesellschaft irgendetwas gegen dich richtet, dann bist du schockiert und unglücklich und weißt nicht, wie du damit umgehen kannst. Das Leben im Ashram, die harte Arbeit für den Ashram, das Erschaffen von etwas, das gibt dir eine neue Einstellung für das Zusammenleben mit deinen Angehörigen und Freunden, hier und dort. Das Ashram-Leben lässt dich etwas Neues entdecken, und du wirst mit neuen Ideen die Probleme im Alltagsleben lösen.
Der Unterschied zwischen Ashram und Yogaschule
Das, was dich früher vollkommen durcheinander gebracht hat, wird dich nun nicht mehr stören. Auch wenn du alle möglichen Yoga-Arten von den Swamis gelernt hast, rate ich jedem, von Zeit zu Zeit im Ashram zu leben. Mag sein, du sagst mir: Ich habe Hatha Yoga, Meditation, Yoga Nidra und andere Yogaformen gelernt, und ich kann das allein zu Hause machen. Im Ashram lerne ich nur über mein inneres Selbst, über höhere Wahrnehmung und nichts weiter, und das weiß ich alles schon.
Nein, das ist nicht der einzige Sinn des Ashrams; das ist das Ziel von Yogaschulen. In einer Yogaschule kannst du Hatha Yoga, Raja Yoga, Laya Yoga, diesen und jenen Yoga theoretisch und praktisch lernen. Eine Yogaschule kann dir nicht mehr als akademisches Training geben, aber ein Ashram wird dir ein Training geben, das die tieferen Ebenen deiner Persönlichkeit beeinflusst.
Eindrücke sammeln
Die tieferen Persönlichkeitsebenen führen zum Unbewussten, von dem du nichts weißt. Wenn du eine schöne Blume betrachtest, dann weißt, erfährst und verstehst du das; du bist dir des Einflusses bewusst, den dieser Eindruck in dir hinterlässt. So viele Dinge im Leben beeinflussen dich, von denen du normalerweise nichts weißt.
Diese Eindrücke berühren nicht unbedingt dein Wachbewusstsein. Oft gehen sie direkt ins Unbewusste oder ins Unterbewusste. Aber auch jeder Eindruck, der durch das Wachbewusstsein aufgenommen wird, geht weiter ins Unterbewusste und schließlich ins Unbewusste, und jeder dieser Eindrücke hat eine Form.
Schau auf eine Blume, auf die Wolken, Bäume, Regen, Licht, unschöne, abstoßende oder schöne Dinge, und du wirst spüren, dass sie Vibrationen erzeugen. Sie stehen in Verbindung zu deinen Gedanken, deinem Verstehen und kreieren einen Eindruck. Das sind die sogenannten Samskaras, die Samen.
Diese Eindrücke fließen mit dir durch dein ganzes Leben und du nimmst sie gleichzeitig in verschiedenen Bewusstseinsbereichen auf, nicht nur in einem einzigen. Deshalb betrachten wir das menschliche Bewusstsein als so kompliziert. Im Bewusstsein liegt eine Videokamera, die vom Tage deiner Zeugung an ununterbrochen eingeschaltet ist, und das wird so bleiben, bis du im Grab liegst. Alles, aber auch alles wird dort aufgezeichnet.
Die Summe deiner Erfahrungen
Nicht ein einziger Einfluss, nicht eine einzige Einprägung geht verloren. Auf verschiedenen Ebenen wird alles festgehalten. Einige von diesen durch bestimmte Ereignisse eingeprägten Eindrücken kannst du durch Selbstanalyse, durch Psychoanalyse, durch intellektuelle Analyse und religiöse Analyse heraufholen. Aber es gibt auch solche, die durch keine Analyse und auch nicht durch Verstehen oder Unterscheidungskraft heraufgeholt werden können.
Du magst sie begreifen, aber du kannst sie nicht an die Oberfläche bringen, weil sie im Unbewussten liegen, in dem Vorratslager für Karma. In diesem Vorratsraum befinden sich Billionen dieser Samskaras, die dort mit absoluter Genauigkeit aufbewahrt werden. Er ist vergleichbar mit einem Computer, wo alles auf einer CD gespeichert wird.
So eine CD hast du in dir; sie hat keine Form, und das ist das Schöne daran. Sie hat keine Form, kein Gewicht, keine Dimension. Sie ist da und zeigt sich im Traum. Sie zeigt sich in Momenten des Ungleichgewichts, bei Gefühlsausbrüchen und während der Meditation. Sie zeigt sich, wenn du ärgerlich und zornig bist, voller Gewalt, leidenschaftlich oder auch ruhig.
Diese Millionen, Billionen, Trillionen von Samskaras sind zwar formlos, trotzdem ist jeder Same vom anderen verschieden und jeder hat eine Verbindung zu irgendeinem Ereignis in deinem Leben. Stell dir nur vor, wie viel tausend und abertausend Ereignisse in deinem täglichen Leben durch dein Bewusstsein gleiten.
Alles, was wir vom ersten Lebenstag an bis heute (dreißig, vierzig, fünfzig Jahre) erlebt und aufgenommen haben, ist dort gespeichert, nichts wird zerstört. Manchmal kommt etwas in Form von Erinnerung zum Vorschein. Wo kommt es her? Es liegt in dir, und du hast die Fähigkeit, es hochzubringen.
Alle diese Samskaras, diese Eindrücke, die du Tag und Nacht bewusst und unbewusst aufnimmst, sind Teile deiner Persönlichkeit. Es ist das, was du bist. Du bist nicht nur Körper, nein! Du bestehst nicht nur aus Gewohnheiten, sondern da ist noch viel mehr. Die Persönlichkeit, die Komposition all dieser Eindrücke, die ein Individuum vom Moment der Zeugung bis zum Tod, vielleicht noch davor und danach, hat - wie willst du diese Gesamtsumme der Erfahrungen bewältigen?
Viele Jahre habe ich darüber nachgedacht und kam zu der Überzeugung, dass Ashram-Leben dir dabei helfen kann, mit diesen bekannten und unbekannten Erfahrungsbereichen umzugehen. Und so empfehle ich dir, eine Woche, drei Monate, sechs Monate, ein Jahr, drei Jahre oder auch ein ganzes Leben im Ashram zu verbringen, die Länge der Zeit hängt von deinen Lebensumständen ab.
Wenn du im Ashram bleiben möchtest, kannst du deine Haare scheren und Gherutücher tragen und dein Leben neu beginnen. Ganz sicher wirst du entdecken, dass sich das Zusammenleben mit den Menschen um dich herum verändert.
Wir sind alle eins
Ich möchte mit einer schönen Geschichte schließen. Als die Frau eines Farmers starb, bat er einen Priester, Sutras und Mantras für ihr Wohlergehen im Jenseits zu rezitieren. Der Priester kam und begann zu beten. Der Farmer fragte ihn, ob er auch ausschließlich für seine Frau bete, worauf der Priester antwortete: "Ich bete für sie genauso wie für alle Lebewesen." "Aber ich bat dich, ausschließlich für sie zu beten. Warum betest du für alle?"
Der Priester erklärte ihm folgendes: "Es ist mein Dharma, meine Pflicht, für alle Wesen zu beten, lebende und nicht lebende, und deine Frau ist eine von diesen." Der Farmer bat nun den Priester, eine Ausnahme zu machen. Er sagte: "Ich möchte nicht, dass du für meinen Nachbarn betest, er ist ein Gauner. Wenn du für alle betest, betest du auch für ihn, und das will ich nicht."
So leben wir unser Leben, aber das sollten wir ändern, denn das ganze Universum gehört zusammen, ist durch einen Faden verbunden. Dieser Faden ist in dir und in jedem anderen. Um das wirklich zu erfahren, sollte man einige Zeit im Ashram leben. Wenn du von dieser Ganzheit, dieser Einheit ein wenig erfahren hast und nachhause zurückkehrst, wird deine Lebenseinstellung eine andere sein und wird dich selbst in den schwierigsten Lebenssituationen leiten.
(Aus: YOGA 16) - Rocklyn Ashram, Australien. 30. Januar 1984 (Auszug aus Teachings of Swami Satyananda Saraswati Vol.V)
Ashram Leben
Ashrams hat es seit tausenden von Jahren überall auf der Welt gegeben. Es gab sie im alten Indien, in China und in Griechenland. Die Gemeinschaften der Essener existierten in Israel schon vor Christi Geburt; sie basierten auf der alten Ashram-Tradition.
Ein Ashram ist ein Ort, an dem Menschen jeder Lebensstufe hinkommen können und einige Zeit dort leben, ohne sich an weltliche Dinge zu klammern. Es gibt keinerlei Einschränkungen, weder wegen Religion, Hautfarbe, Geschlecht noch Status. Früher lebten Könige und Bauern zusammen in einem Ashram, und so ein Leben fördert die Kooperation, die Koordination und Harmonie.
Das Essen ist anders, als wir es in unserem Alltagsleben gewohnt sind; es ist einfach und hilft uns, den physischen Körper zu reinigen. Heutzutage wird ein Ashram oft als eine Art Klinik, ein Therapiezentrum oder ein Bildungsinstitut missverstanden, aber es ist nichts von alledem. Das Wort Ashram entspringt der Sanskritwurzel shram; es bedeutet, harte Arbeit. Ein Ashram ist demnach ein Platz, an dem wir hart arbeiten sollten. Deswegen nannte Buddha seine Jünger Shramaneras - Arbeiter. Ein Ashram ist ein Arbeitsplatz, an dem wir ohne jegliches Motiv körperlich hart arbeiten; dadurch können negative und unkontrollierte Energien in positive umgelenkt werden. Der Sinn eines Ashrams liegt in der Beschleunigung der spirituellen Evolution.
Ein Ashram sollte sich selbst versorgen, z.B. durch Gemüseanbau oder durch Kunsthandwerk, je nach den Fähigkeiten der Menschen, die dort zusammenleben und nach den örtlichen Bedingungen. In tibetischen Gompas (Ashrams) stellten die Mönche handgemachtes Papier her und kopierten darauf alte Schriften. Sie stellten auch Tankas her - große symbolische Bilder -, die sie dann gegen Kartoffeln und Butter eintauschten. So konnten sich die Ashrams selbst erhalten. Vor Jahren wanderte ich zum Mount Kailash in Tibet, was damals noch nicht zu China gehörte. Eine Nacht verbrachte ich in einem Gompa.
Das Leben dort ist unvorstellbar. Der Platz ist so isoliert, dass kaum eine Nachricht aus der Welt jemals dort ankommt; das Klima ist so rau, dass nichts wachsen kann; die nächste Einkaufsmöglichkeit ist vielleicht fünf Tage entfernt. Aber welch wunderbare Bibliothek hatten sie in dem kleinen Ashram! Tausende von Manuskripten befanden sich darinnen, jedes einzelne in hölzerner Verpackung und in Seidentücher gewickelt. Die Bibliothek erstrahlte im Kerzenlicht, und die Lamas putzten täglich die ganze Bibliothek von oben bis unten; die übrige Zeit verbrachten sie mit Lesen und Studieren der Schriften. So sah das Ashramleben dort aus, aber es muss nicht überall so sein.
Meiner Meinung nach sollten die Ashram-Bewohner Landwirtschaft betreiben. Das hilft sowohl dem Individuum wie auch der Gesellschaft. Die Gesellschaft gewinnt, weil sie organisch gewachsenes Gemüse bekommt; das Individuum gewinnt, weil man in der frischen Luft lebt und mit der Natur arbeitet. Wenn man die Berührung mit Erde, Wasser, Luft und Sonne hat, fällt es einem leicht, die biologische Ursache von gedanklichen Unreinheiten zu eliminieren.
Ein Ashram sollte schwer zu erreichen sein und viele Schwierigkeiten sollten dort warten, z.B. Stürme, Überflutungen, extreme Hitze und extreme Kälte. Manchmal sollte das Leben dort angenehm sein, und manchmal schwer zu ertragen. Ein Ashram ist ein Ort, wo Körper und Geist bis aufs äußerste getestet werden. Das jedenfalls ist meine Vorstellung eines Ashrams.
Das Leben im Ashram wird dir in gewisser Weise ein Gefühl für körperliche Sicherheit geben, aber andererseits bringt es auch alle Elemente der Unsicherheit mit sich, die wir in uns tragen. Du solltest also keine Sicherheit erwarten; Unsicherheit ist die Realität des Lebens; man sollte lernen, damit umzugehen. Kein sensibler Mensch wird in einen Ashram kommen und Komfort erwarten, weil er dort einfach nicht existiert. Komme mit unbelastetem und freiem Kopf und Herz und begegne dir selbst.
Dann wirst du dich eines Tages selbst finden. Ein Ashram sollte nicht zu groß sein, er braucht keine tausend Hektar Land und keine Millionen auf der Bank, er braucht keine Regierungsangehörigen und Titelträger im Direktorium. Es sollten zehn, zwanzig oder dreißig Räume da sein, eine einfache Küche, um die körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen, ein Platz, wo du deine Kleidung aufbewahren kannst und einer, wo du nachts schläfst. Das ist alles, was notwendig ist.
Ein Ashram ist ein Symbol, ein Ausdruck für das, was in deinem Herzen und in deinen Gedanken geschieht. Das Ashram-Leben sollte dich in jedem Moment deines Hier seins an die Erleuchtung erinnern. Während du die Kühe hütest, schreinerst, das Gemüse schneidest und kochst, die Buchhaltung machst, nach den Kranken schaust oder die Fußböden reinigst, solltest du die Schönheit und Glorie des Lebens sehen. In einem Ashram sollte es vom Morgengrauen bis zum Abend wie in einem Bienenstock zugehen.
"Papa, ich habe einen Zitronenfalter in unserem Garten gesehen!" "Nein, mein Sohn, ich glaube, es war ein Orangenfalter." (Prof. Dr. F.J. Schmitt)
Aus: YOGA 21 Auszüge aus Vorträgen, die Paramahamsa Satyananda im Jahre 1982 gehalten hat
Karma Yoga im Ashram-Leben
Für die meisten Leute ist das Konzept von Karma Yoga etwas völlig Neues. Sogar in Ashrams, wo die täglichen Aktivitäten auf Karma Yoga basieren, bemerken die meisten der Insassen den Sinn nicht und unterschätzen daher dessen Einfluss in ihrem spirituellen Leben. Wenn jedoch jemand in der Lage ist, eine leidenschaftslose Einstellung zu der anliegenden Arbeit zu entwickeln, kann eine normale Tätigkeit in ein Werk von Sadhana verwandelt werden. Swami Satyananda sprach während seines Besuchs im September 1980 in Barcelona, Spanien, über dieses Thema.
Wenn Sie erst einmal die Wichtigkeit von Karma Yoga erkannt haben, dann verbessert sich die Qualität Ihrer Arbeit, und jedes Karma wird Karma Yoga. Es ist die besondere Einstellung des Anwärters die ein normales Karma zu Karma Yoga werden lässt. Ob Sie Karma Yoga durch den Körper, den Geist, die Sprache oder die Sinne praktizieren, das Ziel sollte klar sein. Was immer Sie tun muss mit einer leidenschaftslosen Einstellung und zum Zwecke der Selbstreinigung geschehen. Die Reinigung des Chittas (dem Geist) ist das Ziel.
Die Einstellung sollte eine des Nicht-Einbezogenseins oder der Objektivität sein. Da dies ein schwierig zu erklärendes Konzept ist, möchte ich es mit einem Beispiel verdeutlichen. Sie und ich, wir beide haben eine Firma. Wir können gedeihen oder versagen. Wo Sie sich nur um die geschäftlichen Dinge kümmern und um die Ergebnisse nicht besorgt sind, da habe ich Erwartungen. Wenn Sie erfolgreich sind und hohen Gewinn erwirtschaften, dann bringen Sie das Geld auf die Bank. Wenn Sie Pech haben, schließen Sie einfach die Firma. Für mich jedoch ist der Erfolg lebensnotwendig. Wenn ich ein Menge Geld mache, bin ich sehr, sehr glücklich. Und wenn meine Geschäfte schiefgehen werden hoher Blutdruck und Herzanfälle folgen.
Jeder Mensch hat eine Einstellung zum Karma, zu den Dingen, die er tut. Es gibt zwei Einstellungen: Eine basiert auf Bindung, die andere auf Unabhängigkeit. Verstehen Sie den Unterschied zwischen diesen beiden? Nehmen wir an, ich habe einen Babysitter, der jeden Tag zu mir nach Hause kommt und auf mein Kind aufpasst. Mein Kind wird krank und ich zahle den Babysitter noch extra, damit sie in der Nacht bei ihm bleibt und darauf achtet, dass er seine Medizin nimmt. Sie bleibt die ganze Nacht auf; weil es zu ihrer Pflicht gehört, sie schläft während der Nacht nicht. Auch ich kann diese Nacht nicht schlafen, weil ich so um mein Kind besorgt bin. Keiner von uns beiden kann schlafen, aber können Sie den Unterschied sehen? Sie schläft nicht, weil sie durch ihren Dienst dazu verpflichtet ist und ich schlafe nicht, weil ich durch meine Beziehung gebunden bin.
Eines Tages kommt der Babysitter zu mir und sagt: "Ich muss nach Hause, weil mein Kind sehr krank ist." Ich bitte sie zu bleiben, aber sie lässt sich nicht überreden und fährt mit dem nächsten Zug. Während der ganzen Nacht ist sie mit dem Zug unterwegs, aber sie kann nicht schlafen. Warum? Weil jetzt ihr Kind betroffen ist. So zeigt sich deutlich, dass die Einstellung des Einzelnen zum Karma abhängig ist von seinem Verhältnis zum Ziel dieser Tätigkeit.
Die zentrale Lehre der Bhagavad Gita besteht aus folgender wichtigen Strophe: 'Dein Recht ist es zu Arbeiten, aber nie auf die Früchte zu achten.' Wir sehen jedoch, dass jeder gewisse Erwartungen an die Pflichten, die er verrichtet, hat.
In vielen Ashrams, Klöster und anderen Institutionen habe ich gefunden, dass die Insassen den Wert von Karma Yoga nicht richtig einschätzen. Sie glauben, dass sie nur arbeiten, um die Institution am Funktionieren zu erhalten, und dies ist kein sehr klares Bild von Karma Yoga. Die Institution mag davon profitieren, aber dies ist sicher nicht das Ziel. Der wahre Sinn von Karma Yoga ist es, die Mittel für eine Selbstreinigung zur Verfügung zu stellen.
Wenn Sie nicht arbeiten, ist der Geist frei und wandert von einem nutzlosen Gedanken zum anderen. Er benimmt sich wie ein Affe im Käfig, hüpft auf und nieder, hierhin und dorthin, aber tut nichts Nützliches oder Greifbares. Diese Verschwendung von Energie erzeugt unnütze Eindrücke im Geist und entwickelt den Hang zum Fantasieren. Dadurch werden viele Samskaras angesammelt und wenn Sie versuchen zu meditieren, oder wenn Kundalini von ihrem Schlummer erwacht, explodieren alle diese Eindrücke und beschmutzen den mentalen Hintergrund. Deswegen ist es der Zweck von Karma Yoga den Geist davor zu bewahren, zum untätigen Vagabunden zu werden. Wenn der Geist durch Karma Yoga entsprechend beschäftigt ist, wird er im Laufe der Zeit rein und klar.
Ein anderer großer Fehler vieler Ashram-Bewohner ist es, dass sie von der Macht, der Position und dem Status vom Weg abgebracht werden. Sie identifizieren sich so stark der Sekretär, Beauftragter, Kassierer oder Buchhalter zu sein, dass sie so gar nicht mehr wissen, warum sie in einen Ashram gekommen sind. Sicherlich nicht, um mehr Karma anzusammeln! Der Ashram soll ein Ort sein, wo man sich dessen entledigen kann. Als solches ist es notwendig, die richtige Einstellung zum Karma zu haben.
Natürlich wusste ich, als ich das erste Mal in einen Ashram eintrat nicht, was Karma Yoga war. Ich hatte darüber gelesen, aber es nicht selber erfahren. Jedoch stürzte ich mich voll in die Arbeit im Ashram und in wenigen Jahren entdeckte ich, dass die Arbeit die ich tagsüber leistete die Qualität meiner fünfzehnminütigen Meditation wesentlich verbesserte. Tatsache ist, dass ich, bevor ich in den Ashram kam, eine Schwierigkeit mit meiner Meditation hatte. In einer bestimmten Phase bei meinen Übungen stand ich immer vor einer großen Wand über die ich nicht hinauskam. Es schien so, als ob meine Erfahrungen immer in eine Sackgasse gerieten. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und hatte schon bei vielen Leuten Rat gesucht.
Als ich Swami Sivananda traf, war das die erste Frage, die ich ihm vorlegte. Er forderte mich auf, im Ashram zu bleiben, hart zu arbeiten und mich zu reinigen. Ich begann sofort zu arbeiten. Ich wusch das ganze Kochgeschirr, schleppte Wasser aus dem Ganges auf die Bergkuppe, sammelte Ziegelsteine und Feuerholz, tippte auf der Schreibmaschine und konstruierte und ging acht Kilometer am Tag, um auf dem Markt Gemüse einzukaufen und es auf meinem Kopf zurückzubringen. Während dieser Zeit arbeitete ich jeden Tag bis nachts um neun Uhr. Dann nahm ich ein Bad und setzte mich ans Ufer des Ganges, um zu meditieren. Ich praktizierte Mantras, und mein Inneres war immer erleuchtet. Da waren keine Gedanken oder Eindrücke; es gab keine Vergangenheit und keine Zukunft. Ich existierte nicht einmal. Es war wie im Traum. Bevor ich es wusste, war es drei oder vier am Morgen. Ich schlief überhaupt nicht. Dies ging viele Monate lang, aber ich merkte nicht, dass ich nicht schlief.
Wenn ich jetzt über diese Zeit nachdenke, muss ich mich wundern. Ich weiß, dass ich nicht verrückt war, aber wie konnte ich jede Nacht ohne zu schlafen in Padmasana verbringen, wenn ich gleichzeitig den ganzen Tag so hart gearbeitet hatte? Wir lebten auch nur von einem Mindestmaß an Lebensmitteln.
Im Ashram hier gab es nur genug Nahrung, um den Hunger zu stillen, das war alles. Es gab nicht genügend Mineralien, Vitamine oder Proteine, aber meine physische Energie war so hervorragend, dass, wenn ich 100 Kilometer hätte laufen sollen, dazu in der Lage gewesen wäre.
Das Ashram-Leben ist wie ein Traum, ein sehr angenehmer Traum, der in einer sehr unangenehmen Weise vorübergeht. Nein, nicht unangenehm, ich möchte sagen, er geht in einer sehr unbequemen und unbehaglichen Art vorüber. Wenn ein Ashram keinen Wert auf Karma Yoga legt, wird er nicht in der Lage sein, irgendjemanden zu helfen.
Karma Yoga ist die Grundlage des spirituellen Lebens. Bhakti Yoga ist die übergeordnete Struktur und Raja Yoga ist der Putz und die Innenausstattung. Solange man nicht eine solide Grundlage hat, kann man kein schönes Haus bauen. Putz und Dekoration sind nicht genug. Deswegen waren zu allen Zeiten die Ashrams Plätze, an denen der Guru und seine Jünger sehr hart zu arbeiten hatten.
In Australien kauften wir etwas Land, 100 Kilometer von Sydney und etwa 30 Kilometer von der nächsten Poststelle und Einkaufsmöglichkeit gelegen. Jahrelang hatten wir kein Strom oder Telefon, und sogar jetzt haben wir kein heißes Wasser oder richtige Badezimmer. Wir haben einige einfache Hütten gebaut, in denen die Sannyasins leben können, aber die Lebensbedingungen waren hier nie einfach.
Es gibt oft wenig Wasser. Im Winter ist es hier so kalt, dass es nicht mal hilft, wenn man jede Stunde Kaffee trinkt. Viele Sannyasins verlassen den Ashram. Sie sagen, 'Wenn ich hier so viel erdulden muss, nur weil ich Sannyasin geworden bin, dann taugt dieses Leben nichts. Ich möchte es nicht länger mitmachen.'
Ashrams sind nicht dazu gedacht, den Komfort eines Heimes zu bieten. Das Leben in einem Ashram muss verschieden von dem sein, das Sie in der Stadt geführt haben. Ihre Habe muss minimal sein und Sie müssen in der Lage sein, sich an den Geist der Gemeinschaft anzupassen. Neid und Konkurrenz sollten nicht entstehen, obwohl es eine gesunde und positive Art der Konkurrenz gibt, die akzeptierbar ist: 'Er arbeitet zwölf Stunden am Tag, ich will sechzehn arbeiten. Jener Swami spricht so wenig wie möglich, ich möchte noch weniger reden. Sie isst nur zweimal am Tag, ich werde damit beginnen, nur einmal zu essen.' Dies ist eine gesunde Art der Konkurrenz, die einen Swami motiviert, aber die andere Form ist negativ: 'Oh, er isst Brot und Butter, das möchte ich auch haben, aber auf meins tue ich noch Käse. Sie hat vier Dhotis, ich möchte sechs.' Nun, das sind einige Scherze des Ashramlebens. Ich bin sicher, alle Swamis hier haben einige von ihnen schon erlebt.
Empfehlenswerte Literatur zu dem Thema Karma Yoga:
- Karma Sannyasa (Ananda Verlag
- Die Bhagavad Gita, Bauer Verlag oder Drei Eichen Verlag
- Karma Yoga und Bhakti Yoga von Swami Vivekananda, Bauer Verlag
- Die Autobiografie von Mahatma Gandhi
*1 Die drei Gunas sind die Grundeigenschaften im Menschen:
- Sattva = Harmonie, Weisheit
- Rajas = Energie, Kampf, Leidenschaft
- Tamas = Trägheit, Verblendung
(Aus: Yoga Heft Nr. 49) - Swami Satyananda Saraswati
Leben mit Swami Satyananda Saraswati
Welche Idee liegt dem Ashram-Leben zugrunde?
Swamiji: Das Grundkonzept des Ashrams bewegt sich um die Idee der harten Arbeit. Das Wort Ashram entspringt aus der Wurzel "shram" und bedeutet Arbeit. Zwei Arten der Arbeit finden im Ashram ununterbrochen statt. Die spirituelle Anstrengung, die wir für die Evolution des eigenen Selbst machen, ist harte Arbeit. Gleichzeitig ist die körperliche Arbeit, mit der wir zum Ashram-Leben beitragen, ebenfalls unserer Evolution dienlich.
In früheren Zeiten lebten selbst Könige und Herrscher genau wie jeder gewöhnliche Mensch im Ashram. Ein solcher Platz zeichnet sich immer durch äußerste Einfachheit aus, und hier kann jeder, ob reich oder arm, seine Antworten finden. Indem man sich an den Ashram-Aktivitäten beteiligt, kann jeder, gleich mit welchem Hintergrund er kommt, ein neues Leben und neue Freude finden.
Wenn man einige Zeit im Ashram lebt, hat man die Möglichkeit, sich selbst zu sehen und ein größeres Vertrauen in sich zu gewinnen. Viele Probleme wie Komplexe, Hemmungen und mangelndes Selbstvertrauen lösen sich nach kurzer Zeit auf.
Die Schönheit des Ashramlebens liegt darin, dass sich jeder enthusiastisch in die Aktivitäten hineinbegibt und versucht, sich daran zu erfreuen. Arbeit wirkt dann ansteckend und man macht sie freiwillig. Natürlich, der Guru oder der Acharya ist da, aber er ist nicht Leiter der Tätigkeiten, sondern die Quelle der Inspiration und nichts weiter. Auf diese Weise läuft das Ashram-Leben in wunderschöner und geordneter Weise.
Ich habe viele supermoderne Ashrams gesehen, aber ich glaube nicht an sie. Obwohl ich bestimmt die Möglichkeit hatte, einen modernen Ashram zu begründen, habe ich es nicht getan. Wenn jemand in den Ashram kommt, möchte er sich verändern. Wenn man aus der modernen, technologischen Gesellschaft herausgeht, um ein einfaches Leben zu führen, durchlaufen Körper und Bewusstsein eine große Metamorphose.
In Australien haben wir einen sehr großen Ashram, etwa 60 Meilen von Sydney entfernt. Es gibt keine geteerten Straßen und in den Wäldern hausen Pythonschlangen. Jahrelang gab es keine Elektrizität und obwohl wir wunderschöne Häuser dort hätten bauen können, haben wir uns für kleine Steinhütten entschlossen. Bequeme Wohneinheiten, Elektrizität, heißes Wasser und Luxustoiletten sind nicht notwendig.
Vielleicht leben wir das Leben rückwärts, aber es kann auch sein, dass die moderne Kultur rückwärts lebt. Moderne Annehmlichkeiten machen dich abhängig und faul, man braucht nicht einmal mehr zu denken. Das Bad benutzt du gedankenlos, du brauchst keinerlei Anstrengung zu machen.
Ihr lebt wie die Roboter. Im Ashram kann man nicht wie ein Roboter leben, dort muss man denken. Wenn du von Luxus umgeben bist, arbeitet dein Gehirn sehr langsam, während ein einfaches Leben ein sehr aktives Gehirn erfordert. Bedenke, dass in deinem Gehirn nur eine große Metamorphose stattfindet, wenn du dich einem wirklichen Wechsel stellst.
Ich glaube auch, dass Einzelzimmer uns keine Gelegenheit geben, zu erkennen, wo wir uns im Zusammenleben mit anderen befinden. Wenn eine Gruppe zusammenlebt, lernt man die Natur der menschlichen Psychologie besser verstehen. Man kann dann das eigene Bewusstsein, die eigenen Grenzen und Fehler besser einschätzen, was durch die Isolation in der modernen Kultur nicht möglich ist.